Militaria-Treffen

Helme, Hakenkreuze und Hitlerbilder

Bei einem „Militaria-Sammlertreffen“ wurden nationalsozialistische Devotionalien ausgestellt. Der Ort der Börse ist als rechter Veranstaltungsort bekannt.

Freitag, 13. Juni 2025
Andrea Röpke / Olaf Meyer
"Auch ich helfe dem Führer", steht auf einem Bild, die ersten beiden Buchstaben des Wortes "Führer" wurden abgeklebt.
"Auch ich helfe dem Führer", steht auf einem Bild, die ersten beiden Buchstaben des Wortes "Führer" wurden abgeklebt.

Jahrelang trafen sich Mitglieder des antisemitischen „Bund für Gotterkenntnis“ – Ludendorff zur mehrtägigen Ostertagung im touristischen Heidedorf Dorfmark in Niedersachsen. Die Gaststätten „Zur Post“ und „Deutsches Haus“ beherbergten bei diesen Zusammenkünften auch Neonazis wie Steffen Hupka, der 2006 einen Bücherstand betrieb oder Nikolai Nerling, der 2019 als Gast die Veranstaltung und Gegendemonstration filmte. Seine Partnerin stammt aus einer der völkischen „Sippen“ der Ludendorffer, posierte aber auch auf dem Cover des „Compact-Magazins“ mit der Parole „Das Reich ist Pop“. In den 1990er fanden mehrfach Landesvorstandssitzungen der NPD (heute „Heimat“) in der „Post“ statt. Breit aufgestellter antifaschistischer Protest vertrieb letztendlich die rechtsextremen Schulungsveranstaltungen der Ludendorffer aus Niedersachsen. 

Der Nationalsozialismus aber scheint auch weiterhin in der Gaststätte „Zur Post“ in Dorfmark eine Rolle zu spielen. Denn fast ebenso lange wie die Ludendorffer nutzen auch NS-Devotionalienhändler die beliebte Gaststätte am Bahnhof des Ortes für ihre Geschäfte. Ein „Sammlertreffen für Militaria aller Länder und Epochen“ soll es angeblich sein. Anmeldungen für die zweimal im Jahr stattfindenden Börsen nimmt ein „Dr. Schwimmer“ per E-Mail an. Doch was dort in Dorfmark angeboten wird, scheint sich vor allem auf eine Epoche zu beziehen: 1933-1945.

Braune Geschäfte in der Frühe

Pünktlich morgens um 7 Uhr am 7. Juni warteten bereits Händler unter anderem aus Lüneburg, Pinneberg, Celle, Winsen an der Luhe, Herford, Bielefeld, Duderstadt, Hildesheim, Salzlandkreis, Wolfenbüttel, Hamburg, Stadthagen, Oldenburg, Alfeld und Nienburg ungeduldig auf Einlass. Beladene Wägelchen, volle Kartons, Garderobenständer wurden eilig hereingetragen. Ebenso pünktlich reisten eine Stunde später interessierte Militaria-Fans aus dem gesamten norddeutschen Raum an. Alles lief routiniert ab, man kannte Ort und Geschehen scheinbar. Der holzgetäfelte altmodische Saal des Gasthofes war gesäumt mit vollgepackten Tischen.

Die Gaststätte "Zur Post" diente bereits in der Vergangenheit als Treffpunkt für Szene-Veranstaltungen, Foto: isso.media
Die Gaststätte "Zur Post" diente bereits in der Vergangenheit als Treffpunkt für Szene-Veranstaltungen, Foto: isso.media

Zettel mit der Aufschrift: „Achtung! Sämtliche Staatssymbole des 3. Reiches sowie Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen sind abzukleben“, waren aufgehängt worden. Und tatsächlich waren überraschend zahlreiche abgeklebte Stellen auf Büchern, Dokumenten, Orden oder Stahlhelmen zu sehen. Aber eben auch offen zu sehende Hakenkreuze. Es gab Uniformen, Bilder, Koppelschlösser, Pistolenmagazine oder Gürtel im Angebot. Dazwischen lagen mehrere Exemplare von „Mein Kampf“ inklusive Adler und Hakenkreuz zum Verkauf aus. Ebenso „Die braune Platte“, eine LP mit einer Hitler-Rede und zwei Lieder-Bücher mit dem Titel „Wir Mädel singen“ der NS-Organisation „Bund Deutscher Mädel“. Auf dem Plakat mit einer Frau stand: „Auch ich helfe dem Führer“, das letzte Wort ist halb verklebt. Zur Schau gestellte Reichsadler und Hakenkreuze lagen offen herum. Manche Händler gingen mit Interessierten zum Kofferraum ihrer Fahrzeuge. Dort wurden einzelne Exponate der Expertise unterzogen und wechselten zum Teil verpackt die Besitzer. Es ist nicht nur ein skurriles Hobby, umstrittene Militaria privat zu sammeln, sondern es kann auch dazu dienen, für immer neue  Generationen das Dritte Reich und seine Symbole fortleben zu lassen.

