Georg Elser – ein (zu) lange vergessener Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus
Während die Angehörigen der Weißen Rose, namentlich die Geschwister Scholl, und der Kreis um Stauffenberg bald nach 1945 einen festen Platz in der kollektiven Erinnerung der Deutschen erlangten, spielte Georg Elser, Urheber des Bürgerbräukeller-Attentats vom November 1939, im öffentlichen Bewusstsein keine herausragende Rolle. Die neue Elser-Biografie von Wolfgang Benz wird dies hoffentlich ändern.
Nicht zum ersten Mal widmet sich der Historiker Wolfgang Benz in „Allein gegen Hitler“ dem Hitler-Attentäter Georg Elser, der im November 1939 vergeblich versuchte, Hitler und dessen Führungszirkel durch einen Bombenanschlag zu töten. Da Benz, wie er selbst eingangs feststellt, keine neuen Details zur eigentlichen Biografie seines Protagonisten mitteilen kann, wählt er für seine Darstellung einen anderen Zugriff: Weit ausholend und dennoch nie sein Thema aus dem Blick verlierend, beschreibt er das Leben Elsers vor dem Hintergrund der Entwicklung Deutschlands zwischen 1900 und 1945. Die zahlreichen beiläufigen Erläuterungen erleichtern auch nicht bereits mit der Thematik im Detail vertrauten Leserinnen und Lesern die Lektüre, ohne dass der Text an wissenschaftlicher Seriosität einbüßt.
Anschaulich skizziert Benz das kleinbürgerlich-proletarisch-pietistische Milieu, dem Elser entstammt, und stellt überzeugend Elsers Hinwendung zum Pazifismus unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs dar. Präzise benennt der Autor die Quellen eines moralischen Rigorismus, der schließlich im Herbst 1938 zum Entschluss führt, den Tyrannenmord konkret zu planen.
Legenden um Elser
Detailliert beschreibt der Autor die Vorbereitungen des Attentats, die Gründe seines Scheiterns und die Haftbedingungen Elsers als „persönlicher Häftling des Führers“ in Sachsenhausen und Dachau bis zu seiner Ermordung im Frühjahr 1945. Ebenso eingehend erläutert Benz die Reaktion der NS-Führung auf das Attentat, die schon aus politischen Gründen die Einzeltäterschaft Elsers vehement bestritt. Auch der Vergleich von Elsers zupackendem Handeln mit dem eher zögerlichen anderer zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten Bereiten führt zu einem tieferen Verständnis der Situation in Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus und des ambivalenten Agierens von Teilen der Machtelite sowie zu einer überzeugenden Würdigung Elsers.
Schließlich zeigt Benz, dass und warum Elser nach 1945 jahrzehntelang die ihm gebührende Anerkennung in Deutschland und speziell auch in seiner baden-württembergischen Heimat versagt blieb. Überzeugend räumt er mit diversen Legenden auf, die sich um Person und Tat Elsers rankten und teilweise gezielt Elsers Handeln zu delegitimieren suchten.
Ausgehend von der Person Georg Elser gelingt Wolfgang Benz eine Studie, die die Grenzen einer traditionellen Biografie sprengt und zu einer Sozialgeschichte Deutschlands in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird, indem sie – verständlich formuliert - die Hintergründe des Handelns seines Protagonisten ausführlich darlegt, einordnet und würdigt. – Ein Buch, dem viele Leserinnen und Leser zu wünschen sind.
Wolfgang Benz: Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser, München: C. H. Beck 2023, 224 S., ISBN 978-3-406-80061-0