„Gesinnungsstrafrecht“

Neonazis solidarisieren sich mit verurteilten braunen Gewalttätern ­– der NPD-Landesvize von Nordrhein-Westfalen ist mit von der Partie.

Donnerstag, 05. Juli 2007
Tomas Sager

Solidarität mit inhaftierten Kameraden scheint bei den nordrhein-westfälischen Neonazis nicht gerade an erster Stelle auf ihrer Demonstrationsagenda zu stehen. 200 Teilnehmer waren am 30. Juni für eine Demonstration unter dem Motto „Gesinnungsparagraphen abschaffen! Freiheit für alle nationalen politischen Gefangenen!“ in Herford angekündigt. Doch es kamen gerade einmal 120, vor allem aus dem Ruhrgebiet, aus Ostwestfalen und Niedersachsen. Doch trotz der geringen Teilnehmerzahl – an Kraftmeierei in Richtung Gegendemonstranten, „System“ und „Gesinnungsstrafrecht“ mangelte es nicht. „Linkes Gezeter – 9 Millimeter“ wurde den Neonazigegnern gewünscht, von denen 2500 nach Herford gekommen waren. Claus Cremer, stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in NRW, meinte, seinen Parteifreund Udo Pastörs zitieren zu müssen: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten! Lasst uns Sturm sein!“ Und Versammlungsleiter Sascha Krolzig vom „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS) drohte, das System werde „jede Gemeinheit auf Heller und Pfennig zurückzahlen“.
Als „Gemeinheit“ und „Gesinnungsjustiz“ werten Neonazis wie die, die in Herford auf die Straße gingen, beispielsweise Verurteilungen wegen der Organisation von NS-Massakern, wegen Totschlags, gefährlicher Körperverletzung oder der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags. Mit viel Beifall jedenfalls wurden die Grußworte von Alt- und Neonazis bedacht, die wegen solcher Taten derzeit einsitzen. NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke, der im März 1944 die Erschießung von 335 italienischen Zivilisten mitorganisiert hatte und dafür 1998 in Rom zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, ließ seinen Dank ausrichten und dem Aufmarsch „viel Erfolg“ wünschen. Sven Kahlin, der 2005 in Dortmund einen Punker erstochen hatte und dafür eine siebenjährige Jugendstrafe absitzt, klagte per Grußbotschaft, Neonazis würden „tagtäglich gejagt und inhaftiert“. Christoph Drewer aus Hamm, unter anderem wegen sieben Körperverletzungsdelikten – davon drei schwere – im vorigen November zu 30 Monaten Haft verurteilt, rief die Gesinnungskameraden auf, ihr Leben „dem nationalen Sozialismus zu widmen“. Und Michael Krick, der in den Niederlanden zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, weil er einen Schwarzen überfallen und brutal misshandelt hatte, erging sich in antisemitischen Tiraden gegen die „Herrschaft einer auserwählten Clique“. Denen, die heute Neonazis juristisch verfolgen, drohte er an, sie würden irgendwann das „gesunde deutsche Rechtsempfinden kennen lernen“. Nicht fehlen in der Riege der Grußworte liefernden neonazistischen Straftäter durfte Martin Wiese, zu sieben Jahren Haft verurteilt wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Planung eines Sprengstoffanschlags auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Kulturzentrums in München im November 2003.

Herford erlebte auch unter Skodas Slogan „Drinnen und draußen – eine Front“ die ungebremste Solidarisierung mit Gewalttätern. Auch mit Kay Diesner, der 1997 wegen der Ermordung eines Polizeibeamten und zweifachen Mordversuchs zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war. Von ihm gab’s zwar keine Grußbotschaft. Doch Krick, der seine Grußbotschaft mit einem „Sieg oder Walhall“ abschloss, und auch einer der Redner, der „parteifreie“ Neonazi Sven Skoda aus Düsseldorf, vergaßen nicht, ihn zu erwähnen.

Die örtliche NPD hielt sich an diesem Tag fern. Ihre Mitglieder sollen es vorgezogen haben, in einer anderen Stadt Flugblätter zu verteilen. Der örtliche JN-Stützpunkt hatte schon vor Wochen erklärt, eine Demo in der Region mache nur mit „einer absolut disziplinierten und ordentlich auftretenden Teilnehmerschaft überhaupt Sinn“. Das sei aber „bei den zu erwartenden Teilnehmern nicht gewährleistet“. Den NPD-Landesvize Cremer konnten die lokalen JNler mit ihrer Intervention nicht von einer Teilnahme abhalten. Als Retourkutsche fordert das Aktionsbüro Westdeutschland nun die Landes-NPD auf, gegen ihre Herforder Mitglieder einzugreifen: Der NPD-Vorstand solle sich „ernsthaft überlegen, ob solche Personen für ihre Partei noch tragbar sind. Immerhin wird durch solche Leute die in großen Teilen NRWs eigentlich erfolgreich praktizierte Volksfront absolut konterkariert“.

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