Fremdenfeindliche Hetze im Ruhrgebiet

In Nordrhein-Westfalen haben am Wochenende insgesamt rund 800 Menschen an islamfeindlichen und extrem rechten Demonstrationen in Duisburg und Essen teilgenommen.

Montag, 07. Mai 2018
Michael Klarmann

Beide Aufmärsche waren als „Großdemos“ angekündigt worden, blieben aber hinter den Erwartungen zurück. An der vollmundig angekündigten Neuauflage von „Pegida NRW“ in Kooperation mit der Initiative „Mütter gegen Gewalt“ am Samstag in Duisburg-Neumühl nahmen statt der erwarteten 600 nur rund 200 Menschen teil. Damit blieb man zudem stark hinter dem ersten Aufmarsch der „Mütter“ in Bottrop vor wenigen Wochen zurück, an dem noch rund 1000 Personen teilnahmen. In Essen-Steele erschienen am Sonntag dann rund 600 Menschen zu einer Aktion der Initiative „Eltern gegen Gewalt“, hier hatte man mit 1000 Teilnehmern gerechnet.

Beide Aufmärsche wurden im Ruhrgebiet von Personen mit organisiert, die bis vor kurzem noch untereinander kooperierten, sich indes gespalten haben. (bnr.de berichtete) Dessen ungeachtet präsentierte man sich jeweils als die Vertreter, die befugt seien, für „das Volk“ sprechen zu können. Die Neuauflage von „Pegida NRW“ war zudem überschattet davon, dass zwei angekündigte bekannte Redner ihre Teilnahme dementierten und der Mitorganisator Kevin S. erst Ende vergangenen Jahres als Kopf von „Pegida NRW“ wegen zahlreicher Vorwürfe zeitweise in Untersuchungshaft genommen worden war. Nun fungiert er erneut als Strippenzieher und Redner. (bnr.de berichtete)

„Alliierte Umerziehung auf den Scheiterhaufen der Geschichte“

Auch wenn die Redner bei beiden Aufmärschen betonten, man sei weder rassistisch noch rechtsradikal eingestellt, so waren die Aktionen in Duisburg und Essen doch fremden-, islam- und asylfeindlich geprägt. Unter den Rednern waren auch Personen, die selbst Migrationshintergrund haben. So sprach in Duisburg Laleh Walie, unter dem Namen Hadjimohamadvali ehemalige AfD-Kandidatin im Saarland. Als Teenager floh sie demnach aus dem Iran, wie sie selbst sagte, vor dem Islam. Muslime und Asylsuchende aus dem arabischen Raum nannte sie in Duisburg „Invasoren“. Kanzlerin Merkel, behauptete Walie, habe die Medien gezwungen „Mörder“ als traumatisierte Flüchtlinge zu beschreiben. Muslime hätten Sex mit Kindern, ja sogar den mit Säuglingen scheuten sie nicht. Legitimiert sei das durch den Islam, hetzte Walie.

Kevin S. sagte in seiner Rede am Samstag, Deutschland müsste die Grenzen schließen vor Migranten und Muslime. Geschlossene Grenzen seien „unser Naturrecht“. Und die „alliierte Umerziehung“ müsse „ein für alle Mal auf den Scheiterhaufen der Geschichte“ landen, rief S. den rund 200 „Pegida“-Anhängern im „Thor Steinar 44 Free Spirit Division“-Shirt zu. Bei dem kurzen Aufmarsch skandierten die gerade einmal 200 Demonstrierenden: „Wir sind das Volk!“ Auf dem Fronttransparent der „Mütter“ behaupteten diese, mit Rechtsradikalismus nichts zu tun zu haben, denn: „Wahrheit ist nicht Rechts.“

Regierung ein „korruptes Regime“

Die als Sprecherin der „Mütter gegen Gewalt“ auftretende Bottroperin Mona Maja – ein Deckname von Iris S. – sagte in ihrer Rede, sie und die Mitstreiter seien „Menschenrechtler“ und „keine Rassisten“. Dessen ungeachtet wetterte sie gegen Muslime und Asylsuchende, die sie „kriminelle und gewaltbereite fremde Menschen“ nannte. Mit ihrer langatmigen, teils auch wirr anmutende Rede ermüdete und strapazierte Mona Maja das Publikum, so dass sich bis zu dem aus der Schweiz angereisten Gaststar die Reihen auf rund 50 bis 70 Menschen gelichteten hatten.

Der Rechtsextremist Ignaz Bearth wurde seinem Ruf als Demagoge gerecht. Migranten nannte er „Messerspezialisten“, die Regierung aus CDU und SPD, Merkel und Maas ein „korruptes Regime“, den „deutschfeindlichen Dreck“ müsse man „hinweg fegen“ und manchem „Pack“ einen „Arschtritt Richtung Syrien“ verpassen. Nach Bearth hielt in Duisburg noch die „Pegida“-Aktivistin Dorothea „Doro“ H. aus München eine üble rassistische Hetzrede.

