"Königreich Deutschland"
Freiheit oder satanisches System?
Ein geheimes Konzept des „Königreich Deutschland“ offenbart die Expansionspläne auch im Norden. In Bad Lauterberg unterstützt ein Neonazi derweil den Ausbau des Hotelprojektes.

Der „Gemeinwohlstaat“ von Peter Fitzek sucht nun einen „Kioskverkäufer im Harz“. ENDSTATION RECHTS. hatte den Kauf des ehemaligen Kurhotels am Wiesenbeker Teich an ein Mitglied des „Königreich Deutschland“ in Bad Lauterberg Anfang Juli bekannt gemacht und über beginnende Aufräum- und Renovierungsarbeiten vor Ort berichtet. Jetzt soll auch der kleine Holzkiosk am Rande des erworbenen Geländes wiederbelebt werden. Zahlreiche Harztouristen und Wanderer passieren die Holzhütte am idyllischen Wiesenbeker Teich über einen begehbaren kleinen Staudamm. Das künstliche Gewässer gehört seit 2010 zum „Oberharzer Wasserregal“ und ist damit UNESCO-Weltkulturerbe, also ein Aushängeschild der südlichen Harzregion.
Standort im Harz ausbauen
„Wir sind gerade dabei unseren Standort mitten im Grünen im Harz auszubauen“, heißt es auf der Internetseite des „Königreich Deutschland“. „Dazu benötigen wir derzeit einen Kioskverkäufer (30h/Woche) zur Versorgung der Gäste. Da das örtliche Umfeld noch nicht optimal ausgebaut ist, bieten wir aktuell ein Camping-Gefühl.“
Idealerweise solle der Bewerber oder die Bewerberin einen Camper oder Wohnwagen besitzen. Der vom „Königreich Deutschland“ beworbene „Systemausstieg“ wird dabei gleich miteingefordert, das Zubereiten von „kleinen Snacks und Mahlzeiten“ wird als Beitrag „für das Gemeinwohl“ eines „zusammenhaltenden Teams“ angesehen. Die „Abmeldung“ aus der Bundesrepublik, die Abkehr von der Demokratie bedeuten im Reichsbürger-Milieu die Rückgabe von Pass, Führerschein und weiteren Dokumenten. Propagiert wird ein Übertritt in den „Rechtsrahmen“ des „Königreich Deutschland“ von Peter Fitzek alias „Menschensohn“ oder „Peter, dem 1.“. Unternehmer*Innen, die sogenannte Staatsbetriebe leiten, geben die Gewinne ab, damit die Gemeinschaft wachsen kann.
Von einer Bezahlung für die Arbeit im Kiosk ist folglich nicht die Rede, aber davon, dass „innerhalb der Projekte und der Gemeinschaft keine Corona Maßnahmen“ durchgeführt werden. Das Leben an der Baustelle in Lauterberg garantiere eine „gesunde, hochwertige Lebensweise“. Zudem verspricht die Reichsbürgergruppe: „vielfältige Einblicke in das gegenwärtige Weltgeschehen hinter den Kulissen und die Möglichkeit an einer positiven Transformation mitzuwirken“.
Neonazi als Helfer
Einer, der bereits in Bad Lauterberg mitwirkt, ist Niels Fortmann, Rechtsextremist aus Nienburg an der Weser. Fortmann war bei der Kameradschaftsstruktur „Nationale Offensive Nienburg“ aktiv, wurde 2007 wegen Volksverhetzung verurteilt. 2008 kandidierte der Bäckergeselle, Jahrgang 1969, für die NPD bei der Landtagswahl in Niedersachsen. Weil er bis 2014 als Administrator der Website von „Stimme des Reiches“ fungierte, einer Zeitung aus dem Spektrum der Holocaust-Leugnenden Ursula Haverbeck und Rigolf Hennig, verurteilte das Amtsgericht Nienburg ihn wegen Volksverhetzung zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe.
