Gewaltphantasien und Drohgebärden
Zerstörter Eingangsbereich nach dem Angriff auf Connewitz, Foto: Tim Wagner
Die bisherigen Prozesse gegen die mutmaßlichen Angreifer auf den Leipziger Stadtteil Connewitz liefen am Amtsgericht Leipzig fast alle nach dem gleichen Schema ab: Jeweils zwei der 217 Personen wurden zusammen angeklagt. Das Gericht bot den Angeklagten im Vorfeld Absprachen an, wenn jene sich geständig zeigten und versprach im Gegenzug dazu eine gewisse Strafhöhe nicht zu überschreiten. Dies wurde von den bisherigen Angeklagten angenommen, auch wenn ihre Geständnisse über ein Zugeständnis, vor Ort gewesen zu sein, selten hinaus ging. So konnten Zeugen ausgeladen und die meisten Hauptverhandlungen innerhalb weniger Stunden abgeschlossen werden.
Am Mittwoch war vieles anders. Zum ersten Mal saßen vier statt nur zwei Personen auf der Anklagebank. Die Angeklagten werden sich in diesem Prozess nicht äußern, das stand gut eine Stunde nach Verhandlungsbeginn fest. Verständigungsgespräche waren sowohl im Vorfeld, als auch vor Ort gescheitert. Was folgte, war die Vorladung diverser Zeugen. Die Strategie der Angeklagten unterschied sich von den vergangenen Prozessen.
Jene stellten sich als einzelne unwissende Einzelgänger dar, die zwar zugaben, an den Ausschreitungen am 11. Januar 2016 beteiligt gewesen zu sein, jedoch nicht gewusst haben wollen, worauf sie sich einließen und auch überhaupt niemanden der anderen kannten. Zu dieser Strategie schien auch zu gehören, öffentlich – zumindest im Gerichtssaal – keinen Kontakt miteinander zu haben.
Dies änderte sich am gestrigen Verhandlungstag. Nicht nur verweigerten die vier Angeklagten Nick W., Andreas L., Sven H. und Kevin K. ein Geständnis, auch schien es ihnen egal zu sein, ob ihre Bekanntheit miteinander offensichtlich wurden. Sie plauderten auf der Anklagebank miteinander und mit ihren Neonazi-Freunden im Publikum. Von jenen waren fünf erschienen, mit denen sie auch während der Verhandlung Kontakt hielten. Unter ihnen befand sich Thomas K., der wahrscheinlich selbst noch für den Angriff auf Connewitz auf der Anklagebank sitzen wird und gegen den aktuell ein Verfahren wegen des Angriffs auf die Wohnung des sächsischen Justizministers Gemkow im November 2015 läuft.
Weitergabe von Zeugendaten und Bedrohung der Öffentlichkeit
Der rechte Austausch erhielt seinen vorläufigen Höhepunkt, als – während Anwälte, Richterin und Staatsanwaltschaft am Richterpult standen und sich von einem Zeugen etwas auf einer Stadtkarte zeigen ließen – Thomas K. dem Angeklagten Kevin K. einen Zettel zusteckte. Der schaute kurz in die Prozessakte, schrieb etwas auf den Zettel und reichte ihn Thomas K. zurück.Zu dem Zeitpunkt sagte gerade ein Zeuge aus, über dessen Behinderung sich die beiden Rechtsextremen mokierten, als er die von ihm beobachteten Zerstörungen beschrieb. Als Zuschauer*innen das Gericht auf den Zetteltausch aufmerksam machten, wurden sie von den anwesenden Neonazis bedroht und beschimpft. Das Gericht zeigte sich zwar nicht einverstanden, forderte jedoch auch nicht, den Zettel zu zeigen. Auch vorher schien es dem Gericht entgangen zu sein, dass die Neonazis im Publikum andere Personen beschimpft hatten.Heute zeigten erstmal seit Beginn der #le1101prozess-Reihe auch wieder offenkundige Unterstützer der Angeklagten Präsenz im Saal. Darunter mindestens ein weiterer mutmaßlicher #Connewitz Angreifer. Prozessbeobachter berichten von Bedrohung & Einschüchterungen seitens der Gruppe.
— kreuzer leipzig (@kreuzer_leipzig) 23. Januar 2019