Grenzlinien gegen Rechts

Die Vertreter der Kommunalparlamente müssen sich inhaltlich stärker mit rechtsextremen Ideologien auseinandersetzen. Zu diesem Schluss kommt eine jetzt erschienene Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung und des Vereins für demokratische Kultur in Berlin.

Freitag, 04. April 2014
Redaktion

Für die Handreichung „Vor Ort entscheidet. Kommunale Strategien gegen Rechtsextremismus“ haben die Autoren im Sommer 2013 Akteure der Kommunalpolitik und zivilgesellschaftliche Akteure in neun Kommunen interviewt. Hauptkriterien der Auswahl waren, dass in den Kommunen im Jahr 2014 Kommunalwahlen stattfinden und dass extrem rechte Parteien in den Kommunalparlamenten vertreten sind. Außerdem sollten sowohl städtische als auch ländliche Kommunen aus den neuen und alten Bundesländern vertreten sein. Dies führte zu Gesprächen in neun Kommunen aus sechs Bundesländern.

Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass die NPD mit ihren rund 350 Mandaten in den kommunalen Gremien nahezu keine Gestaltungsmöglichkeiten habe. Grund sei die einhellige Ablehnung durch die demokratischen Kräfte. Vera Henßler, die als Autorin an der Studie mitgeschrieben hat, kritisiert jedoch, dass dieser Erfolg zu selten inhaltlich begleitet und nachhaltig gesichert werde. „Die inhaltliche Auseinandersetzung mit Rassismus und Nationalismus in der ‚Mitte der Gesellschaft‘ wird kaum geführt. Eine Analyse rechtsextremer Ideologie ist jedoch die notwendige Grundlage, um für demokratische Werte erfolgreich streiten zu können“, betont die Autorin. Dies gelte gerade beim Umgang mit neuen Parteien, die nicht immer der extremen Rechten zugeordnet werden können, aber Versatzstücke dieser Ideologie vertreten würden, so der Ko-Autor Ulrich Ovendieck. „Gegenüber diesen Parteien funktioniert keine Ächtung wie bei der NPD. Die Zurückweisung rassistischer inhalte muss inhaltlich begründet werden, um zu überzeugen.“

„Einen tragfähigen demokratischen Prozess in den Kommunen erarbeiten“

Die Ablehnung und Ächtung des Rechtsextremismus sei mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden und müsse weder kommuniziert noch begründet werden, halten Henßler/Ovendieck fest. Allerdings sei die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Programmatik rechtsextremer Parteien dabei kaum noch Grundlage des kommunalpolitischen Umgangs. Rechtsextreme Mandatsträger/innen würden mit Anfragen, Anträgen und Wortbeiträgen eine politische Strategie der Normalisierung verfolgen – die demokratischen Politiker/innen müssten hier ihre ablehnende Haltung mit Hinweis auf deren wahre Gesinnung, die sich nicht zuletzt durch menschenverachtende Äußerungen an anderer Stelle ausdrücke, nachvollziehbar begründen.

Die Studie verweist auch auf die „Grenzen des Konsens“, es sei offensichtlich, dass Gemeinsamkeiten der demokratischen Parteien in politischen Fragestellungen, die über die kommunale Arbeit hinausreichten, begrenzt seien. Debatten über strittige Themen, auf die auch rechtsextreme Akteure setzten, sollten aber geführt werden. Dabei könne eine „Doppelstrategie aus parteiübergreifenden Erklärungen und einer tiefer gehenden Auseinandersetzung in den einzelnen Parteien“ helfen, die es ermögliche, extrem rechte Initiativen trotz inhaltlicher Unterschiede gemeinsam zurückzuweisen. Die Autoren der Handreichung sehen die größte Herausforderung, „trotz inhaltlicher Differenzen der demokratischen Parteien einen tragfähigen demokratischen Konsens in den Kommunen – auch über die Kommunalpolitik hinweg – zu erarbeiten“.

Wie aus der Studie hervorgeht, verfügt die NPD derzeit über mindestens 350 Kommunalmandate, hinzu kommen noch die Mandate der rechtspopulistische Kleinparteien wie die „Pro“-Verbände oder der Republikaner. Der Verein für demokratische Kultur geht davon aus, dass antidemokratische und rassistische Kräfte in einer beträchtlichen Anzahl kommunaler Gremien vertreten sind. Deutschlandweit wird von einem Wählerpotenzial von 15 bis 20 Prozent für Parteien rechts von CDU und FDP ausgegangen. Und auch bei den kommenden Kommunalwahlen muss davon ausgegangen werden, dass rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien Mandate erringen werden. (kb)

Die Studie „Vor Ort entscheidet. Kommunale Strategien gegen Rechtsextremismus“ gibt konkrete Handlungshilfe für Kommpolitiker/innen im Umgang mir rechtsextremen Akteuren.

Die Handreichung kann als pdf heruntergeladen werden: www.mbr-berlin.de/wp-content/uploads/2014/03/Handreichung_VorOrtentscheidet.pdf

und steht als Download bereit.

Die Printversion kann bei der Friedrich-Ebert-Stiftung kostenlos bestellt werden.

 

Kategorien
Tags