Hauen und Stechen in der NPD

Der Machtkampf zwischen dem NPD-Vorsitzenden Udo Voigt und seinem Kontrahenten Holger Apfel steht nicht für eine politische Richtungsentscheidung. Beide Kandidaten haben sich um ein breites innerparteiliches Unterstützerspektrum bemüht – und heftig wird aufeinander eingedroschen.

Donnerstag, 10. November 2011
Tomas Sager

Bei der NPD geht zwei Tage vor dem geplanten Parteitag ein interner Wahlkampf zu Ende, dessen Niveau zuletzt stetig sank. Vermittelte die rechtsextreme Partei anfangs noch den Eindruck, die beiden Fraktionen hinter dem Vorsitzenden Udo Voigt und Holger Apfel würden über unterschiedliche strategische Konzepte und damit verbundene personelle Vorschläge sachlich diskutieren wollen, kam es, wie es bei einer Partei mit einem solchen Personal wohl kommen muss.

Kurz vor dem Parteitag wird auf einschlägigen Internetseiten munter aus internen Gesprächsrunden zitiert, bescheinigen Partei-„Kameraden“ einander gegenseitig charakterliche Defizite und wird über sexuelle Präferenzen und außereheliche Aktivitäten von Vorstandskandidaten spekuliert. Die Niveaugrenzen sind nach unten absolut offen. Das war auch vor dem Parteitag 2009, bei dem ebenfalls ein Vorsitzender zu wählen war, nicht anders. Damals wurde Andreas Molau, kurzzeitiger Kandidat für das Amt des Parteichefs, gar als „Achteljude“ tituliert. Immerhin: Mit Antisemitismen beharkt man sich diesmal nicht. Aber auch so bleiben genug Möglichkeiten, einander verächtlich zu machen.

Mehr als ein Jahrzehnt gemeinsam die NPD-Politik gesteuert

Zur Wahl stehen Holger Apfel (40) als Herausforderer und Udo Voigt (59) als Amtsinhaber. Apfel kam als 17-Jähriger 1988 zu den Jungen Nationaldemokraten (JN) und startete seine Parteikarriere, die manchem seiner Kritiker zu glatt und zu geplant erscheint. Stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender war er von 2000 bis 2009; seit 2004 ist er Fraktionschef im Dresdner Landtag, seit 2009 Landesvorsitzender in Sachsen. Voigt wurde schon mit 16 Jahren 1968 – in einer Hochphase der Partei – Mitglied der NPD. 1986 wurde er erstmals in den Bundesvorstand gewählt. Zehn Jahre später löste er bei einem turbulenten Parteitag Günter Deckert an der Spitze der NPD ab und hielt sich eineinhalb Jahrzehnte auf dem Chefstuhl – trotz oder wegen seines ständigen Lavierens zwischen „radikaleren“ und „gemäßigten“ Kräften in der Partei.

Just in jenem Jahr 1996 zog auch der damalige JN-Vorsitzende Apfel zum ersten Mal in das Führungsgremium der NPD ein. Mehr als ein Jahrzehnt steuerten Voigt und Apfel dort gemeinsam die NPD-Politik. In diesem Zeitraum öffnete sich die NPD für „parteifreie“ Neonazis – zunächst durch eine Kooperation mit ihnen, Mitte des vorigen Jahrzehnts dann auch durch die Aufnahme prominenter Vertreter dieser Szene in die Partei und deren Vorstand. In dieser Phase überstand die NPD das Verbotsverfahren und zog erstmals seit den 60er Jahren wieder in zwei Landtage ein.

„Seriöse Radikalität“ als Konzept

Mit der Eintracht zwischen Voigt und Apfel ist es spätestens seit 2008 vorbei. Persönliche Machtambitionen Apfels, die Kritik an Voigts Agieren im Finanzskandal, der mit dem Namen des vormaligen Schatzmeisters Erwin Kemna verbunden ist, sowie schließlich die Einsicht, dass ohne strategische Veränderungen bestenfalls eine Stagnation der Partei zu erwarten ist, führten zum Zerwürfnis zwischen beiden. Voigt setzte sich 2009 beim Parteitag in Berlin-Reinickendorf gegen den von Apfel unterstützten Gegenkandidaten Udo Pastörs durch. Apfel kandidierte daraufhin nicht wieder für den Vorstand.

