Gedenken an die NS-Opfer
Nach einem Beschluss der UNO sollen die Mitgliedstaaten die Leugnung des Holocaust „zurückweisen“ und ächten.
Für Israel war es seit der Gründung des Staates vor 59 Jahren geradezu eine Selbstverständlichkeit, einen nationalen Trauertag zur Erinnerung an den Holocaust zu bestimmen. Seitdem steht Jahr für Jahr an einem festen Tag Anfang Mai das öffentliche Leben für zwei Minuten still. Busse, Taxis und Fahrzeuge jeder Art bleiben stehen, Fußgänger ebenso, Sirenen heulen – das Volk gedenkt der sechs Millionen Juden, die in deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet worden oder in Ghettos und bei der Zwangsarbeit zu Tode gekommen sind. In der Bundesrepublik hat sich die Öffentlichkeit anfangs schwer damit getan, an die Opfer der NS-Herrschaft und die wenigen Männer und Frauen aus dem Widerstand zu erinnern. Schließlich einigte man sich auf den 20. Juli, an dem einige Deutsche im Jahr 1944 versucht hatten, Hitler in seinem Hauptquartier „Wolfsschanze“ in die Luft zu sprengen, was leider misslang. Der Einigung auf diesen Tag war eine teilweise erbitterte Debatte darüber vorausgegangen, ob die Attentäter in Wirklichkeit Vaterlandsverräter gewesen seien, von denen man sich abwenden müsse.
Ein wirklicher Gedenktag für die NS-Opfer ist der 20. Juli nie geworden. Der kam erst 1996 mit der Initiative von Bundespräsident Roman Herzog. Seitdem wird hierzulande bei vielen örtlichen Gedenkfeiern am 27. Januar, dem Befreiungstag von Auschwitz im Jahr 1945, speziell an die NS-Opfer erinnert. In diesem Jahr machte sogar der Deutsche Fußballbund mit, indem er seine Vereine aufrief, vor dem Anpfiff am 27. Januar auf die Bedeutung des Tages ausdrücklich hinzuweisen. Wenige Jahre zuvor hatte der Deutsche Bundestag per Gesetz beschlossen, jeden anzuklagen und vor Gericht zu stellen, der den Holocaust leugnet, bestreitet, in Zweifel zieht oder dergleichen. Das französische Parlament zog nach, andere Staaten wie Belgien, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, die Slowakei und Tschechien folgten. Zuvor hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York auf Antrag der USA bereits im November 2005 beschlossen, den 27. Januar zum Internationalen Holocaust-Gedenktag zu erklären.
In diesem Jahr ging die UNO-Vollversammlung mit großer Mehrheit einen Schritt weiter – und zwar wieder auf Antrag der USA. Die Mehrheit der Mitglieder einigte sich darauf, es nicht mehr zuzulassen, den Holocaust zu leugnen. Jedes UNO-Mitglied möge das „zurückweisen“ und ächten. Weiter konnte die Vollversammlung jetzt nicht gehen, etwa die Leugnung zu sanktionieren, also unter Strafe zu stellen. Das dürfen nur die nationalen Parlamente. In Europa könnte das EU-Parlament eine solche Initiative ergreifen. Bundesjustizminister Brigitte Zypries ist in dieser Hinsicht in Brüssel bereits aktiv.
Dass die UNO jetzt beschlossen hat, die Leugner des Holocaust zu ächten, geht New Yorker Diplomaten zufolge auch auf die skandalösen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zurück. Der hatte seit seinem Amtsantritt immer wieder Zweifel daran geäußert, ob es den Völkermord an den Juden überhaupt gegeben habe. Das sei wohl eher ein „Mythos“. Von dem iranischen Staatspräsidenten kam auch die Idee, zu einer Holocaust-Konferenz in die iranische Hauptstadt Teheran einzuladen. Die hat mittlerweile getagt, allerdings ohne das von Ahmadinedschad erhoffte weltweite Echo. Die Tagung musste vielmehr wegen zu geringen Interesses vorzeitig beendet werden.
Mit der Ächtung der Holocaust-Leugnung soll der Gefahr vorgebeugt werden, „dass sich die schrecklichen Ereignisse wiederholen könnten“, heißt es bei der UNO in New York. Erste Erfolge sind besonders in den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen zu beobachten. Nach der politischen Wende in Europa durch den Zusammenbruch der UdSSR 1989/90 bekamen anfangs baltische SS-Veteranen und extreme Nationalisten Oberwasser. In Estland wurden Denkmäler für die SS-Leute als „Freiheitskämpfer für Europa“ enthüllt, der Holocaust als „Lüge von den 6 Millionen“ diffamiert. In Lettland und Litauen war es ähnlich. All das gehörte dort während der 90er Jahre zum Alltag. Doch nun, da die drei Staaten Mitglieder der EU sind, dreht sich der Wind. Die Opfer rücken in den Mittelpunkt wie fast überall in der EU.