Sachsen
„Freie Sachsen“ treten zu Kommunal- und Landratswahlen an
Wenn im Sommer 2022 in vielen Orten Sachsens Kommunal- und Landratswahlen anstehen, verspricht sich die AfD einigen Erfolg. Konkurrenz bekommt sie dabei unter anderem von den „Freien Sachsen“. Maßgeblich beteiligt sind Personen von Pro Chemnitz und der NPD. Die Kleinstpartei unterstützt ausgewählte Kandidat*innen, stellt aber punktuell auch eigene auf.

Ein Mann, der für die „Freien Sachsen“ zu den Landratswahlen antritt, sprach am Abend des 14. März auf einer Kundgebung in Heidenau. „Es geht um Schaffung einer globalen Weltordnung durch wenige Bankiers und Multimilliardäre“, rief er von der Ladefläche eines LKW, an dem ein Banner der „Freien Sachsen“ angebracht war. Ihm hörten etwa 250 Menschen zu, während er die Schuld vergangener Kriege, Attentate und Finanzkrisen einer „kleinen Geldelite“ zuschrieb. „Wacht endlich auf und erkennt das Übel!“
Es ist der altbekannte antisemitische Verschwörungsmythos einer „jüdischen Weltverschwörung“, ergänzt um Corona und den Krieg gegen die Ukraine, verklausuliert durch Umschreibungen und Namen bekannter, teils jüdischer Bankeninhaber. Der Mann auf der Bühne heißt Andreas Hofmann, besser bekannt als der langjährige Radiomoderator „DJ Happy Vibes“. Was genau er als Landrat vorhabe, hat er nicht gesagt. Inhalt seiner Rede waren die großen Themen aktueller und vergangener Weltpolitik durch die verschwörungsideologische Brille.
Überschneidungen
Eröffnet wurde die Kundgebung von Dirk Jährling. 2015 organisierte er die rassistischen Demonstrationen in Freital, engagierte sich einige Zeit bei der AfD. Inzwischen sitzt er im lokalen Kreisvorstand der „Freien Sachsen“.
Hinter der Bühne war Max Schreiber zugange. Der Vorsitzende des NPD-Kreisverbands organisiert unter dem Banner der „Freien Sachsen“ Hilfsaktionen für russische LKW-Fahrer, die wegen der Sanktionen an Autobahnrasthöfen gestrandet sind.
NPD-Landeschef als Kandidat für die „Freie Sachsen“
Gleich zwei von Schreibers Parteikollegen haben angekündigt, für die „Freien Sachsen“ kandidieren zu wollen. Einer von ihnen ist Stefan Hartung, der für die NPD im Kreisrat Erzgebirgskreis und im Stadtrat von Aue-Bad Schlema sitzt. Daneben fungiert er als stellvertretender Vorsitzender der „Freien Sachsen“. Für sie will er sich jetzt zum Landrat wählen lassen.
Der zweite Kandidat aus den Reihen der NPD ist der Landesvorsitzende Peter Schreiber, der auch die Parteizeitung „Deutsche Stimme“ leitet. Aktuell bildet er zusammen mit dem AfD-Überläufer Alfred Kunze eine NPD-Fraktion im Stadtrat von Strehla, jetzt will er in der Stadt Bürgermeister werden. Zur Kommunalwahl 2019 erreichte die NPD mit Schreiber immerhin 8,4 Prozent der Stimmen.
Von einer Kleinstpartei zur nächsten
Auch Stephanie Fürniß und Stefan Schmidt kandidieren für die „Freien Sachsen“. Fürniß, Hundetrainerin aus Nürnberg, tritt als Bürgermeisterkandidatin in Marienberg an. Auf ihrer Homepage schreibt sie, dass sie sich als Folge der Corona-Maßnahmen im vergangenen Jahr den „Freien Sachsen“ angeschlossen habe. Sie seien für die Frau „die einzige Alternative“, man sei sich „im Grundsatz einig“.
Stefan Schmidt kandidiert bei den Bürgermeisterwahlen in Johanngeorgenstadt. Seine politische Karriere begann vor wenigen Jahren in Schwäbisch Gmünd mit täglichem Protest gegen die Corona-Maßnahmen. Er engagierte sich bei den Corona-Protestparteien „WiR2020“ und „Die Basis“, trat erfolglos zu Wahlen an. Jetzt versucht er es in Sachsen.
AfD-Kandidaten bekommen Unterstützung
Daneben haben die „Freien Sachsen“ weiteren Bewerber*innen ihre Unterstützung angekündigt. Dazu zählen etwa der AfD-Kandidat Jörg Dornau und Roberto Rink, der Vorsitzende der „Deutschen Sozialen Union“, einer zur Wendezeit nach Vorbild der CSU gegründeten Partei, die heute allerdings keine nennenswerten Erfolge mehr erzielen kann. Rink erreichte zuletzt eines der wenigen Kommunalmandate der Partei. In diesem Jahr wird er als AfD-Kandidat zur Landratswahl antreten. Von Seiten der AfD gibt es bislang keine Reaktion zur angekündigten Unterstützung durch die „Freien Sachsen“, die zumindest in anderen Regionen des Landes als harte Konkurrenz wahrgenommen werden. „Für uns zählt der Erfolg des oppositionellen Lagers insgesamt, ohne Rücksicht auf Organisationsgrenzen“, heißt es seitens der sächsischen Kleinstpartei.
In den kommenden Wochen dürften noch einige Bewerber*innen dazukommen. In der Summe bilden sie allerdings, anders als von den „Freien Sachsen“ oft suggeriert, nur einen kleinen Teil der Kandidat*innen in Sachsen. Durch den Verzicht des verbrannten Namens ihrer Partei dürften sich die Kandidaten aus den Reihen der NPD höhere Zustimmung versprechen. Gleichzeitig passt diese Entwicklung ins Bild des fortschreitenden Bedeutungsverlusts der Neonazi-Partei.