Hauen und Stechen bei der „Rechten“

In Thüringen ist der komplette Landesvorstand der Neonazi-Partei „Die Rechte" (DR) zurückgetreten. Dem DR-Bundesverband werden Hetze und Schlammschlacht vorgeworfen. Die Ex-Vorstandsmitglieder Enrico Biczysko und Michel Fischer dürften voraussichtlich versuchen, ihre soziale Graswurzelarbeit in Thüringen zu intensivieren.

Donnerstag, 23. November 2017
Kai Budler

Wer auf der Homepage des Bundesverbandes der Neonazi-Partei „Die Rechte“ (DR) Informationen zum Landesverband in Thüringen abrufen will, stößt lediglich auf die Information: „Derzeit werden das Informationsangebot und die Kontaktmöglichkeiten zum Landesverband Thüringen überarbeitet. Aktualisierte Angaben folgen zeitnah!“. Der lapidaren Meldung vorausgegangen war heftige Kritik am Finanzgebaren des Landesverbandes um den Vorsitzenden Enrico Biczysko und seinem Stellvertreter Michel Fischer.

Bundesschatzmeister Wolfgang Mond wirft in einem Schreiben dem Thüringer Landesverband vor, seit seiner Gründung 2015 „keine Beiträge mehr an den Bundesverband abgeführt“ zu haben. In einer Information des DR-Bundesverbandes um den kommissarischen Vorsitzenden Christoph Drewer wird darüber spekuliert, „ob die Beitragsanteile unterschlagen“ worden wären. Nachdem der Landesvorstand dazu aufgefordert worden sei, der „Verpflichtung zur Zahlung der Beitragsanteile unverzüglich nachzukommen“, seien Biczysko und Fischer aus der Partei ausgetreten. Ohnehin habe sich der Landesverband in der Vergangenheit „inner- und außerhalb der Partei weitgehend isoliert“ und sei dem „Anspruch mit allen konstruktiven nationalen Kräften auf Augenhöhe und zum gegenseitigen Vorteil zusammenzuarbeiten“, in keiner Weise gerecht geworden, heißt es seitens der DR-Bundesspitze.

„Posten wie auf einem türkischen Basar verschachert“

Die gerade zurück getretenen Personen schießen scharf zurück. Sie sprechen von einer „Hetzschrift“ des Bundesvorstandes und kritisieren die „öffentliche Schlammschlacht“ sowie eine Diffamierung und Torpedierung der Arbeit des Thüringer Verbandes, dessen Vorstand geschlossen zurückgetreten sei. Der Bundesschatzmeister wird als „ungehaltener Zausel“ bezeichnet, der Mitglieder des Thüringer DR-Vorstandes beleidigt habe. Außerdem habe der Bundesverband nicht eingegriffen, als sich nach der Umstrukturierung des Vorstandes 2016 die ehemals zuständigen Amtsträger mehrfach geweigert hätten, die finanziellen Mittel und die entsprechenden Unterlagen zu übergeben. Spätestens im Oktober 2017 sei „ein Zerwürfnis mit der Bundespartei“ offensichtlich geworden, deren Glaubwürdigkeit zweifelhaft sei, weil unter anderem „Posten wie auf einem türkischen Basar in bester Bierlaune verschachert wurden“.

Ein „Hoffnungsschimmer, es könne doch noch zu einer Modernisierung innerhalb der Partei kommen, der durch den Rücktritt des Bundesvorsitzenden Worch entstand“, sei zeitnah erloschen, schreiben die Thüringer und spielen auf den jüngsten Bundesparteitag der Neonazi-Partei an. Dort hatte Christian Worch angeblich eine Beschlussvorlage des Thüringer Landesverbands nicht mittragen wollen, in dem gefordert wurde: „Der Bundesparteitag möge beschließen, dass die Partei DIE RECHTE sich voll und ganz zur deutschen Volksgemeinschaft bekennt.“ (bnr.de berichtete)

Der ehemalige DR-Landesvorsitzende Enrico Biczysko kündigte an, er werde „auf jeden Fall mit meinem langjährigen Kameraden Michel Fischer und unserer Gemeinschaft zusammen weiter gehen“. Auch Fischer bestätigte, in Thüringen habe sich „eine starke Gemeinschaft gebildet, welche auch in Zukunft konsequent den Weg des Widerstandes gegen dieses System zusammen gehen wird“.

Thüringer Neonazis lehnen Zusammenarbeit mit Fischer ab

Dabei sind gerade in der Causa Fischer die jetzt erhobenen Vorwürfe nicht neu. Bereits im April 2013 hatten 22 extrem rechte Gruppierungen in Thüringen öffentlich „fortan jedwede Zusammenarbeit mit Michel Fischer“ abgelehnt. Sie warfen dem Neonazi blinden Aktionismus sowie „eine Spaltung nationaler Gruppierungen und eine inszenierte Selbstdarstellung“ beziehungsweise eine „offensichtliche Profilneurose“ vor. Schon damals war die Rede von Fischers „Versuch, einen Keil zwischen parteifreie Gruppen untereinander und zwischen freie und parteigebundene Kräfte zu treiben“. Zu seinem Umfeld zählte zu diesem Zeitpunkt auch der Verein „Pro Erfurt“ mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Enrico Biczysko, der unter anderem von dem später als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes bekannt gewordene Kai-Uwe Trinkaus aus der Taufe gehoben worden war. Biczysko war Mitglied der „Freien Kameradschaft Erfurt“, aktiver Hooligan und wechselte nach der Auflösung von „Pro Erfurt“ zur NPD, für die er 2014 einen Sitz im Erfurter Stadtrat erlangte. Nur ein Jahr später wurde durch geleakte Handy-Daten des damaligen DR-Funktionärs Alexander Kurth öffentlich, dass Biczysko an einem Übertritt zur NPD-Konkurrenz interessiert war.