Peter Fitzek und seine reichsideologische Expansionstruppe gelten offiziell nicht als rechtsextrem. 2009 gründete Fitzek in Wittenberg zunächst den Verein „NeuDeutschland“. Diesem wurde die Zulassung durch das Amtsgericht Stendal allerdings versagt, weil er nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, heißt es auf der Seite des Aufklärungsprojektes „Sonnenstaatenland“, welches seit Jahren über die Reichsbürger-Szene informiert. 2012 rief der selbsternannte „Oberste Souverän“ das „König Deutschland“ aus und schart seither eine immer größere werdende Anhängerschar um sich. Im April 2017 zitierte das Hamburger Magazin „stern“ den Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt mit den Worten „Das Königreich sei ein „esoterisch-ökologischer Scheinstaat“ , extremistische oder rechtsextreme Tendenzen seien aber nicht zu erkennen.“ Dagegen spricht vieles. Es wird bewusst an antisemitische Verschwörungsideologien angeknüpft, zudem belegen zahlreiche interne KRD-E-Mails, die das Hacker-Kollektiv „Anonymous“ archiviert, viele Kontakte zu rechtsextremen Protagonisten.
So stellte nicht nur „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg einen Aufnahmeantrag, sondern auch der „Anastasia“-Protagonist und rassistische Referent Frank Willy Ludwig alias „Urahnenerbe“. Kontakte gibt es zum Holocaustleugner Nikolai Nerling. Unter dem Betreff „Peter meets Volkslehrer“ wird 2018 ein Kontakt zwischen Nerling und Fitzek eingefädelt.. Nerling fragt 2020 an wegen eines Interviews zum Thema „Friedensvertrag“, ein Jahr zuvor zeigte er Interesse an einer Teilnahme an einer KRD-eigenen Messe. Als Fitzek 2017 in Haft ist, wird sich an das extrem rechte „Compact-Magazin“ gewandt. Dessen Redaktion zeigt sich sehr interessiert. 2019 wird eine Kontaktaufnahme mit Martin Sellner, österreichischer Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung erwogen.
Mit dem deutsch-russischen Verschwörungsideologen Wjatscheslaw Seewald findet 2021 die Verabredung zu einem Treffen statt. Auch für den niedersächsischen Verfassungsschutz gelten Reichsideolog*Innen nicht per als Rechte. Von 900 Reichsbürgern sollen im Jahr 2022 nur 50 rechtsextrem sein. Trotz der letzten Verhaftungswelle im Zusammenhang mit der Terrorgruppe um Prinz Reuß, an der AfD-Politiker*Innen beteiligt waren sowie den Erfahrungen aus dem Terrorprozess gegen die „Vereinten Patrioten“ hat sich die entpolitisierende Einschätzung der Behörden bislang nicht geändert.
Auch das häufige Auftreten des „Indigenen Volk Germaniten“ und weiterer Rechter im Leibnitz-Theater in Hannover sorgt für kein Umdenken. Laut niedersächsischem Verfassungsschutz setze sich die Reichsbürger-Szene nach wie vor aus „autark handelnden Einzelpersonen sowie aus kleinen Gruppen zusammen, die sich in ihrem Wesen zum Teil deutlich unterscheiden.“ Immerhin wurden die Enthüllungen zur Reuß-Gruppe, an der auch Verschwörungsideologe Michael Fritsch beteiligt gewesen sein soll, als „neue Dimension“ wahrgenommen, deren Ziel es sei, den „Systemsturz“ mit Waffengewalt herbeizuführen.
