Haftstrafen für Mitglieder der Neonazi-Gruppe „Revolution Chemnitz“

Christian K. bei einer anderen Verhandlung am Chemnitzer Amtsgericht, Foto: Tim Mönch
Der heutige letzte Prozesstag begann mit den noch ausstehenden Plädoyers der Verteidiger. In seiner letzten Möglichkeit, sich zu äußern, bat einer der Angeklagten um Bewährungsstrafen für sich und die weiteren Angeklagten, damit man in Zeiten der Corona-Pandemie bei den Familien statt im Gefängnis sein könne. Im Anschluss zogen sich die Richter des Oberlandesgerichts zu Beratung zurück und verkündeten dann die Urteile.
Alle Angeklagten wurden der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen. Das Gericht verhängte Haftstrafen zwischen zwei Jahren und drei Monaten und fünfeinhalb Jahren. Die Richter folgten damit in Teilen der Forderung der Bundesstaatsanwaltschaft, die für die acht Angeklagten Haftstrafen zwischen drei und fünfeinhalb Jahren gefordert hatte. Sie sah es in ihrem Plädoyer als begründet an, dass die Gruppe eine terroristische Vereinigung gewesen sei und die Mitglieder der Ideologie des Nationalsozialismus anhängen. Die Verteidiger hatten für ihre Mandanten hingegen deutlich geringere Strafen gefordert.
Martin H. (mit Fahne) auf einer Demonstration des Dritten Wegs am 1. Mai 2018 in Chemnitz, Foto: Tim Mönch
Am 14. September 2018 trafen sich Teile der jetzt Verurteilten im Nachgang einer Demonstration der rechtsextremen „Bürgerbewegung Pro Chemnitz“ mit weiteren Neonazis. Mehrfach hatten die Mitglieder der terroristischen Vereinigung in der vorherigen Wochen an den rechtsextremen Aufmärschen teilgenommen. Auf der Chemnitzer Schlossteichinsel sollte ein Probelauf für den geplanten Anschlag in Berlin stattfinden.
Eine Gruppe von 17 Neonazis patrouillierte über die Insel, kreiste mutmaßliche Ausländer ein, verlangte deren Ausweise zu sehen und griff mehrere Menschen tätlich an. Ein Video, das kurz nach der Tat aufgenommen wurde, zeigt einen am Kopf blutenden Mann, der offensichtlich von den Neonazis angegriffen wurde. Die herbeigerufene Polizei nahm die Angreifer fest. Christian K. kam sofort in Untersuchungshaft. Die weiteren Mitglieder wurden zwei Wochen später festgenommen und jetzt verurteilt.

Christian K. (mit Schutzweste) bei den Ausschreitungen in Chemnitz im August 2018, Foto: Tim Mönch
In wenigen Minuten fällt das Urteil im Prozess gegen "Revolution #Chemnitz". Einer der Angeklagten hatte in Zeiten von #COVID2019 um Gnade für die sieben Mitangeklagten und Bewährungsstrafen gebeten. "Damit sie in dieser schweren Zeit bei ihren Lieben sein können."
— Antonie Rietzschel (@arietzschel) March 24, 2020
Neonazis teils in anderen militanten Kameradschaften aktiv
Den Angeklagten war vorgeworfen worden, sich spätestens im September 2018 als Gruppe zusammengeschlossen zu haben. Unter dem Namen „Revolution Chemnitz“ hätten sie Straftaten gegen Ausländer und politisch Andersdenkende geplant. Für den 3. Oktober 2018 sollen die Angeklagten einen Anschlag in Berlin geplant haben. Dafür hatten sie versucht, Schusswaffen zu kaufen, Angebote mit festen Preisen hätten bereits vorgelegen. Als Anführer der Gruppe tat sich in den Chats der Chemnitzer Christian K. hervor, der in der Vergangenheit bereits als Teil der neonazistischen Kameradschaft „Sturm 34“ auffiel. Die Gruppe war bis zu ihrer Auflösung 2007 im mittelsächsischen Mittweida aktiv und griff dort mehrfach Menschen an, die sie für Migranten oder politisch Andersdenkende hielten. Auch „Revolution Chemnitz“-Mitglied Tom W. war Teil des „Sturm 34“. Zudem waren weitere Mitglieder wie beispielsweise Martin H. seit Jahren regelmäßig auf neonazistischen Demonstrationen und Konzerten zu sehen. Der geplante Anschlag sollte schließlich einen gesellschaftlichen Umsturz einläuten. Doch dazu kam es nicht.

Christian K. (mit Schutzweste) bei den Ausschreitungen in Chemnitz im August 2018, Foto: Tim Mönch