Front der „Abendlandretter“

In Wuppertal wollen am Samstag Pegida-Anhänger, rechte Hooligans sowie Vertreter rechtspopulistischer und extrem rechter Parteien auf die Straße gehen – als „Stargast“ ist der Pegida-Häuptling Lutz Bachmann angekündigt.

Dienstag, 10. März 2015
Rainer Roeser

Der Chef soll es jetzt selbst richten. Nachdem die Aktionen nach Pegida-Vorbild in NRW von Woche zu Woche kleiner ausgefallen sind, hoffen deren Organisatoren nun auf die Zugkraft des Namens Lutz Bachmann. Der oberste „Abendlandretter“ aus Dresden ist „Stargast“ bei einer Veranstaltung der nordrhein-westfälischen Filiale seiner „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ am Samstag in Wuppertal.

Am Montag lockte der allwöchentliche Auflauf der NRW-Pegida in Duisburg nach Angaben der Polizei gerade noch 100 Anhänger an. Noch dürftiger präsentierte sich der Aufzug der Pegida-Abspaltung Dügida in Düsseldorf: Dort zählte die Polizei gar nur 80 Teilnehmer. Die Aktion in Wuppertal soll deutlich größer werden: „Die größte PEGIDA Kundgebung aller Zeiten in den alten Bundesländern!“, tönen die Organisatoren vollmundig. Bundesweit rühren sie die Werbetrommel. Auch Bachmann selbst warb in Dresden dafür, nach Wuppertal zu fahren. Immerhin: Der Samstags-Termin kollidiert nicht mit Pegida-Aktionen andernorts. Und erstmals kann man gegen ein angestammtes Feindbild direkt vor Ort demonstrieren: Gedacht ist die Pegida-Aktion als Gegendemo zu einem Aufzug von radikalen Salafisten, die in Wuppertal für „muslimische Gefangene“ demonstrieren wollen.

„Salafisten direkt antreffen“

Die Aussicht, womöglich Auge in Auge auf Salafisten zu treffen, ruft auch rechte Hooligans auf den Plan. Deren Verein „Gemeinsam Stark Deutschland“, eine Abspaltung der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSA), hat extra eine eigene Demonstration am Sonntag in Erfurt abgesagt, um am Tag zuvor in Wuppertal dabei sein zu können. „Um den kriminellen Salafisten die Stirn zu bieten“, soll es nun nach NRW gehen. Der action-orientierten Klientel wird versprochen, dort könne man „Salafisten direkt antreffen“.

Doch nicht nur rechte Hools zieht es nach Wuppertal, sondern auch Vertreter extrem rechter Parteien. „Mit einer starken Delegation“ wollen etwa die Republikaner die Veranstaltung unterstützen. „Landesweit“ rufe man Mitglieder und Anhänger dazu auf, ließ die freilich personell reichlich schwachbrüstrige Partei wissen. Am Start sein dürften auch die Reste der noch kleineren islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“ – immerhin wird deren Vorsitzender Michael Stürzenberger als einer der Redner angekündigt. Gegen die „planmäßige Überfremdung/Islamisierung unserer Heimat“ will zudem die NPD in Wuppertal auf die Straße gehen. Ihr Landesvorsitzender Claus Cremer und seine Stellvertreterin Ariane Meise hatten bereits in den letzten Wochen an Pegida- beziehungsweise Dügida-Aktionen in Duisburg und Düsseldorf teilgenommen.

Ihr Erscheinen angekündigt haben auch Teile von „pro NRW“. Die regionalen „Spitzenkräfte“ der selbst ernannten „Bürgerbewegung“ im Bergischen Land, die aktuell im Zwist mit Parteichef Markus Beisicht liegen, haben in den letzten Wochen die Nähe von Pegida-NRW gesucht, dem, wie sie betonen, „islamkritischen Original“. Umgekehrt hatten sie auf Abstand zu den Dügida-Aktionen geachtet, die von „pro NRW“-Vorstandsmitglied Melanie Dittmer organisiert und von „pro“-Funktionären aus dem Rheinland unterstützt wurden. Auf Dittmer & Co. zielt offenbar die Kritik des regionalen „pro NRW“-Bezirksgeschäftsführers Andre Hüsgen: „Verschiedene Trittbrettfahrer haben seit Ende letzten Jahres versucht, den Erfolg der Pegida-Bewegung für sich vereinnahmen zu wollen, was aber immer kläglich gescheitert ist.“ Man selbst habe sich „stets an die echten Pegida-Demonstrationen gehalten, womit wir nie falsch gelegen haben“.

„’Pro NRW’ als mitlaufende Bürger dabei“

So tief das Zerwürfnis zwischen der „offiziellen“ Pegida-Filiale rund um den einst im Rockermilieu aktiven Marco Carta Probach auf der einen Seite und der im Neonazi-Milieu politisch sozialisierten Dügida-Macherin Melanie Dittmer auf der anderen Seite auch ist – in Wuppertal könnten sie gemeinsam auf der Straße stehen. Eine Wiederannäherung der beiden Flügel der nordrhein-westfälischen Retter des Abendlandes scheint freilich dennoch ausgeschlossen. Schon mit ihrem Aufruf für Wuppertal hatte sich Dittmer erneut den Zorn von Carta Probach zugezogen. Dittmer hatte an ihre Anhänger appelliert, „mit uns in Wuppertal gegen islamistische Extremisten zu demonstrieren“. Probach schäumte daraufhin, dass Dittmer „die Demo in Wuppertal als ihre ausgibt“. Damit nicht genug, ereiferte er sich auch noch, sie habe die Veranstaltung quasi sabotieren wollen: „Sie schreibt unsere Redner an, das diese nicht kommen bräuchten.“ Dittmer, ihr Dügida-Organisationsteam und die „wirren Gestalten“ von „pro NRW“ seien bei Pegida nicht willkommen. Tags darauf und nach massiver Kritik von Anhängern der rechtspopulistischen Partei ruderten die Abendlandretter zurück: „Für Pro NRW gilt: als mitlaufende Bürger kann bei der öffentlichen Versammlung jeder dabei sein.“

Carta Probach freut sich derweil über seinen Coup, Bachmann als Redner gewonnen zu haben. Dem 42-jährigen Pegida-Oberhaupt aus Sachsen steht vier Tage nach seinem Auftritt in Wuppertal ein Termin mit weit weniger Jubelpotenzial bevor: Vor dem Landgericht Dresden muss er sich in einer Berufungsverhandlung wegen des Vorwurfs verantworten, den Unterhalt für seinen Sohn nicht gezahlt zu haben. Auf den ersten Blick aus seiner Sicht nicht problematisch. Läuft es aber dumm für Bachmann, der bereits wegen Körperverletzung, Einbruch und Diebstahl strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, droht ihm ein Bewährungswiderruf. Sollte das Urteil aus der ersten Instanz bestätigt werden, hätte er gegen Auflagen verstoßen und müsste eventuell für zwei Jahre hinter Gitter: Unter anderem wegen des Handelns mit Betäubungsmitteln war er zu einer  Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Abendland aus der JVA heraus zu retten? Ein schwieriges Unterfangen.

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