Das „Königreich Deutschland“ erwartet derweil nicht nur bei den Großimmobilien in Sachsen „freiwillige Leistungsbereitschaft“, sondern auch im Harz. An mindestens zwei Wochenenden im Juli arbeitete Neonazi Niels Fortmann gemeinsam mit Reichsbürger Heinrich Müller aus dem Saterland auf der Baustelle in Bad Lauterberg, wie Fotos belegen. Müller hat ähnlich wie Fortmann versucht, als Lokalpolitiker in seiner norddeutschen Heimat aufzusteigen. Doch er scheiterte an seiner Zugehörigkeit zum „Königreich Deutschland“. Fotos zeigten den Kandidaten einer Wählergemeinschaft gemeinsam mit Fitzek. Heinrich Müller ist der Partner von Ute Kowalewski, die das ehemalige Kurhotel in Bad Lauterberg für Fitzeks Fantasiestaat erworben hat.
„Ute aus dem freien Unternehmertum im Königreich Deutschland“
Ute Kowalewski, die aus der Nähe von Hannover stammt, ist seit Jahren beim „Königreich“, war schon beim Vorläufer „NeuDeutschland“ dabei, wie aus internen E-Mails hervorgeht. Sie scheint innerhalb der rechten Hierarchie nicht unten zu stehen, denn viele interne Mails, die auch an den Anführer der reichsideologischen Sekte gehen, setzen sie ins CC. E-Mails unterzeichnet sie mit „Ute aus dem freien Unternehmertum im Königreich Deutschland“. Sie berät auch diejenigen Gewerbetreibenden, die sich für eine Mitgliedschaft und die Aufnahme ihres Betriebes interessieren. Da ist z.B. 2021 ein Bauunternehmer aus Frankfurt, der Kowalewski und dem lieben „KRD-Team“ mitteilt, seine beiden Töchter zur Teilnahme an der Studie „langfristig ungeimpft“ anzumelden und gleich Kopien der Ausweise seiner „beiden Mäuse“ mitschickt. 2022 berät Kowalewski demzufolge eine Hundezüchterin, die mit ihrem Betrieb ins „Königreich“ möchte und erfährt: „Wenn Dein Unternehmen im KRD angemeldet ist, brauchst Du keine Zuchterlaubnis für eine weitere Rasse“.
Der Aufbau der „Regionalstelle Nordwest“
Noch sind die Telegramgruppen des „Königreich Deutschland“ in Bremen oder Hamburg eher klein, 127 Mitglieder sind es in Hamburg. Doch es finden verstärkt Seminare und Events statt, um den Ausbau der „Regionalstelle Nordwest“ voranzutreiben. Für den 30. September wird ein „Basis&Aufbau“-Seminar nahe der Hansestadt angekündigt, im Juni fand das letzte statt. „Du lernst offline echte authentische Menschen kennen, real, live, bunt und in Farbe und erhältst wahrhaftige Informationen aus 1.Hand und keine Meinungen Dritter“, heißt es in der Ankündigung. Ein junges „Leucht-Turm“-Team kümmert sich mit einer Internetseite um den „Regionalstellen-Aufbau“ im Norden. Ina und Andreas vom „Leucht-Turm“ bemühen sich auch um mittelständische Unternehmer*Innen, die ihren Betrieb in den KRD einbringen wollen.
Wanderung in Hamburg
Am 23. Juli beteiligten rund 20 Menschen an einer Wanderung durch die Harburger Berge. Die Beteiligten kamen u.a. aus Lüneburg und Lübeck. Die „Leucht-Turm“-Coaches Andreas und Ina reisten aus Bad Oldesloe an. Der Mann mit dem hippen Dutt und dem Spitzbart besuchte in der Vergangenheit eine Corona-Protestdemonstration in Berlin. Er sei seit 2013 „Lifecoach“ und bezeichnet sich als „Adventurer – Lover – Explorer“. Die etwa vierstündige Wanderung sei eine „gute Gelegenheit“, einen „wahrhaftigen Eindruck von uns herzlichen Menschen im Königreich“ zu bekommen. Am Ende wird sich auf dem Wanderparkplatz viel umarmt, geklatscht und gejubelt. Ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, scheint Zweck dieses Ausfluges zur Mitgliedergewinnung.
