Umstrittene Band
Gedenkveranstaltung für Esther Bejarano mit Frei.Wild-Sänger
Die Überlebende von Auschwitz, Esther Bejarano, war jahrelang eine gefragte Zeitzeugin gegen Antisemitismus und engagierte sich bis zuletzt auf Bühnen für Antifaschismus. Jetzt soll bei einem Ehrenabend für die Verstorbene ausgerechnet der Sänger der Band Frei.Wild zu Wort kommen, dem Kritiker Nationalismus und antisemitische Versatzstücke in den Liedtexten vorwerfen.
Unter dem Titel „Nie schweigen“ soll am 22. September in der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen ein Ehrenabend für die ehemalige Musikerin Esther Bejarano stattfinden. Das in Zusammenarbeit mit Bejarano entstandene Buch sei das Vermächtnis der letztes Jahr im Alter von 96 Jahren verstorbenen Aktivistin, so der Veranstalter, die LaMalo Consulting GmbH, auf Anfrage. Die Künstlerin Esther Münch werde aus der Publikation vorlesen.
Im Anschluss daran soll auf einem „hochkarätig besetzten“ Podium über Antisemitismus und die Schrecken der Shoah gesprochen werden. Angekündigt werden der Präsident des BKA, Holger Münch, die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfallen und frühere Bundesministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der in der Deradikalisierung tätige Psychologe Ahmad Mansour, dessen Schwerpunkt der islamistische Antisemitismus ist, Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden und eben Philipp Burger, Sänger der Band Frei.Wild.
Nationalistisches Gedankengut?
Die Band, um die es zuletzt ruhiger wurde, stand jahrelang im Zentrum von Debatten, wie die Lieder politisch einzuordnen seien, wie weit rechts die Band letztendlich stand und wie sehr der kommerzielle Erfolg zu einer Normalisierung vor allem nationalistischen Gedankenguts und eines völkischen Heimatbegriffs beigetragen habe. Die Band distanzierte sich immer wieder von der entsprechenden Szene, vielen Kritikern waren diese Statements allerdings zu halbherzig und halbseiden. Gerade auch weil die „Absage an Extremismus jeder Art“ reflexartig von Parteien wie der AfD und oder Organisationen wie Pegida zu vernehmen ist. Nach Beobachtungen von Szeneexperten strömte auch weiterhin extrem rechtes Publikum zu den Konzerten.
Während Bejarano häufig und gerne vor Schulklassen auftrat und sich dort den Fragen von jungen Menschen stellte, stand sie laut Andreas Speit, Journalist und Rechtsextremismus-Experte, für die strikte Absage an das Konzept „mit Rechten reden“, was sich auf die Einbeziehung von rechten Kadern und Funktionären auf Podien und in Talkshows bezieht. Aber genau das haben die Veranstalter wohl vor. Auf Anfrage von ENDSTATION RECHTS. äußerte sich der Veranstalter, an dem Abend soll auch der Anstieg von politisch motivierter Kriminalität erörtert werden und welchen Einfluss Internet und Musik dabei auf junge Menschen habe.
Sänger soll sich angeblich kritischen Fragen stellen
In dem Rahmen werde sich der Frei.Wild-Sänger zu seiner Biographie und zur Ausrichtung der Band „Fragen stellen müssen“. Das Ziel der Einladung bleibt weiterhin unklar. Ob sich Philipp Burger in einem Prozess befindet, der auf eine kritische Auseinandersetzung hoffen lässt, auch dazu gibt es keinerlei Anzeichen. Im schlimmsten Falle droht an dem Abend eine Beschädigung des Ortes und der zu ehrenden Esther Bejarano.
Welche Botschaft von dem Abend ausgeht und wen die Inhalte letztlich erreichen, ist auch immer abhängig vom Publikum. 21,50 Euro Eintritt kostet die Veranstaltung. „Esther hätte es nie zugelassen“, ist sich Kutlu Yurtseven sicher, Sozialarbeiter und Rapper, der oft mit Esther Bejarano im Rahmen des Projekts „Microphone Mafia“ auf der Bühne stand. Auch die VVN-BdA äußert sich auf Twitter bereits gegen die Vereinnahmung ihrer Ehrenpräsidentin Bejarano. Diese habe die „Normalisierung rassistischer, faschistischer und völkischer Positionen immer bekämpft. Dass dies nun in ihrem Namen geschehen soll ist an Dreistigkeit kaum zu übertrumpfen.“
UPDATE 12.08.2022:
Der Sänger der umstrittenen Band Frei.Wild wird nun doch nicht an einer Podiumsdiskussion zum Thema Antisemitismus teilnehmen. Nachdem die Besetzung publik wurde, es ist zu massiver Kritik an der Einladung des Sängers gekommen.
„Nach reiflicher Überlegung und mit Blick auf die öffentliche Kritik“ habe sich der Organisator der Veranstaltung dazu entschlossen, Philipp Burger, Sänger der Band Frei.Wild, von der Podiumsdiskussion wieder auszuladen. So schreibt es die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchens auf Anfrage von ENDSTATION RECHTS. Dort soll die Veranstaltung Ende September stattfinden.