Meinolf Schönborn

Geschichtsrevisionismus im Wesertal

Seit dem Kauf eines ehemaligen Hotels im nordhessischen Gieselwerder führt der langjährige Neonazi Meinolf Schönborn dort immer wieder rechtsradikale Veranstaltungen durch. Ein konspirativ angekündigter „Zeitzeugenvortrag“ wurde nun öffentlich und sorgt für Protest vor Ort.

Montag, 25. März 2024
Kai Budler
Das von Schönborn erworbene ehemalige Hotel, hier noch mit altem Schild, Foto: Marian Ramaswamy
Das von Schönborn erworbene ehemalige Hotel, hier noch mit altem Schild, Foto: Marian Ramaswamy

Die Gemeinde Wesertal im Dreiländereck Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wirbt mit „liebevoll-gestalteten kleinen Museen in den Ortsteilen sowie zahlreichen Fachwerkbauten und natürlich der Weser mit „tollen Gelegenheiten für vielfältige Aktivitäten“. Auch eine Teilstrecke des Weser-Radweges führt direkt an den Wesertaler-Ortsteilen vorbei, die Weser selbst ist bei Wassersportler*innen höchst beliebt. Doch im Ortsteil Gieselwerder hat die hessische Gemeinde seit 2020 einen Gast, der nicht willkommen ist. Der langjährig aktive Neonazi Meinolf Schönborn schlug bei einer Versteigerung zu und kaufte das leerstehende „Apartment Hotel Waldmühle“ am Rande von Gieselwerder mit 856 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche. Zu dem zweigeschossigen Gebäude aus den 1970er Jahren am Rand des Reinhardswaldes gehört ein rund 3.350 Quadratmeter großes Grundstück. Auch die Polizei war bereits vor Ort und stellte im September 2021 unterschiedliche Waffen in dem Gebäude sicher.

Ein benachbartes Gebäude, das der Landkreis gekauft hat, mit dem Banner der Initiative "Wesertal ist bunt", Foto: Kai Budler
Ein benachbartes Gebäude, das der Landkreis gekauft hat, mit dem Banner der Initiative "Wesertal ist bunt", Foto: Kai Budler

Seine neue Immobilie nennt Schönborn „Deutsches Kulturzentrum Ludenbeck“ für „nachbarschaftliche Gemeinschaft und gemeinsame Aktivitäten“. Im Rahmen eines „Miteinander Lebens-Konzept“. Bewirbt er es als „Wohnraum für Menschen, die im generationsübergreifenden Miteinander voneinander profitieren können“. Gleichzeitig solle die Immobilie eine „feste Burg sein, für schlimme Zeiten, die ohne Zweifel auf uns Deutsche schon in naher Zukunft zukommen“. Doch das ehemalige Hotel wirkt bei persönlichem Augenschein noch verwaist und dient vorerst als Raum für Schönborns Veranstaltungen und seit letztem Jahr auch für das jährliche „Lesertreffen“ seiner Zeitschrift „Recht und Wahrheit“, das vorher im Harz stattgefunden hatte.

Beliebter Kronzeuge für Kriegsverbrecher-Fans

In die Veranstaltungen reiht sich auch der für Anfang April angekündigte Vortrag des ehemaligen Pflegers des Kriegsverbrechers Rudolf Heß ein. Dabei warnt Schönborn: „Es ist strikt untersagt, diese Einladung im Internet zu veröffentlichen!“. Stattdessen solle sie nur „als persönliche Nachricht an ausgesuchte Kameraden“ weitergeleitet werden. Angekündigt sind ein Vortrag und ein Gespräch mit Abdallah Melaouih, dem ehemaligen Pfleger des verurteilten Kriegsverbrechers Rudolf Heß, der im Gefängnis in Berlin Spandau 1987 Selbstmord beging.

Der mittlerweile über 80-jährige gebürtige Tunesier hatte 2008 sein Buch „Ich sah den Mördern in die Augen“ veröffentlicht, das mittlerweile vom rechtsradikalen „Klosterhaus-Versand“ neu aufgelegt wurde. Darin will der angebliche Augenzeuge belegen, dass der von Neonazis als „Friedensflieger“ stilisierte Heß angeblich ermordet wurde. Seitdem gilt Melaouih als Kronzeuge für die in der Szene favorisierte Mordthese und spricht immer wieder auf Neonazi-Veranstaltungen. So auch in Gieselwerder, wo Schönborn einen zweistündigen Vortrag ankündigt und hinzufügt: „anschließend steht Herr Melaouih für Fragen zur Verfügung“. Als Teilnahmegebühr werden 40 Euro erhoben, eine Übernachtung in dem ehemaligen Hotel kostet inklusive Frühstück 35 Euro.

Initiative mobilisiert zu Protesten

Doch Schönborns Plan, mit dem konspirativen Charakter der Veranstaltung möglichst nicht aufzufallen, ist längst durchkreuzt. Seit Mitte März ruft die Initiative „Wesertal ist bunt“ für den 6. April zu einer Kundgebung in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Hotels auf. Auch den Weg zu Schönborns Anwesen weist am Nachbarhaus dauerhaft ein übergroßes Transparent extrem rechte Besucher*innen darauf hin, dass sie nicht willkommen sind. Das leerstehende Haus hatte der Landkreis Kassel 2022 gekauft, um eine mögliche Nutzung aus Schönborn Umfeld zu verhindern. Im vergangenen Jahr fand die Schlüsselübergabe statt, das Haus soll jetzt von Vereinen und Initiativen genutzt werden, darunter auch „Wesertal ist bunt“.

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