Hinter den Kulissen des KRD
Leiter der „Regionalstelle Nordwest“ ist Jürgen E. aus der Nähe von Tostedt, er koordiniert die Aktivitäten. 2020 informierte E.: „Wie es aussieht kann möglicherweise relativ bald auch eine Regionalstelle Bremen und Hannover eingerichtet werden. Vorerst aber laufen alle Kommunikationen über die Regionalstelle Nordwest, bis klar ist, daß genügend Menschen jeweils für Bremen und Hannover vorhanden sind“. Ein internes „Kurzkonzept“ vom Juni 2021 gibt Aufschluss zu „Gruppenaufbau und Finanzierung der Regionalstellen“. Darin heißt es: „Die Regionalstellen sind wichtige Faktoren für die Vergrößerung des KRD, da sie die Keimzellen von freien Gemeinden in den Regionen darstellen.“ Sie sollen wie folgte aufgebaut werden: Eine „Gemeinwohlkasse“ wird eröffnet. Die „Kerngruppe“ des KRD stellt dann die Führungskräfte, welche mit dem Regionalstellenleiter alles maßgeblich organisieren. „Ohne einen führungsstarken und unternehmerisch denkenden und handelnden Regionalstellenleiter kann dauerhaft keine Gruppe etabliert und organisiert werden.“
Die folgende Passage in dem Dokument behandelt die „positive Auslese“ von Interessierten, es heißt: „Die postmoderne Vorstellung, dass „alle Menschen mitentscheiden müssen und nur auf die Schwarmintelligenz gehört werden muss“ ist eine romantische und weltfremde Idee. Diese Vorgehensweise führt zu endlosen Diskussionen und oft zu halbherzigen Kompromissen, die mehr schaden als sie nutzen. Eine Regionalstelle, die nicht flexibel und schnell Entscheidungen finden und diese dann klar und nachvollziehbar kommunizieren und umsetzen kann, ist zum Scheitern verdammt.“
Dennoch solle eine Regionalstelle als eine Art „Familienprojekt“ gesehen werden, „ein „Sippendenken“ kann wieder erweckt werden“. Um eine „stabile“ Regionalgruppe aufzubauen, sollen Menschen mit „offensichtlich großen emotionalen und psychischen Baustellen“ abgewiesen, aber im Unterstützerkreis behalten werden. Weiter heißt es in dem internen Papier: Bei „schädlichen Verhaltensweisen“ müsse eine Entfernung stattfinden, denn „eine falsch verstandene Toleranz aus freundschaftlichen Gefühlen heraus darf nicht den Erfolg der Gruppe gefährden“. Inhaltlich solle es nicht in „Laberrunden“ ausarten, sondern ein „konsistentes Weltbild“ mit „Peters Büchern“, Seminaren, den Schöpfungsgesetzen und Seminaren aufgebaut werden.
Deutlich wird der hierarchische Charakter im „Königreich Deutschland“, denn die „Kerngruppe“ will ständig informiert sein über den Aufbau der Regionalstellen. Aus denen heraus sollen Projekte wie Gemeinwohlkassen, Kindergärten, Lebensmittelläden und Gemeinschaften entstehen. Es gehe darum, „Stück für Stück so wirtschaftlich zu werden, dass immer mehr Menschen aus ihren Jobs im alten System heraus können um ihr Leben durch Projekte und Betriebe der Regionalstelle oder durch das Führen eigener Betriebe im KRD, finanzieren zu können“. Ein Netzwerk an Käufern, Produzenten, Händlern und Dienstleistern soll dann für die Anerkennung der „Neuen Deutschen Mark“ des „Königreiches“ als Tauschmittel voranzutreiben. Der Verfasser des Konzeptes, Marco G., schreibt: „Wir leben in der Endzeit, in der sich jede/r entscheiden muss, ob sie/ er in das satanische System drängen lässt oder mit dem KRD die Freiheit erhält!“