Eine bundespolitische Abstinenz hatte sein Ausscheiden aus dem Vorstand freilich nicht zur Folge. Apfels Sachsen-NPD bestimmte entscheidend die Debatte über ein neues Parteiprogramm mit. Und persönlich tingelte er vor allem in den letzten Monaten durch die Parteigliederungen. In Mecklenburg-Vorpommern mischte er beim Landtagswahlkampf in diesem Sommer kräftig mit. In Sachsen-Anhalt fungierte er gar als Wahlkampfleiter. Jetzt sieht er die Zeit gekommen, Voigt an der Spitze der Partei abzulösen. Wer in die NPD hineinhöre, „der spürt, wie groß die Sehnsucht nach frischem Wind, neuen Köpfen und Visionen ist“, sagte er im Interview mit der „National-Zeitung“. Als „seriöse Radikalität“ bezeichnet Apfel das Konzept, mit dem er antritt.

„NPD darf keine Bürgerschrecktruppe sein“

Austreiben will er der Partei den Hang zu nostalgischen oder gar NS-nostalgischen Provokationen, wie zuletzt im Berliner Wahlkampf mit dem „Adolf“-Kreuzworträtsel oder den „Gas geben“-Plakaten. Apfel: „Wenn die NPD ihr Heil immer wieder in Provokationen sucht, die sich auf die Vergangenheit beziehen, dann wird sich das zum einen schnell abnutzen und zum anderen ein Klischee befestigen, das ohnehin schon die Köpfe vieler Menschen beherrscht.“ Gegen Provokationen hat er nichts – nur gegenwartsbezogen sollen sei sein. „Wenn ich ,seriöse Radikalität’ einfordere, geht es nicht um inhaltliche Anpassung und die Aufweichung unserer Grundsätze“, beteuerte Apfel im Gespräch mit der in Österreich erscheinenden Zeitschrift „Die Aula“. Die NPD dürfe aber „keine Polit-Sekte und Bürgerschrecktruppe sein“. Voigt aus der Perspektive von Apfel: ein Mann von gestern, ohne Visionen, rückwärtsgewandt.

Mit einer Politik des „Weiter so“ mit kleineren Modifikationen versucht sich hingegen Voigt im Amt zu halten. Er stehe zu seinem als „radikal – sozial – national“ definierten Kurs, schrieb Voigt in einem Kommentar für die Parteizeitung „Deutsche Stimme“. Dieser Kurs, „den wir gemeinsam seit 15 Jahren unter meiner Führung gegangen sind“, habe die Partei vorangebracht: „Wir haben uns gegen die REP und auch die DVU nicht mit bürgerlichem Gehabe durchgesetzt.“ Die NPD wolle nicht „Steigbügelhalter des Systems oder einer ,Israel-Connection’ sein“ und auch nicht eine bessere CDU oder REP werden, sagt Voigt. Und: „Unter ‚seriöser Radikalität’ kann ich mir genauso viel vorstellen wie unter einer ‚halbschwangeren Jungfrau’.“

Weichspüler, der Plattitüden produziert

In einem Interview mit einer Internetseite der „Deutschen Stimme“ erklärte er, die Partei könne „auch keine Wahlen mit Thesen der Beliebigkeit gewinnen“. Voigt: „Die NPD unter meiner Führung lässt sich nicht weichspülen von einer nationalen Weltanschauungspartei zu einer populistischen, diffusen ,Rechtspartei’.“ Apfel aus der Perspektive von Voigt: ein Weichspüler, der die Partei auf einen Kurs der Beliebigkeit bringen will und Plattitüden produziert.

Wer sich beim Parteitag durchsetzen kann, erscheint zwei Tage vorher noch völlig offen. Ein so deutliches Ergebnis wie 2009, als Voigt mit 136 zu 72 Stimmen gegen Pastörs durchs Ziel ging, dürfte es diesmal nicht wieder geben. Dafür dürfte auch sorgen, dass sich beide Kandidaten um ein politisch breites Unterstützerspektrum bemüht haben. Für Voigt werben der „gemäßigte“ Langzeitfunktionär Ulrich Eigenfeld ebenso wie der von den „parteifreien“ Neonazis zur NPD gestoßene Thorsten Heise oder der auf dem radikaleren Flügel beheimatete Uwe Meenen. Für Apfel trommelt Wolf Lehner, der sich im Falle seiner Wahl in den Vorstand um das „national-konservative und national-freiheitliche Lager“ bemühen will, ebenso wie gleich vier Kandidaten, die in der Vergangenheit für eine enge Zusammenarbeit mit „parteifreien“ Neonazis standen: Eckart Bräuniger etwa, Ricarda Riefling oder die beiden JN-Funktionäre Michael Schäfer und Andy Knape.

Auch angesichts solcher Personalien wirkt die Entscheidung, die die Delegierten zu treffen haben, weniger wie eine politische Richtungsentscheidung und eher wie eine Frage, wie das Polit-Marketing der Partei künftig aussehen wird.

 

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