Heß-Verherrlichung

Geschichtsverleugnende Webpräsenz aus dem NPD-Umfeld wird nach zwei Jahren aus dem Verkehr gezogen – die Seite ist auch als Werbefläche für Veranstaltungen genutzt worden.

Donnerstag, 17. September 2009
Rudolf Kleinschmidt

Anfang September hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) die Rudolf Heß glorifizierende Website „46jahre“ wegen Verherrlichung des Nationalsozialismus indiziert. Verantwortlich für die Seite ist der als „Blood&Honour“-Aktivist geltende Rechtsextremist Henrik Ostendorf. Verfassungsschützer sehen den Mitarbeiter beim NPD-Organ „Deutsche Stimme“ als „Drahtzieher im internationalen Netzwerk zwischen NPD, NS-Skin-Milieu und der Hooliganszene“. Henrik Ostendorf kündigte inzwischen an, die Website mit Veröffentlichung der BPjM-Entscheidung abzuschalten.

Werbung für „Rudolf-Heß-Lkw-Deutschland-Rundfahrt“

So endet nach zwei Jahren eine geschichtsverleugnende Webpräsenz aus dem NPD-Umfeld, die ein szenetypisches Zerrbild von Heß als „Friedensflieger“ ohne Fehl und Tadel propagierte, der nach 46 Jahren Haft (daher auch der Seitenname) ermordet worden sein soll. Gestartet als Kampagnenseite zum 20. Heß-Todestag war sie Propagandaplattform für eine „Rudolf-Heß-Lkw-Deutschland-Rundfahrt“, die Ostendorf mit Nils Larisch, einem „technischem Mitarbeiter“ der sächsischen NPD-Landtagsfraktion und Verbindungsglied zu Neonazis der westsächsischen Kameradschaftsszene, unternahm. Beide waren im Jahr 2007 mit einem LKW mit Heß-Konterfei und der Aufschrift: „Mord verjährt nicht“ durch mehrere Bundesländer gefahren, bevor die Polizei in Hessen den braunen Spuk beendete.

„Friedensflieger“ ohne Fehl und Tadel

In der Folge wurde die Website erweitert zur Werbefläche für Veranstaltungen unter dem Motto: „Von der Idee zur Initiative oder: Vom Lkw mit zwei Mann, zum Kleinbus mit 4 Mann Besatzung“. Zusätzlich ergänzt mit dem Revisionisten und aktuellem NPD-Bundestagskandidaten Olaf Rose und dem „letzten Krankenpfleger von Heß“, Abdallah Melaouhi kam es so zu zahlreichen Veranstaltungen, auf denen „Neben einer kurzen Vorstellung der ‘Rudolf-Heß-LKW-Deutschland-Rundfahrt’ durch die beiden Initiatoren (…) Dr. Olaf Rose und Abdullah Melaouhi (der Krankenpfleger von Rudolf Heß) über das Leben und Sterben von Rudolf Heß im Spandauer Gefängnistrakt“ referierten, hieß es in einer Szenebeschreibung. Weitere Einnahmen wurden über den Online-Verkauf von Devotionalien des braunen Heß-Kultes über den NPD-nahen DS-Versand (Riesa/Sachsen) erzielt.

„Mord verjährt nicht“

An der mündlichen Anhörung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nahmen Ostendorf und Larisch, der Leipziger Rechtsanwalt Arndt Hohnstädter sowie das Referentenduo Olaf Rose und „Zeitzeuge und Buchautor“ Abdallah Melaouhi teil. Online bekannt gemacht wurde die Indizierung über einschlägige Plattformen wie Thiazi, Altermedia und Rock Nord, über Blog- und Websites von Kameradschaften und Autonomen Nationalisten sowie über rechtsextreme Microblogs wie den Twittern von Rock Nord oder Fackelschein aus Senftenberg. Wenige Wochen zuvor propagierte die NPD über diverse Sites und Twitter anlässlich des Todestages von Heß die jetzt indizierte Verherrlichungsseite.

Einschlägig bekannter Neonazi aus den USA verdient am Szene-Merchandising

Ein weiterer Beleg für die NPD-Nähe der Website ist das Hosting auf dem Naweko-Server des saarländischen NPD-Vorsitzenden Franz Frank, der zahlreiche weitere NPD-Webpräsenzen beheimatet. Das ursprünglich auf Ostendorf lautende Impressum der Heß-Seite führt seit über einem Jahr Bryant Calvert aus Wideman (Arkansas, USA) an – ein einschlägig bekannter Neonazi, der am Szene-Merchandising mit dem neonazistischen Tightrope-Versand – und zuvor Panzerfaust Records – verdient.

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