Geldstrafe für Gefälligkeitsatteste

Dafür, dass ein pensionierter Arzt Gefälligkeitsatteste für Corona-Maskenverweigerer aus dem ganzen Bundesgebiet ausstellte, handelte er sich vor dem Amtsgericht Pinneberg jetzt eine Geldstrafe in Höhe von 5.600 Euro ein.

Mittwoch, 14. September 2022
Horst Freires
In einem YouTube-Video geht L. auf seine Beweggründe ein und warum er sich den Protesten angeschlossen hatte, Screenshot
In einem YouTube-Video geht L. auf seine Beweggründe ein und warum er sich den Protesten angeschlossen hatte, Screenshot

Der 71-Jährige, der sich in seinem Domizil auf Madeira aufhält, blieb dem Gerichtstermin fern, war nach eigenen Angaben aus gesundheitlichen Gründen nicht reisefähig. Dies hatte er dem Gericht vor Prozessbeginn übermittelt – in Form eines Attestes.

Die Anklage gegen den pensionierten Arzt lautete Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse in mindestens 14 Fällen, ohne die Patienten überhaupt untersucht zu haben. Er hatte in der ersten Phase der Pandemie im Mai und Juni 2020 wohl vielmehr auf Bestellung per E-Mail Maskenbefreiungs-Atteste verschickt. Als erstmals Zweifel an der Richtigkeit der Atteste in Süddeutschland auftauchten und zu strafrechtlichen Nachforschungen gegen deren Inhaber führten, rückte auch Lothar L. aus dem Kreis Pinneberg als ausstellender Mediziner in das Visier der Ermittler.

Eine Hausdurchsuchung brachte dann entsprechende Vordrucke ans Tageslicht. Außerdem kursierten laut Gericht auf einschlägigen Internetforen von Corona-Leugnern und -Zweiflern konkrete Hinweise auf den Arzt und die dort erhältlichen Gefälligkeitsdokumente.

Inmitten von Corona-Maßnahmengegnern

Vergangenes Jahr war die Sichtweise von Lothar L. auf die Pandemie als Geschichte auf dem rechtspopulistischen Blog von Boris Reitschuster zu lesen, der zum Kreis der Publizisten zu zählen ist, die Desinformationen mit Verschwörungspotenzial über SARS-CoV-2 in den Umlauf bringen. Dort erfährt man dann, dass L. keinerlei Schuldbewusstsein erkennen lässt, sich dagegen über Beschwerden gegen ihn durch die Ärztekammer aufregt.

L. sieht sich schließlich als Berufsverbotsopfer, nachdem 2020 seine Tätigkeit als Polizeiarzt für die Polizeidirektion Segeberg beendet wurde. Zur Wahrheit gehört jedoch, dass L. zu diesem Zeitpunkt bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen angetroffen wurde und dem rechtsoffenen Portal „Hallo Meinung“ von Peter Weber – ein Bauunternehmer aus dem bayerischen Schwarzenbruck – ein Interview mit Verschwörungsgedanken gibt, die samt antisemitischem Duktus darin münden, dass er ausführt, dass es überhaupt keine Covid-19-Erkrankung gebe. Offensiv wird dabei das Angebot des Arztes beworben, Atteste zur Maskenbefreiung auszustellen – selbstverständlich kostenlos. L. willigt ein, dass statt einer Gebühr für seinen Service Attest-Empfänger freiwillige Spenden an das Projekt „Hallo Meinung“ leiten mögen.

L. war zeitweilig auch für den AfD-Kreisverband Pinneberg aktiv. So erklärt sich auch, dass die AfD Elmshorn ihm bei Facebook ihre Solidarität mit „wurde vom System aussortiert“ bekundete. Politisches Engagement zeigte L. vorher bereits einmal bei der Statt-Partei in Hamburg.

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