Gegen „Zigeuner“ und Juden
Im Vorfeld der Europaparlamentswahlen gehen in osteuropäischen EU-Staaten nationalistische und fremdenfeindliche Parteien auf Stimmenfang.
In mehreren osteuropäischen EU-Ländern sind rechtslastige beziehungsweise rechtsextreme Parteien auf dem Vormarsch. Sie hetzen gegen Minderheiten wie Roma und Juden, agitieren gegen Homosexuelle und zeichnen sich durch chauvinistische Machtansprüche aus. „Blick nach rechts“ skizziert nachstehend Beispiele aus Bulgarien, Lettland, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien und Ungarn.
Erfolgreiche Ataka in Bulgarien
Auf Einladung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) konferierten im Januar dieses Jahres in Wien Vertreter rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien „über zentrale inhaltliche Fragen der Zukunft Europas“. Vor Ort waren auch Mitglieder der im Frühjahr 2005 ins Leben gerufenen rechtsextremen Partei Ataka (Attacke) aus Bulgarien. Bereits im Juni 2005 zog die von Volen Siderow gegründete und geführte Partei mit knapp neun Prozent ins bulgarische Parlament (21 Abgeordnete bei insgesamt 240 Sitzen) ein. Siderow ist Journalist und schrieb Bücher über eine „globale Verschwörung der Juden“. Nach der Parlamentswahl veröffentlichte Ataka auf ihrer Homepage eine Liste bekannter bulgarischer Juden unter der Überschrift: „Die Juden sind eine von der Pest verseuchte, gefährliche Rasse, die es verdienen würde, von der Geburt an entwurzelt zu sein“. Mit Parolen wie „Gebt Bulgarien den Bulgaren zurück“ oder „Stopp dem Zigeuner-Terror“ liefert Ataka immer wieder landesweite Schlagzeilen. Bei der Präsidentenwahl im Oktober 2006 erzielte Siderow spektakuläre 27 Prozent der Stimmen. Ein gutes Ergebnis erzielte die nationalistische Partei auch bei den Wahlen zum Europäischen Parlament in Bulgarien im Mai 2007. 14,2 Prozent der Wähler/innen votierten für Ataka und bescherten damit der Partei drei Mandate im Europäischen Parlament. Für Wirbel hatte dort zuvor der Ataka-Aktivist Dimitar Stojanow gesorgt. Er beschimpfte im Oktober 2006, damals noch als Beobachter im EU-Parlament, die ungarische Parlamentskollegin Livia Jaroka, eine Roma, als Prostituierte.
„Jobbik“ in Ungarn auf dem Sprung
Gute Chancen, die in Ungarn geltende 5-Prozent-Hürde zu überspringen, werden der Partei „Bewegung für ein besseres Ungarn“ (Jobbik) vorausgesagt. Jobbik tritt erstmals bei einer landesweiten Wahl als eigenständige Kraft an. Jobbik-Spitzenkandidatin ist die Universitätsdozentin Krisztina Morvai. In einer Rede empfahl Morvai 2008 den „liberal-bolschewistischen Zionisten“, sich schon einmal zu überlegen, „wohin sie fliehen und wo sie sich verstecken“ können. Die 2003 von rechtsextremen Studenten gegründete Partei erzielte bei den Parlamentswahlen 2006 auf einer gemeinsamen Liste mit der „Wahrheits- und Lebenspartei“ (MIEP) lediglich 2,2 Prozent. Bei den Kommunalwahlen im Oktober 2006 dagegen gelang den Rechtsextremisten der Sprung in einige Rathäuser, darunter in Debrecen, der drittgrößten Stadt Ungarns. Geführt wird die extrem Roma-feindliche und antisemitisch ausgerichtete Partei von Gabor Vona, einem 30-jährigen Produktmanager für Sicherheitstechnik. In einem Interview mit der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ führte Vona 2008 aus, dass das „internationale Judentum“ die Massenmedien, das Parlament und die Banken kontrolliere. „Zigeunern“ unterstellte Vona im gleichen Atemzug eine „ausgeprägte Arbeitsunwilligkeit“. Vona steht auch dem 2007 gebildeten paramilitärischen Flügel von Jobbik, der Ungarischen Garde (Magyar Garda), vor. Die Wehrsportgruppe patrouilliert trotz Verbots ihres Trägervereins weiter durch Roma-Viertel, um die „Zigeunerkriminalität“ einzudämmen. Ziel der Gardisten ist, das „physisch, geistig und seelisch wehrlose“ Ungarn zu verteidigen.
Rassistische Hetzer in der slowakischen Regierung
Die 1990 gegründete Slowakische Nationalpartei (Slovenska Narodna Strana; SNS) ist an der Koalitionsregierung unter dem linkspopulistischen Ministerpräsidenten Robert Fico in Bratislava beteiligt. Bei der Wahl im Juni 2006 erzielte die SNS 11,73 Prozent der Stimmen, was 20 von 150 Sitzen im Parlament ausmacht. Den Wahlkampf hatte die SNS mit Parolen wie „Die Slowakei den Slowaken!“ oder „Den Slowaken eine slowakische Regierung“ geführt. SNS-Vorsitzender Jan Slota macht immer wieder Stimmung gegen die ungarische Minderheit. Ungarn sind seiner Auffassung nach „mongolische Horden“. Auch Homosexuelle und die Roma-Minderheit sind Zielscheibe seiner Hetztiraden. Von 1990 bis 2006 war Slota Oberbürgermeister der Stadt Zilina. Dort sorgte er 2001 für Schlagzeilen, als er Josef Tiso eine Gedenkplatte widmen ließ. Tiso, von 1939 bis 1945 slowakischer Staatspräsident, wurde 1947 wegen seiner Beteiligung an NS-Verbrechen hingerichtet.
