Hatz auf politische Gegner

In Berlin-Kreuzberg kam es wieder zu einem vermutlich rechts motivierten Angriff auf ein Parteibüro der Linkspartei. Die Polizei scheint unterdessen machtlos gegen eine Webseite Berliner Neonazis, die detaillierte Listen über zivilgesellschaftliche Einrichtungen sowie Einzelpersonen veröffentlicht.

Montag, 09. Januar 2012
Theo Schneider

In der Nacht zum 6. Januar wurde das Wahlkreisbüro der Linken-Bundestagsabgeordneten Halina Wawzyniak zum wiederholten Male attackiert. Der Hauswart des Gebäudes am Mehringplatz entdeckte zwei eingeworfene Fensterscheiben am Vormittag und zeigte den Vorfall bei der Polizei an. Sowohl Polizei als auch die Politikerin gehen von einem gezielten Anschlag durch Neonazis aus.

Bereits nach einem gescheiterten Neonaziaufmarsch in Kreuzberg im Mai vergangenen Jahres war das Büro Ziel einer rechten Attacke, bei der mehrere Scheiben eingeworfen wurden. Die Bundestagsabgeordnete sieht in dem jüngsten Angriff einen neuerlichen Versuch, Nazigegner/innen einzuschüchtern und erklärte am Freitag: „So wie vor einem halben Jahr, wird ihnen dies auch diesmal nicht gelingen. Im Gegenteil fühle ich mich nur noch mehr bestärkt in meinem Kampf gegen Rechtsextremismus. Rassistisches, antisemitisches und ausländerfeindliches Gedankengut darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.“

Tote offensichtlich bewusst in Kauf genommen

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin zählt seit November 2009, damals war es zu einer massiven Zunahme von Angriffen auf linke und zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Einzelpersonen gekommen, insgesamt 101 bekannt gewordene Anschläge mit nachgewiesenem oder sehr wahrscheinlichem rechten Hintergrund in Berlin. Trauriger Höhepunkt waren fünf Brandanschläge in der Nacht zum 27. Juni 2011. Dabei wurden Tote offensichtlich bewusst in Kauf genommen, da sich fast alle Einrichtungen in Wohnhäusern befanden. Zuvor kursierte in der Szene ein Aufruf des Neonazi-Netzwerks „NW-Berlin“, in dem es hieß: „Brecht den Terror der Roten! Linke Lokalitäten sind auf der Berliner Widerstandsseite zu finden“.

Auf eben jener Seite des „NW-Berlin“ befinden sich diverse Fotos und Adressen von zivilgesellschaftlichen und linken Einrichtungen sowie von Einzelpersonen mit dem Hinweis: „Wir hoffen diese Informationen sind für Euch im praktischen Sinne effektiv.“ Obwohl Betroffene mehrfach Anzeigen erstatteten, sind die Daten weiterhin online. Eine Antwort der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz auf eine kleine Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus der Linken macht deutlich warum. Offensichtlich kann die Berliner Polizei die Drahtzieher der Webseite nicht identifizieren. Da diese von einem Server betrieben wird, „der – mit Bedacht – in den USA stationiert ist“, waren „die in Deutschland möglicherweise strafrechtlich relevanten Veröffentlichungen nach amerikanischem Recht von der Meinungsfreiheit gedeckt“. Aus diesem Grund „war ein auf Bekanntgabe des Betreibers gerichtetes Rechtshilfeersuchen an die Justizbehörden der USA nicht erfolgversprechend.“, heißt es.

Webseite liefert weiterhin Ziele für Anschläge

Allerdings bekannte sich der Berliner NPD-Vizechef und Demonstrations-Daueranmelder Sebastian Schmidtke öffentlich zu der Seite als „unsere Weltnetzpräsenz“, meldete sich unter dort veröffentlichten Kontaktnummern und stellte regelmäßig seinen Namen für Propaganda eben dieser Seite zur Verfügung. Zudem informierte der niedersächsische Neonazifunktionär Dieter Riefling in einem Bericht über eine rechte Veranstaltung in der Szenekneipe „Zum Henker“ in Berlin-Schöneweide im April vergangenen Jahres darüber, herzlich von „Sebastian Schmidtke vom NW-Berlin“ begrüßt worden zu sein. Für die Senatsverwaltung scheint aber „weder die Urheberschaft von Schmidtke für diese Publikationen, noch eine Beteiligung an der Webseite [...] nachweisbar.“

Zwar heißt es in der Antwort „Es werden alle rechtlich zulässigen Anstrengungen unternommen, den/die nicht bekannten Betreiber zu ermitteln“, dennoch wurden alle bisherigen Anzeigen durch Betroffene von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Insofern liefert die Seite auch weiterhin Ziele für Anschläge wie den auf Wawzyniaks Büro. Daran dürfte auch die Tatsache der Indizierung im April 2011, wodurch die Seite bei Suchmaschinen nicht mehr angezeigt wird, wenig ändern.

 

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