Auktionshaus für brisante Käufe

In der Bundesrepublik ist es legal, Objekte aus der Nazi-Zeit zu besitzen und zu verkaufen, alle eindeutigen Nazi-Symbole aber müssen entfernt oder verhüllt sein. Verboten ist die öffentliche Zurschaustellung dieser Symbole. Einen historischen Wert oder eine relevante Bedeutung haben die meisten dieser Devotionalien nur für NS-Begeisterte und ihre privaten Sammlungen.

Bereits 2019 berichtete die Walsroder Zeitung mit der Schlagzeile „Verbotene Waffen und Nazi-Devotionalien“ in Dorfmark. Die Polizei löste vor sechs Jahren eines dieser Militaria-Treffen in der Gaststätte auf und beschlagnahmte zahlreiche Waffen.

Bereits für den 15. März bewarb das Fachportal „Militaria321.com“ ein Sammlertreffen in Dorfmark. Miliaria321 gibt sich als das größte Militaria-Auktionshaus zu erkennen, das Impressum führt zu einer Firma in Liechtenstein. Online stehen zur Zeit u.a. ein „Foto Portrat mit original Signature A.H. Top!!!“ für 500 Euro zum Verkauf. Ein Buch des Altnazis Hans-Ulrich Rudel ist für 24 Euro zu haben. Eine Militariabörse in Dorfmark stand bereits 2009 im „Feldgrau-Forum“ unter Veranstaltungen. Militaria321.com fordert im Netz: „Registrieren Sie sich jetzt und werden Sie Mitglied unserer großen Familie! 

Neonazi und Händler 

Zur „Familie“ zählt wohl auch das 2009 gegründete „Antiquariat am Hellweg“ in Lippstadt. In der Eigenwerbung hieß es bereits vor Jahren: „Das Antiquariat fühlt sich der Geschichtsforschung verpflichtet und bietet zu Forschungs- und Sammlerzwecken vornehmlich Schriften mit politisch-geschichtlichen Themen aus allen Epochen der deutschen Geschichte an. Der Schwerpunkt liegt hier bei Schriften des 20. Jahrhunderts.“ Es sei ein „Spezialantiquariat für folgende Themengebiete: Nationalsozialismus, Drittes Reich, Geschichte der NSDAP und aller angeschlossenen Verbände und Untergliederungen, Konservative Revolution, Freikorps, Antisemitismus/Antijudaismus, Bündische Jugend, Jugendbewegung, Völkische Bewegung, deutsch-religiöse Reformationsbestrebungen im 20. Jh., Germanenkunde.“ Betont wurde: „Schriften politisch-historischen Inhalts aus der NS-Zeit werden nur zur staatsbürgerlichen Aufklärung und/oder wissenschaftlichen Zwecken verkauft.“ 

Ausgaben von "Mein Kampf" mit Hakenkreuzen auf dem Buchdeckel
Ausgaben von "Mein Kampf" mit Hakenkreuzen auf dem Buchdeckel

Die Adresse des „Antiquariats am Hellweg“ in Lippstadt führt zu einem bekannten Aktivisten der rechtsextremen Szene: Holger Steinbiß. Er bewegte sich bereits in den 1990er Jahren in Berlin in militant-terroristischen Neonazi-Kreisen um Ekkehard Weil und Arnulf Priem. Ein Aussteiger belastete Steinbiss damals gegenüber der Berliner Polizei, brachte ihn mutmaßlich mit NS-Büchern und Waffen in Verbindung. In Verstecken soll er demnach zwischen 1994 und 1998 belastende Gegenstände untergebracht haben, heißt es in der alten Vernehmung. Steinbiss kandidierte 2009 für die NPD zur Bundestagswahl und war in weiteren verfassungsfeindlichen Organisationen aktiv. Bei der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) war er auf einem Cover des Funkenflug bei einer Mutprobe abgebildet und bei der „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“ übte der Liebhaber einschlägiger Bücher zeitweilig das Amt des Schriftführers aus. 

Gegen elf Uhr ebbte der heikle Militaria-Handel im Saal der Dorfmarker Schänke schlagartig ab. Händler bauten eilig ihre Stände ab, trugen Kisten und Kästen heraus und verschwanden. Einer der Kunden war kurz zuvor zufrieden zum Auto geeilt: Gerolf B. Seine „Sippe“ betreibt seit Jahren ein Versandantiquariat mit Faible für den Nationalsozialismus in der Nordheide. Gerolf B. organisierte in Salzhausen die als aggressiv aufgefallenen Corona-Proteste mit. Aus der „Post“ hatte er einen Gürtel mit zum Auto getragen. Embleme oder Abzeichen waren auf der Straße nicht zu erkennen. 

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