Gewalttätige „Spontandemonstration“
Fast auf den Tag genau drei Jahren nach dem Überfall von Neonazis auf eine Demonstration des DGB zum 1. Mai in Dortmund beginnt am kommenden Freitag die Gerichtsverhandlung gegen die beiden mutmaßlichen Drahtzieher der Aktion.
Vorgeworfen wird Dennis G. und Alexander D. unter anderem Landfriedensbruch. Die beiden gelten als führende Köpfe der „Autonomen Nationalisten“ im östlichen Ruhrgebiet. G. ist alljährlich Hauptorganisator der Aufmärsche zum „Nationalen Antikriegstag“. Bei einer Demonstration der Szene für den Erhalt eines „Nationalen Zentrums“ Ende März fungierte er zuletzt als Versammlungseiter.
Am 1. Mai 2009 war die DGB-Demonstration aus einem Zug von etwa 400 Neonazis heraus angegriffen worden. G. soll seine „Kameraden“ zum Aufbruch angetrieben und per Handzeichen zu Gewalttätigkeiten animiert haben, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Aufgabe von D. war es demnach, die Gruppe zusammenzuhalten und Nachzügler einzuweisen.
Die Neonazis hatten sich am Morgen jenes Tages am Hauptbahnhof getroffen. Angeblich, um mit dem Zug zu einer angemeldeten Demonstration der „Freien Nationalisten Siegerland“ in Siegen zu fahren. Tatsächlich aber setzten sie sich nicht in einen Zug, sondern stürmten in die Innenstadt, wo die Auftaktkundgebung der DGB-Demonstration stattfand.
„So einen Hass noch nie erlebt“
Es habe sich um eine „Spontandemonstration“ gehandelt, die sich „plötzlich“ entwickelt habe, behaupteten die Neonazis später. Der Inspekteur der nordrhein-westfälischen Polizei stellte freilich vor dem Innenausschuss des Landtages fest, dass die gewalttätigen Aktionen keineswegs spontane Handlungen gewesen seien, sondern „eine – wenn auch nur kurzfristig – koordinierte und verabredete Tat“.
Für einen Überfall auf die DGB-Veranstaltung waren die Neonazis in der Tat gerüstet – eher jedenfalls als für eine legale Demonstration. Als es den Beamten gelang, rund 300 von ihnen festzusetzen, fanden sie Hieb- und Stichwaffen, Reizgas und Pfefferspraydosen, Quarzhandschuhe, Schießbecher für Signalmunition sowie selbst gebaute pyrotechnische Rauchkörper.
„Ich bin schon länger Polizist. So einen Hass, so eine Gewalt habe ich noch nie erlebt“, sagte einer der damals eingesetzten Polizeibeamten in einem der folgenden Gerichtsverfahren gegen Beteiligte des Überfalls. Teilnehmer der DGB-Veranstaltung wurden mit Holzstangen angegriffen, mit Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen. „Für uns als Gewerkschaften war ein solcher Vorgang vorher undenkbar“, sagt die Dortmunder DGB-Chefin Jutta Reiter. Nach ihrer Attacke auf die Gewerkschafter randalierten die Neonazis in der Innenstadt weiter. Nun waren Polizeibeamte das Ziel: Fünf Polizisten wurden verletzt, mehrere Streifenwagen beschädigt.
Prozesseröffnung immer wieder hinausgeschoben
Während die Polizei versuchte, die Angreifer in Gewahrsam zu nehmen, kritisierte der Pulheimer Neonazi Axel Reitz bei der Demonstration in Siegen jene „Autonomen Nationalisten“, die gemeint hätten, „sie würden mit spontanen Aktivitäten weiterkommen“. Dass sie nun den „Repressionsorganen zum Opfer“ gefallen seien, nannte Reitz „voraussehbar“ und „unnötig“.
Insgesamt gegen 400 Personen wurden Ermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlicher Körperverletzung und anderer Tatbestände eingeleitet. Rund 20 Gerichtsverfahren endeten mit Freiheitsstrafen mit und ohne Bewährung, Jugendarresten oder Geldstrafen.
"Ermutigung der Täter"
Massiv war kritisiert worden, dass sich das Verfahren gegen die mutmaßlichen Drahtzieher aber immer weiter verzögerte. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits im März 2010 Anklage erhoben. Doch mit Hinweis auf dringendere Haftsachen wurde die Prozesseröffnung immer weiter hinausgeschoben. Dortmunds vormaliger DGB-Vorsitzender Eberhard Weber, der 2009 die Mai-Veranstaltung organisiert hatte, beklagte sich im Sommer letzten Jahres: Dass die mutmaßlichen Rädelsführer der Aktion immer noch nicht vor Gericht gestanden hätten, komme „einem Stillstand der Rechtspflege“ und „einer Ermutigung der Täter“ gleich.
Am kommenden Freitag, vier Tage vor dem 1. Mai 2012 soll es nun endlich doch noch soweit sein. Bislang plant das Schöffengericht mit sechs Verhandlungstagen mit mehr als 40 Zeugen.