NPD sichert Unterstützung zu

Hatten überwiegend rechtspopulistische bis rechtsradikale Kreise nach Duisburg mobilisiert, versuchten offen rechtsextreme Kreise in Essen anzudocken. Am Sonntagmorgen vor dem Aufmarsch teilte NPD-Landeschef Claus Cremer über die sozialen Medien mit, „etliche Kameraden werden vor Ort die Bürger unterstützen und sich (auch als Schutz für die Teilnehmer) unter die Demonstranten mischen.“ Plumpe Propaganda, immerhin agieren die aus rechtsoffenen Hooligan-Kreisen bestehenden „Steeler Jungs“ im Umfeld der fünf Organisatorinnen der „Eltern gegen Gewalt“ und benötigen keinen „Schutz“ durch die in NRW nahezu handlungsunfähige NPD. Die „Steeler Jungs“ patroullierten zuletzt als eine Art Bürgerwehr mit bis zu 80 Personen durch Essener Stadtteile, Anwohner riefen verunsichert die Polizei, einmal sollen sie eine Schlägerei angezettelt haben.

Unter den rund 600 Teilnehmern waren deutlich mehr rechte Hooligans, als bei „Pegida“ in Duisburg. Schon der erste Redner in Essen machte zudem deutlich, was von den Bekundungen der „Eltern“-Frauen, weder Rassisten noch Rechte sein zu wollen, zu halten war. Alexander S. schimpfte auf kriminelle Migranten und dem „Kulturterror von jungen Merkelgästen“ gegen deutsche Kinder. Er nannte den Berliner Oberbürgermeister eine „gestörte Gestalt“ und Kanzlerin Merkel eine „obergestörte Befehlsgeberin“. Merkel, „die Alte“ gehöre „in den Knast“. In den Schulen arbeiteten „deutschfeindlich-rassistische“ Lehrer, Kirchenobere würden das „Kastratenlied der Unterwerfung“ vor dem Islam singen, hetzte S.

„Hier marschiert der Nationale Widerstand“

Der Redner und „besorgte Vater“ Tim bemängelte mit leicht osteuropäischen Akzent, dass „Massen“ von Migranten Deutschland „überschwemmen“ würden und „uns einfach übernehmen wollen“. Als der Demonstrationszug kurz darauf durch die Straßen des Stadtteils zog, wurden Parolen aus der rechtsextremen Szene skandiert, unter anderem „Hier marschiert der Nationale Widerstand“ und „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“

Auf der Abschlusskundgebung fungierte Thomas Matzke, ehemaliger Vorsitzende der AfD im Kreis Rhein-Sieg und heute Betreiber der rechten Infoseite „Abakus News“, als Redner. Er rief den nach dem Ende des eigentlichen Aufmarsches weniger gewordenen Gleichgesinnten zu, er sehe unter ihnen „keine Braunen“. Es sei eine „Diskriminierung von Deutschen“, wenn Migranten für begangene Straftaten milde abgeurteilt würden und Deutsche zugleich für solche Taten „jahrelang in den Knast“ gingen, fabulierte Matzke weiter.

Weitere Aufmärsche in NRW angekündigt

Als Schlussredner in Essen fungierte Serge Menga. Der im Kongo geborene, sich zuweilen als „Quotenneger“ inszenierende Mann sprach schon auf verschiedenen rechtsradikalen Versammlungen. Er begrüßte ausdrücklich die „Steeler Jungs“ und lobte deren Patrouillen. In seiner demagogischen, vom Stil her an US-Prediger erinnernden Rede schimpfte er gegen Kanzlerin Merkel, nannte sie eine „Marionette“ im Dienste des „Geldes“. Mit dem Öffnen der Grenzen habe man „Trojaner ins Land geschleust“. Wer sich aber als Gast in einem Haus nicht benehme, gehöre „rausgekickt“, schimpfte Menga.

Beide Aufmärsche waren geprägt von „besorgten“ Bürgern, „Pegida“-Anhängern und rechtsgerichteten Hooligans, ehemaligen und aktiven Mitgliedern rechtsextremer Parteien und Gruppierungen sowie AfD-Sympathisanten. In Duisburg und Essen bot neben anderen rechten Medienaktivisten zudem ein AfD-Mitglied aus dem rheinischen Düren einen Livestream via Internet an. In Nordrhein-Westfalen ruft man unterdessen zu ähnlichen Aufmärschen auf, und zwar am Pfingstsonntag in Recklinghausen und am 2. Juni in Solingen.

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