Zu den Unterzeichnern der „Stellungnahme nationaler Gruppen aus Thüringen zur Person Michel Fischer“ gehörte 2013 auch der NPD-Landesverband. Hatte der damalige NPD-Landeschef Patrick Wieschke jedoch noch nicht einmal sechs Monate später erneut auf Fischer und dessen Umfeld zurückgegriffen, äußerte der NPD-Funktionär und Thüringer Landesvorsitzende Thorsten Heise erst jüngst seine Skepsis gegenüber dem Neonazi aus dem Weimarer Land. Während Heise in einem Interview seiner Hoffnung Ausdruck gab, mit den „Kameraden vom III. Weg und Die Rechte“ gemeinsam „eines Tages das Ruder herumreißen“ zu können, schloss er Michel Fischer von diesem parteiübergreifenden Projekt aus.

Vermeintlich soziale Bemühungen beim Verein „Volksgemeinschaft“

Parteiübergreifend soll auch der von der NPD für den 1. Mai 2018 angemeldete Aufmarsch sein, zu dem die Partei nach Erfurt mobilisiert. Für „Die Rechte“ in Thüringen war das offenbar ein so großer Affront, dass der Landesverband einen eigenen Aufmarsch für den 28. April in der Landeshauptstadt anmeldete. Nach der jüngsten personellen Entwicklung ist jedoch fraglich, ob der Aufmarsch unter dem Motto „Volkswirtschaft statt Finanzlobbyismus“ viele Teilnehmer anlocken kann.

Wenn Biczysko und Fischer nach ihrem Austritt aus der DR ankündigen, gemeinsam weiter zu machen, ist dies nur eine Bestätigung, dass sie und ihr Umfeld weiterhin versuchen wollen, ihre vermeintlich sozialen Bemühungen zu verstärken. Beide sind in die Aktivitäten des 2015 gegründeten Vereins „Volksgemeinschaft“ involviert, der Räume im Erfurter Ortsteil Herrenberg bezogen hat. In der Studie „Ursachen und Hintergründe für Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und fremdenfeindlich motivierte Übergriffe in Ostdeutschland sowie die Ballung in einzelnen ostdeutschen Regionen“ heißt es dazu: „Auf dem Herrenberg weitet die rechte Szene ihren Einfluss auf zweierlei Weise aus: Zum einen hat sie die Kümmerer-Taktik deutlich und erfolgreich intensiviert, zum anderen ihre Präsenz in der Öffentlichkeit deutlich erhöht, um nicht zuletzt einen Normalisierungseffekt zu erreichen. Als Zentrum dieser Doppelstrategie von Kümmern und Dauerpräsenz, als Knotenpunkt der Bemühungen um Normalisierung und Durchdringung der Stadtteilgesellschaft hat sich die rechte Szene ebenjene Immobilie gesichert, die, unter dem sprechenden Namen 'Volksgemeinschaft' mitten im Viertel stehend, für jedermann sichtbar und zunächst auch zugänglich ist und die als ordentliche, herausgeputzte Manifestation der Stärke der rechten Szene gesehen werden kann und muss.“

Spenden von Neonazis nicht willkommen

Doch die Bemühungen der Neonazis, in einem als benachteiligt empfundenen Stadtteil als „Kümmerer“ aufzutreten, stoßen nicht nur auf Zustimmung. Als der Herrenberger Verein im Oktober erklärte, in seinen Räumlichkeiten gebe es einen GLS- Paketshop, in dem montags bis samstags Pakete abgeholt werden könnten, zog GLS seinen Paketshop umgehend ab, nachdem das Unternehmen über die Hintergründe des rechten Vereins informiert wurde. Zur Begründung hieß es, als europäisches Unternehmen stehe man „für Vielfalt, Offenheit und Toleranz, welche sich auch in unseren Mitarbeitern und Partnern widerspiegelt. Fremdenfeindlichkeit hat daher keinen Platz“.

Auf Ablehnung stieß auch der Versuch der „Volksgemeinschaft“, sich durch eine Geldsammlung für das Kinder- und Jugendhospiz im thüringischen Tambach-Dietharz zu profilieren. Dessen Trägerverein hatte erst im August 2016 auf eine ähnliche Aktion des Thüringer Neonazis Tommy Frenck reagiert, seine Spende „als politischen Akt der Selbstinszenierung“ entschieden abgelehnt und Frenck vorsorglich Hausverbot erteilt. Im Falle einer Überweisung auf das Spendenkonto wolle man den Betrag zurücküberweisen, hieß es. Anschließend solle der Betrag aus privaten Mitteln verdoppelt und EXIT e.V. zur Verfügung gestellt werden. Über dieses „eindeutige Signal gegen Fremdenhass, Intoleranz, Antisemitismus und Gewalt“ kann sich EXIT jetzt wieder freuen. Auf Anfrage von bnr.de sagte der Pressesprecher des Trägervereins, Stephan Masch, die jetzt eingegangene Spende könne leider nicht zurück überwiesen werden, „da uns keine Spenderliste der Sammlung zur Verfügung steht“. So folge der Verein dem Beispiel aus dem August 2016, „den Spendenbetrag in Höhe von 280,54 Euro an 'EXIT - DEUTSCHLAND', einem Hilfeverein mit dem Ziel Personen zur Seite zu stehen, die den Ausstieg aus der rechtsextremen Szene vollziehen wollen, zu spenden“.

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