Fremdenfeindliche Proteste und Gegenaktionen
Innerhalb weniger Tage ist das sächsische Freital bundesweit bekannt geworden, seit Rechte hier lautstark gegen ein Flüchtlingsheim demonstrierten. SPD-Stadtrat Klaus Wolframm findet den braunen Anstrich Freitals nicht gerechtfertigt – und kämpft für den guten Ruf seiner Heimatstadt.
Das Hotel ist etwas heruntergekommen, aber recht schön gelegen. Etwas abseits von der Dresdner Straße, die die verschiedenen Ortsteile von Freital miteinander verbindet, liegt das in zartem Gelb gestrichene Haus am Hang. Ein Teil wird von Tannen verdeckt. Schräg gegenüber, auf der anderen Seite der Straße, steht ein Mehrfamilienhaus. Es ist ruhig hier. Von der Hauptstraße dringt kaum Lärm herüber.
Doch der Frieden trügt. Ende Juni standen sich hier zwei Gruppen voller Abneigung gegenüber. Es wurde geschrien, gepöbelt, Flaschen flogen. Die Polizei musste dazwischen gehen. Auf der einen Seite stand die Initiative „Freital wehrt sich – Nein zum Hotelheim“ auf der anderen die „Organisation für Weltoffenheit und Toleranz Freital und Umgebung“.
„Die Flüchtlingsunterkunft ist der falsche Ort für Demonstrationen“
Stein des Anstoßes ist eine Flüchtlingsunterkunft im früheren Hotel „Leonardo“. Rund 70 Flüchtlinge hatten hier bereits seit März Zuflucht gefunden, ohne dass es die Anwohner groß gestört hätte. Doch am 22. Juni rollten Busse in die 40 000-Einwohner-Stadt vor den Toren von Dresden. An Bord waren 280 weitere Flüchtlinge, für die in der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz kein Platz mehr gewesen war. Das „Leonardo“-Hotel wurde nun selbst zur Erstaufnahmeeinrichtung – die Menschen in Freital wurden erst kurz vor ihrer Ankunft darüber informiert.
„Die Kommunikation der Landesregierung in der Asylpolitik ist katastrophal“, schimpft Klaus Wolframm. Er ist Vorsitzender der gemeinsamen Fraktion von SPD und Grünen im Freitaler Stadtrat. Die Demonstrationen vor der Flüchtlingsunterkunft – auch die der Befürworter – findet Wolframm falsch. „Die gehören vor die Innenministerien in Dresden und in Berlin, nicht vor das Leonardo-Hotel“, sagt er.
Denn weder Oberbürgermeister noch Stadtrat oder Stadtverwaltung hätten direkten Einfluss darauf, wo Flüchtlinge untergebracht würden. Das haben die Vorsitzenden aller im Freitaler Stadtrat vertretenen Fraktionen, außer der Linken, und Oberbürgermeister Uwe Rumberg in einer gemeinsamen Erklärung auch noch einmal deutlich gemacht. Sie distanzieren sich darin von jeder Art der „Menschenfeindlichkeit“ und fordern gleichzeitig: „Alle Freitalerinnen und Freitaler müssen frühzeitig und umfassend durch die verantwortlichen Stellen (vor der Ankunft neuer Flüchtlinge) informiert werden“.
Erster Erfolg: Demonstrationsruhe vor dem Heim
Zwei Tage zuvor hatte der Beirat Asyl der Stadt bei einem Treffen mit Befürwortern und Gegner des Flüchtlingsheims bereits eine Demonstrationsruhe vereinbart – ein Erfolg, wie Klaus Wolframm findet. „Wir müssen mit allen Beteiligten reden und deeskalieren“, betont er.
Dass das nicht immer klappt, zeigte sich am 6. Juli. Der Stadtrat hatte zu einer Bürgerversammlung eingeladen, um über die Situation rund um das Flüchtlingsheim zu informieren. 380 Interessierte drängten ins Freitaler Kulturhaus, vor der Tür standen etwa noch einmal so viele. Zeitungen berichteten hinterher, dass Befürworter des Heims niedergebrüllt wurden, es zu Handgemengen zwischen ihnen und den Gegnern kam. Sätze über „Schmarotzer“, die in Freital „Urlaub machen“, von aufgebrachten Anwohnern in bereitstehende Fernsehkameras gesprochen, unterstrichen das feindselige Bild.
„Nazis haben den Ruf der Stadt zerstört“
„Es gab keine Tumulte im Saal“, sagt dagegen Klaus Wolframm, der dabei war. Dass Gegner des Flüchtlingsheims laut wurden, bestätigt aber auch er. „Da haben ein paar Nazis rumgeschrien und über die haben die Medien dann berichtet“, beschwert er sich. Wolframm will das Problem nicht kleinreden, wehrt sich aber gegen den braunen Anstrich, den Freital in den vergangenen Tagen bekommen hat. „Wir sind jetzt bundesweit die böse Stadt, weil ein paar Nazis rumgebrüllt haben.“
Und der neue schlechte Ruf mache sich schon bemerkbar. „Es wurden schon Hotelbuchungen storniert und auch mögliche Investoren, die wir in Freital ansiedeln wollen, reagieren verunsichert“, zählt der SPD-Stadtrat auf. „Die Nazis haben den Ruf unserer Stadt innerhalb von Tagen zerstört.“
Puppenspieler gibt Gratisvorstellung für die Kinder
Wolframm, Freitaler seit 1992, Sozialdemokrat seit 1997, will den guten Ruf wieder herstellen. Vor dem Flüchtlingsheim erzählt er von den Erfolgen, die es in Freital gibt, über die aber niemand berichte: Erst vor wenigen Tagen hat ein Fußball-Verein ein Migrationsturnier veranstaltet – die Kosten für die Mannschaft aus der Flüchtlingsunterkunft übernahm die SPD. Klaus Wolframm hat die Fotos vom Turnier auf seinem Handy. Das Willkommensbündnis hat einen Puppenspieler organisiert, der eine Gratis-Vorstellung für die Kinder im Heim gab. Und bereits seit dem Frühjahr werden ehrenamtlich Sprachkurse für die Flüchtlinge angeboten.
„Wir versuchen, Begegnung stattfinden zu lassen“, betont Wolframm. „Die Menschen in Freital sind freundlich und offen.“ Wie aber konnte es dann zu der feindseligen Stimmung im Ort kommen? „Zehn bis zwanzig Prozent im Landkreis denken schon in der eher rechten Richtung“, räumt Klaus Wolframm ein. Doch diejenigen, die mit Transparenten und in Pegida-T-Shirts vor das Flüchtlingsheim gezogen sind, seien zum großen Teil keine Freitaler gewesen. „Die kamen aus dem ganzen Bundesgebiet.“
Ob der mühsam ausgehandelte Friede von Freital hält, bleibt also abzuwarten. Bisher haben sich beide Seiten an die vereinbarte Demonstrationsruhe gehalten. Doch die Vielzahl der beteiligten Gruppen auf beiden Seiten – Klaus Wolframm zählt sieben – macht die Lage unübersichtlich. Entscheidend wird wohl sein, was passiert, wenn neue Flüchtlinge nach Freital kommen. „Und sie werden kommen“, ist Wolframm überzeugt. Den Rechten will der Stadtrat dann nicht das Feld überlassen, denn: „Wenn der Klügere immer nachgibt, regieren am Ende die Dummen die Welt.
Der Text erscheint mit freundlicher Genehmigung von vorwärts.de