Gerichtsverfahren setzen Holocaustleugnern zu
„Es gehört zu den vielen Merkwürdigkeiten des Lebens, dass der Mensch immer bissiger wird, je weniger Zähne er hat“, sagte einst der bekannte Schriftsteller und frühere Bundestagsabgeordnete Stefan Heym. Wäre Heym nicht seit fast 14 Jahren tot, könnte man fast vermuten, er hätte bei dieser Weisheit Ursula Haverbeck vor Augen gehabt. Denn die mittlerweile 86-jährige Holocaustleugnerin hat erneut Ärger mit der Justiz. Nach Presseberichten ermitteln derzeit drei Staatsanwaltschaften gegen die weibliche Galionsfigur der Revisionisten-Szene – Bielefeld, Lüneburg und Verden. Der Vorwurf lautet jeweils auf Volksverhetzung.
Erst in der letzten Woche durchsuchten Beamte des Landeskriminalamtes Niedersachsen und des Polizeilichen Staatsschutzes Bielefeld das Haus der mehrfach verurteilten Frau in Vlotho (Kreis Herford). Sie waren auch auf der Suche nach der März-April-Ausgabe des Hetzpamphlets „Stimme des Reiches“. Die seit fünf Jahren sechs Mal jährlich als Eigendruck erscheinende Zeitung gibt als Ziel die Abschaffung des „undemokratischen § 130 StGB [Volksverhetzung, die Red.], insbesondere die Absätze 3 und 4“ an. Die von den Behörden beanstandete Ausgabe ist derzeit nicht abrufbar.
Mehrere Durchsuchungen
Die Ermittlungen und Verfahren scheinen der Postille, die laut Impressum von einem „Freistaat Preußen, vertreten durch Heinrich Mock“ herausgegeben wird, schwer zuzusetzen. Auf ihrer Webseite bitten die Geschichtsklitterer um finanzielle Unterstützung, die eigenen Mittel seien aufgebraucht. Spenden für diesen „Rechtskampf“, aber auch für die Prozesse von Haverbeck, könnten auf ein Konto bei der Kreissparkasse Verden eingezahlt werden. Dessen Inhaber, Rigolf Hennig, war von der Razzia in der vergangenen Woche ebenfalls betroffen. Seine Adresse sei im Impressum der Seite angegeben, berichtet die Syker Kreiszeitung. Bereits im vergangenen Februar hatte der Ex-NPD-Kommunalpolitiker, der sein Mandat im Verdener Kreistag im Frühjahr 2012 aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hatte, ungebetenen Polizeibesuch.
Damals standen frühere „Stimme des Reiches“-Ausgaben im Fokus der Ermittler. „Es wurde entsprechendes Beweismaterial sichergestellt“, sagte Lutz Gaebel, Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden. Die Wohnung des für Hennig nachgerückten Markus Walter nahm der Staatsschutz mutmaßlich ebenfalls unter die Lupe. Der mittlerweile für die Neonazi-Partei Die Rechte aktive ehemalige NPD-Mann hatte zu Beginn dieses Jahres sein Mandat wegen eines Wohnortswechsels verloren.
Stelldichein der ersten Revisionisten-Riege
Neben Haverbeck und Henning gehört Horst Mahler, dessen Gesuch auf eine vorzeitige Haftentlassung offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist, oder der kürzlich zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilte Arnold Höfs zu den Autoren der „Stimme des Reiches“. Letztgenannter hatte in seinem Artikel „Politische Verfahren. 3 Strafverfahren gegen Greise“ („Stimme des Reiches“, Nr. 1/2015, S. 17 bis 19) unter anderem den systematischen Mord an jüdischen Menschen durch „Zyklon B“ bestritten. Nach den alliierten Luftangriffen hätte das Gas ab März 1944 gar nicht mehr in ausreichender Menge hergestellt werden können. Haverbeck nutzt die Zeitschrift, um fortwährend ihre wirre These von den Konzentrationslagern als „Arbeitslager“, in denen Juden ohnehin erst nach dem Scheitern der zahlreichen Friedensangebote Hitlers an England interniert worden seien, zu verbreiten. Die Lebensbedingungen dort seien durch die „zunehmende Grausamkeit der Krieges“ und durch die Zerstörung der Infrastruktur durch Bombenangriffe „schwieriger“ geworden – kein Wort zum industriellen Massenmord.
In einem vor wenigen Tagen auf der Szene-Webseite „Altermedia“ erneut veröffentlichten Video, das bereits Ende letzten Jahres auf ihrer eigenen „Weltnetz“-Seite eingestellt wurde, spricht die 86-Jährige davon, den „Holocaust hat es nicht gegeben“. Ähnlich äußerte sich die ehemalige Vorsitzende des verbotenen Vereins „Collegium Humanum“ (CH) in einem Interview mit dem ARD-Magazin „Panorama“: Der Holocaust sei „die größte und nachhaltigste Lüge der Geschichte“. Deshalb wurde gegen sie ermittelt. Die Bundesregierung bescheinigte der „Stimme des Reiches“ im Übrigen eine „partielle Überschneidung“ zur ebenfalls von dem Verbot betroffenen CH-Vereinsschrift „Stimme der Gewissens“.
Hass führt zu Gewalt
Derweil wurde bekannt, dass den Behörden im ersten Quartal 2015 159 Verbrechen mit antisemitischem Hintergrund, die vermutlich aus einer rechtsextremistischen Motivation heraus erfolgten, gemeldet wurden. Darunter sind zwei Gewalttaten, bei denen eine Person verletzt wurde. Festnahmen gab es keine.