Hetztiraden der Großrumänienpartei
Den Sprung ins Europäische Parlament verfehlen wird voraussichtlich die Großrumänienpartei (Partidul Romania Mare; PRM). Die PRM scheiterte bereits zuletzt im November 2007 bei der ersten Europawahl nach dem Beitritt Rumäniens zur EU deutlich mit 3,4 Prozent. Vorsitzender der 1991 gegründeten Partei ist von Beginn an Corneliu Tudor. Die ausländerfeindliche Großrumänienpartei zeichnet sich durch Antisemitismus und Roma-Hetze aus. Im Parteiblatt, der Wochenzeitung „Romania Mare“, ist die Rede von „stinkenden Zigeunern“ oder von „blutrünstigen amerikanischen Spionen“. Die „Liquidierung von Zigeunern“ forderte Tudor, vormals Hofdichter des rumänischen Diktators Ceausescu und Oberst der rumänischen Geheimpolizei Securita. Tudor tritt für für die Wiedereinführung der Todesstrafe ein und will Lager für die ungarische Minderheit. Bei den letzten Parlamentswahlen erzielte die PRM 3,15 Prozent.
Antisemitische „Liga“ in Polen
Die 2001 gegründete klerikal nationalistische „Liga Polnischer Familien“ (Liga Polskich Rodzin; LPR) ist die bedeutendste extrem rechte Partei in Polen. Sie war von 2005 bis 2007 an der Regierung beteiligt. Einer ihrer zehn EU-Parlamentarier ist Maciej Giertych, der 2007 ein antisemitisches Büchlein mit dem Titel „Krieg der Zivilisationen in Europa“ publizierte. Darin ist zu lesen, dass die „Juden Polens (..) rassisch nicht von den Polen zu unterscheiden“ seien. „Der Umstand aber, dass sie in ihrer eigenen Abgetrenntheit unter sich bleiben“, führe zur „Entwicklung biologischer Unterschiede.“ 2006/07 amtierte Giertychs Sohn Roman in Warschau als Bildungsminister und stellvertretender Regierungschef. EU-Parlamentarier der LPR ist auch Wojciech Wierzejski. Anlässlich des Christopher-Street-Days 2006 hatte er verlautbart: „Falls die Perversen anfangen zu demonstrieren, sollte man sie mit Knüppeln verprügeln“. Die militant Homosexuellen-feindliche LPR-Jugendtruppe Mlodziez Wszechpolska lehnt den pluralistischen Verfassungsstaat westlicher Prägung ab. Bei der Parlamentswahl im Oktober 2007 erlitt die LPR mit lediglich 1,3 Prozent ein Wahldebakel.
Tschechische Nationale Partei für „Endlösung der Zigeunerfrage“
Als besonders aggressiv und gewalttätig gilt die vom Verbot bedrohte mehrere hundert Mitglieder starke „Arbeiterpartei“ (Delnicka Strana; DS). Die im Jahr 2003 gegründete DS unterhält enge Kontakte zur NPD. Mehrfach nahmen NPD-Funktionäre an Veranstaltungen der „Arbeiterpartei“ teil. Vorsitzender der DS ist Tomas Vandas. Er war im September 2008 Redner beim „3. Fest der Völker“ der NPD im thüringischen Altenburg. Hauptforderungen der DS sind die Ausweisung von Ausländern aus Tschechien, die Überführung der Roma nach Indien und ein Verbot von gleichgeschlechtlichen Hochzeiten. Für einen Skandal sorgte kürzlich die rechtsextreme „Nationale Partei“ (Narodni strana; NS). In ihrem Wahlkampfspot, den das tschechische Fernsehen ausstrahlte, versprach die NS die „Endlösung der Zigeuner-Frage“ und erklärte: „Wir wollen keine Parasiten unter uns“. In einem weiteren Wahlkampfslogan hieß es: „Stopp dem schwarzen Rassismus“. Bei der Parlamentswahl 2006 hatte die Nationale Partei 9300 Stimmen (0,17 Prozent) erzielt. Die Parteivorsitzende Petra Edelmannova trat im Mai dieses Jahres beim „Anti-Islamisierungskongress“ der rechtspopulistischen „pro“-Bewegung in Köln in Erscheinung.
Für ein „lettisches Lettland“
Vier Sitze erzielte die nationalistische und Russen-feindliche Partei „Für Vaterland und Freiheit/Lettische Nationale Unabhängigkeitsbewegung“ (Tevzemei un Brivibai/Latvijas Nacionalas Neatkaribas Kustib; TB/LNNK) bei den Wahlen zum Europaparlament 2004. 29 Prozent der Wähler/innen votierten für ein „lettisches Lettland“. Mit wenigen Ausnahmen ist die TB/LNNK seit Mitte der 90er Jahre in eine Regierungskoalition eingebunden. Im Oktober 2007 brachte sie einen Gesetzesvorschlag ins lettische Parlament ein, um „Veteranen der Waffen-SS-Legion staatliche Vergünstigungen einzuräumen“. Bei den Parlamentswahlen 2006 stimmten noch 6,9 Prozent der Wähler/innen für die Partei.