„Freiheitliches Großereignis“
Zu ihrem diesjährigen „Marsch“ am 7. Mai in Köln hat die „Pro-Bewegung“ wieder vollmundig mehrere tausend Bürger aus ganz Europa angekündigt – lediglich um die 200 Teilnehmer fanden sich allerdings bei einschlägigen „pro“-Veranstaltungen in den vergangenen Jahren ein.
Jedes Jahr ein „Großevent“. So hält es die selbst ernannte „Bürgerbewegung pro NRW“ seit 2008. Bislang hat sich aber stets herausgestellt, dass die Events am Ende so groß wie angekündigt dann doch nicht waren.
Eine als „Antiislamisierungskongress“ angekündigte Veranstaltung in Köln fiel im September 2008 gleich ganz ins Wasser. Eine ganze Stadt hatte den angereisten „Rassisten im bürgerlichen Zwirn“, wie der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma die Rechtspopulisten tituliert hatte, deutlich gemacht, dass sie nicht erwünscht waren. Zugleich hatte die angebliche „Bürgerbewegung“ ihre organisatorische Inkompetenz unter Beweis gestellt. Im Mai 2009 machten sich „pro NRW“ und „pro Köln“ an eine Neuauflage des Kongresses. „Bis zu 2000 Teilnehmer“ hatte man hochtrabend angekündigt. Zu einer stationären Kundgebung kamen schließlich um die 200 „pro NRW“-Anhänger auf eine trostlose Brachfläche im rechtsrheinischen Stadtteil Deutz, fernab der Innenstadt.
Im vergangenen Jahr sollte ein „Sternmarsch“ aus mehreren Ruhrgebietsstädten zur Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh rechtspopulistisches Demonstrations-Highlight des Jahres werden. Erneut waren zunächst „bis zu 2000 Teilnehmer“ angekündigt. Und wieder erwiesen sich die Ankündigungen als heiße Luft. Aus dem „Sternmarsch“ wurde eine 700 Meter lange Demonstrationsroute mit knapp 200 Teilnehmern.
„Machtvolles Zeichen für Meinungsfreiheit“
Nun also steht erneut Köln auf dem Demonstrationskalender der extrem rechten Partei rund um den Leverkusener Rechtsanwalt Markus Beisicht. Ein „Marsch für die Freiheit“ soll es werden. Und erneut jonglieren die Organisatoren mit unrealistisch erscheinenden Zahlen. Gewohnt vollmundig sprach „pro NRW“ von „wenigstens 2000 Teilnehmern aus ganz Europa“, als die Demonstration im vorigen September erstmals angekündigt wurde. Beisicht selbst ließ sich im Januar gar mit den Worten zitieren: „Schon jetzt bestätigt sich auf jeden Fall, dass die Demonstration am 7. Mai in Köln zum freiheitlichen Großereignis des Jahres 2011 werden wird und wir zusammen mit mehreren tausend Bürgern aus ganz Europa ein machtvolles Zeichen für mehr Demokratie und Meinungsfreiheit setzen werden!“
Allein aus Köln würden sich „mehrere hundert Personen“ beteiligen, verbreitete Judith Wolter, die „pro Köln“-Fraktionsvorsitzende im Rat der Domstadt. „Darüber hinaus erwarten wir zusätzlich weit über 1000 überregional anreisende Demonstranten aus ganz Nordrhein-Westfalen, Deutschland und benachbarten EU-Staaten.“ Unterstützt werde die Veranstaltung „von erfolgreichen europäischen Rechtsdemokraten aus Österreich, der Schweiz, Flandern, Schweden, Spanien, Frankreich, Dänemark, Tschechien, Ungarn sowie dem europäischen Städtebündnis gegen Islamisierung“, kündigten die Rechtspopulisten an. Erwartet würden unter anderem „mehrere Reisebusse mit den bekannt demonstrationsfreudigen Aktivisten des Vlaams Belang“ sowie „eine große Delegation aus Frankreich“ mit „bis zu 250 gemeinsam anreisenden Teilnehmern“.
„Muslimischer Einwanderungs-Tsunami“
Die bei der Polizei angemeldete Route führt über drei Kilometer von der rechtsrheinischen Deutzer Freiheit durch die Innenstadt bis zum Media Park. Über das genaue Programm der Veranstaltung macht „pro NRW“ noch keine detaillierten Angaben. Als Redner wurden bislang lediglich der Republikaner-Vorsitzende Rolf Schlierer, Filip Dewinter, der Fraktionsvorsitzende des „Vlaams Belang“ im flämischen Parlament, die österreichische FPÖ-Nationalratsabgeordnete Susanne Winter und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Freiheitlichen im Wiener Landtag, Wolfgang Jung, namentlich angekündigt.
Vor allem die umstrittene Grazer FPÖ-Politikerin Winter, von Beisicht als „Ikone der Meinungsfreiheit“ tituliert, ist als Scharfmacherin bekannt. Winter hatte vor drei Jahren mit antiislamischen Tiraden weit über ihre Heimat hinaus Schlagzeilen gemacht. Den Propheten Mohammed hatte sie als „Kinderschänder“ bezeichnet, der den Koran in „epileptischen Anfällen“ geschrieben habe. Winter sah Europa von einem „muslimischen Einwanderungs-Tsunami“ bedroht. Der Islam, eine „Feindreligion“, gehöre „dorthin zurückgeworfen, wo er hergekommen ist, nämlich jenseits des Mittelmeeres“. „Pro NRW“ kündigt denn auch schon einmal an, die Teilnehmer des „Marsches für die Freiheit“ könnten bei Winters „erstem großen Auftritt in Deutschland eine aufsehenerregende Brandrede gegen Islamisierung und für mehr Demokratie und Freiheit erwarten“.
Vertreter der israelischen Siedler-Aktivisten
Auf einer eigens für die Veranstaltung eingerichteten Internetseite werden rund 60 rechtspopulistische Politiker aufgeführt, die zu dem „Marsch“ aufrufen. Neben Vertretern der „Pro-Bewegung“, der Republikaner, des „Vlaams Belang“ und der FPÖ, die quantitativ dominieren, sind dies unter anderem für die „Deutschlandbewegung“ Alfred Mechtersheimer, für die sächsische Wählervereinigung „Arbeit, Familie, Vaterland“ der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche, aus Frankreich Fabrice Robert und Jacques Cordonnier vom „Bloc Identitaire“, aus Spanien Josep i Rius Anglada, der Präsident der „Plataforma per Catalunya“, Taylor Rose für die rechte US-amerikanische Studentengruppe „Youth for Western Civilization“ sowie David Haivriri als Vertreter der israelischen Siedler-Aktivisten, mit denen die „Pro-Bewegung“ seit einigen Wochen in Kontakt steht.
„Pro NRW“-Generalsekretär Markus Wiener kündigte Mitte April an, man werde eine „massive Werbe- und Mobilisierungskampagne starten“. Bundesweit würden Zeitungs- und Internetanzeigen geschaltet. In Köln selbst wolle man mit einem Flugblatt in „hoher fünfstelliger Auflage für den Marsch geworben“. Von „mehreren tausend Bürgern aus ganz Europa“, die sein Vorsitzender Beisicht vor einem Vierteljahr noch vor seinem geistigen Auge durch die Domstadt ziehen sah, spricht Wiener wohlweislich aber nicht mehr.