Geschichte des Antisemitismus

Einen Überblick zur historischen Entwicklung des Antisemitismus von der frühchristlichen Antike bis in die Gegenwart legt der renommierte Berliner Antisemitismusforscher Werner Bergmann mit seinem Buch "Geschichte des Antisemitismus" vor.

Donnerstag, 06. Mai 2004
Armin Pfahl-Traughber
Er beginnt seine gelungene Darstellung mit Ausführungen zum Begriff des Antisemitismus und dessen problematischer Ausweitung. Danach geht er das Thema historisch-chronologisch an, mit der Herausbildung eines religiösen Antisemitismus in der Frühphase des Christentums über die Ära der Aufklärung bis zum Widerstand gegen die Juden-emanzipation. Dem folgend widmet sich Bergmann der Entwicklung des Antisemitismus im Zeitalter des Nationalismus zwischen 1870 und 1918, der Radikalisierung in der Zwischenkriegszeit 1918 bis 1933, dem NS-Antisemitismus und Völkermord 1933 bis 1945 und der Entwicklung des Antisemitismus seit 1945. Dabei steht jeweils die Situation auf deutschem Boden im Zentrum der Aufmerksamkeit, Bergmann geht aber auch immer wieder vergleichend auf andere europäische Länder wie Frankreich oder Russland ein. Der durch eine Reihe von Aufsätzen und Büchern als Kenner der Materie ausgewiesene Autor legt auch mit dem schmalen Bändchen eine differenzierte und kenntnisreiche Darstellung zur Geschichte des Antisemitismus vor. Zwar konzentriert er sich auf eine Beschreibung der historischen Entwicklung, integriert in sie aber auch beachtenswerte analytische Deutungen. Dies gilt etwa für den Zusammenhang von demokratischem Fortschritt allgemeiner Art und dem Erfolg der Juden-emanzipation als Teilsegment von gesellschaftlicher Dynamik (vgl. S. 37), für die Hervorhebung der neuen Qualität des Antisemitismus zu Beginn der Kaiserzeit hinsichtlich der politischen Organisationen (vgl. S. 39) oder 1933 bei der Erhebung zur Staatsideologie (vgl. S. 103). Bedauerlich ist allerdings, dass Bergmann die unterschiedlichen Artikulationsformen von Antisemitismus nicht systematisch darstellt und unterscheidet. Auch hätte man sich noch ein Kapitel mit Ausführungen zu wissenschaftlichen Erklärungsansätzen für das Aufkommen der Abneigung gegen die Juden gewünscht.
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