Gespenstischer Fackelmarsch durchs nasskalte Wunsiedel
Am Ende waren es um die 230 Neonazis aus dem Umfeld der Partei Der Dritte Weg, die am Samstag zum alljährlichen „Heldengedenken“ ins oberfränkische Wunsiedel kamen. Für das erste Jahr nach der Satire-Aktion „rechtsgegenrechts“, bei der der Marsch in einen Spendenlauf umfunktioniert worden war, hatten sich die Aktivisten etwas einfallen lassen. Durch den wesentlich späterer Beginn, 16 Uhr statt wie üblich um die Mittagszeit, war sichergestellt, dass es über weite Strecken der Demonstration schon dunkel sein würde, was den mitgeführten Fackeln deutlich mehr Wirkung gab als in den Jahren zuvor, in denen der traditionelle Termin der Szene bei einsetzender Dämmerung ein Ende fand.
Zur Verspätung des Starts trug wahrscheinlich auch noch bei, dass sich der von der Szene für den Termin gedachte Bustransfer aus Ober- und Ostbayern kurzfristig zerschlagen hatte.
Neonazis beständig an Spendenlauf erinnert
Von der Strecke her blieb alles beim Alten. Zunächst schien es so, als sollte die Route dieses Jahr in die Innenstadt führen, doch die Behörden setzten erst in der vergangene Woche wieder auf die „Stammstrecke“ der letzten Jahre. Der Innenstadtbereich war wieder für die demokratischen Initiativen gedacht. Die gut gemeinte Aufteilung von Seiten der Behörden bringt aber auch etliche Nachtteile mit sich. Die Neonazis mussten so durch weitgehend menschenleere Straßen ziehen, nur vereinzelt zeigten sich Anwohner an Türen und Fenstern. Andererseits hat die Veranstaltungsform für die neonazistische Szene einen starken Schwerpunkt auf der Binnenwirkung für die mit marschierenden „Kameraden“. Und so ermöglicht die Strecke nur an wenigen Stellen einen vernehmbaren Protest gegen die auch dieses Jahr wieder verbreiteten kruden Theorien. Bei der Zwischenkundgebung störte das abgehaltene Ritual zunächst nur ein Laubbläser, gefolgt von stellenweiser lauter Musik. Bei einem Marsch zum Marktplatz wäre der Protest wohl näher heran gekommen. Per Beamer wurden am Startpunkt und bei der Zwischenkundgebung Videos über den Spendenlauf an nahe Wände projiziert.Wulff glorifiziert verurteilte Kriegsverbrecher
Wie üblich ließen die Reden keinerlei Zweifel an der neonazistischen Ausrichtung der Veranstaltung aufkommen. Martin Bissinger, „Stützpunktleiter“ Schwaben, sprach vom verbindenden Blutscharakter der heutigen Szene mit dem „Blut der Ahnen“ und wollte wie Pegida auch „das Volk“ sein. Thomas Wulff, Szenename „Steiner“, wetterte gegen die „Mordgerichte“ in Nürnberg, Landsberg und Hameln, die seine „Helden“ an den Galgen oder anderweitig zu Tode gebracht hätten. Daran würde er zuerst denken, wenn in Folge der Anschläge von Paris wieder gegen den Islam und gegen Scharia-Gerichte gewettert würde. Ein Spitze gegen die Pegida-„Bewegung“ und deren Thema der Islamisierung. Es blieb die einzige Anknüpfung an die schrecklichen Taten vom Freitag. Weiter kündigte er an, vor den Gerichten erreichen zu wollen, in Wunsiedel wieder offen Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß gedenken zu dürfen, was momentan per Auflage verboten ist. Er beendete seine Ausführungen mit der Parole „Heil unserem Reich!“. Edda Schmidt aus dem Bundesvorstand der NPD-Frauenorganisation RNF oblag es, den anwesenden Teilnehmern die Geschichte des „Volkstrauertages“ näher zu bringen.
Protest-Banner entlang der Neonazi-Strecke
500 Teilnehmer beim bürgerlichen Gegenprotest
Laut Matthias Fischer nahmen an dem Aufmarsch auch Neonazis aus Kroatien, Ungarn und Tschechien teil, die aber nicht zu Wort kamen; eine Rede kam noch von Tony Gentsch. Der Schwerpunkt der Teilnehmer kam aus Bayern, darunter auch wieder ein größerer Teil der Bamberger Szene, deren führende Köpfe jüngst von einer Razzia betroffen waren, bei der zwei Kugelbomben abgefangen wurden. Zwei Angehörige der Szene befinden sich noch in Haft. Auch auf die schwarz-weiß-roten Fahnen verzichteten die Teilnehmer aus der oberfränkischen Universitätsstadt, dies wohl notgedrungen. Weitere Teilnehmer kamen aus Thüringen, dem nahen Vogtland und aus Brandenburg. Der Parteivorsitzende Klaus Armstroff aus Rheinland-Pfalz dagegen fehlte dieses Jahr. Gegen das neonazistische „Heldengedenken“ gab es dieses Jahr wieder diverse Veranstaltungen, allerdings entweder abseits oder deutlich vor der Zusammenkunft der Neonazis. Zur Demonstration diverser nordbayerischer Antifa-Gruppen kamen etwa 120 Personen. Am Rande der Route durch die Stadt posierte eine ältere Frau mit einem Schild, das gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet war und dagegen die mehrfach vorbestrafte Holocaust-Leugnerin Sylvia Stolz glorifizierte. Die Person schloss sich später der Demonstration des Dritten Weges an. An der Veranstaltung am Marktplatz beteiligten sich laut Bayerischem Rundfunk rund 500 Teilnehmer.Kategorien