Vorzeitig vom Vermieter beendet
„Freibund“-Lager nahe Boltenhagen
Völkische Kreise aus den Reihen des Freibundes veranstalteten letzte Woche ein klandestines Zeltlager in Mecklenburg-Vorpommern nahe der Ostsee - sie stießen allerdings auf Widerstand. Zunächst intervenierten die Behörden, dann verwies sie der Eigentümer, über den Charakter der Gruppe aufgeklärt, mit Unterstützung der Polizei des Geländes.

17.000 Besucher schauten sich am letzten Wochenende auf Gut Brook in Kalkhorst die LebensArt-Messe an. Viele von ihnen fuhren mit dem Rad ins Boltenhagener Hinterland. Auf dem Steilküstenradweg im Klützer Winkel fielen ihnen ungewöhnliche schwarze Zelte, sogenannte Jurten, direkt am Rand des Naturschutzgebietes auf. Bei über 30 Grad am Sonntag liefen auf dem Lagerplatz junge Menschen in altmodischer Kleidung herum. Germanentreff, Amish-People oder Pfadfinder rätselten Tourist*innen im Vorüberfahren.
Junge Frauen in langen roten Röcken hockten auf dem Boden eines großen Zeltes, Rauch quoll aus der großen Küchen-Jurte hervor. Junge Männer bearbeiteten mit kleinen Äxten einen Baumstamm, sie trugen graue Hemden ohne Kragen. Keine Abzeichen. Autos aus Hannover, Osnabrück sowie ein Bus aus dem Saale-Holzland-Kreis parkten davor, später kamen weitere hinzu u.a. aus Nienburg und Hamburg. 34 Angehörige des „Freibund“ hatten auf dem Gutsanwesen ihre Zelte aufgeschlagen.
Der „Freibund“ ist die Nachfolgeorganisation des „Bund Heimattreuer Jugend“ (BHJ) und steht politisch der AfD nahe. Das Symbol des Bundes ist eine schwarze Fahne mit weißer halber Sonne. Die „Na klar“, die Zeitung des „Freibund“, widmete sich in Nr. 114 aus dem Jahr 2008 dem „politischen Gehalt unserer Fahne“. Es wird der Bogen von den Bauernkriegen über die Freikorps zum Bund geschlagen und in der Fahne vor allem ein revolutionärer Gehalt erkannt. Sie würde „unser Eintreten gegen jede Fremdbestimmung zum Ausdruck“ bringen.
Als Bundesführer des BHJ fungierten in der Vergangenheit auch Gernot Mörig und Uwe Jäschke. Mörig leitet den extrem rechten Thinkthank „Düsseldorfer Forum“, Jäschke gehört dem Vorstand der elitär-rechten „Frankfurter Tafelrunde“ an. AfD-Mitglieder sind bei beiden öffentlichkeitsscheuen Organisationen gerne gesehene Referenten. Bereits 1985 hatte Gernot Mörig mit dem „Freibund“ das „Norddeutsche Forum“ in Lüneburg organisiert, Redner waren u.a. der französische Vordenker Alain de Benoist und der extrem rechte Verleger Dietmar Munier. Der „Freibund“ gilt als völkische Kaderschmiede.
Verschleierung der Herkunft
Sie seien „Gefährten“ und würden am Wochenende das große Lager vorbereiten, zu dem dann im Laufe der Woche weitere aus ganz Deutschland anreisen würden, beantworteten Jugendliche misstrauische Fragen. Eine blaue Fahne mit dem Symbol der Weltenesche und kleinen Vögeln war erkennbar. 2018 leiteten Alruna Hauser, geborene Kubitschek, und weitere extrem rechte Mitglieder der „Identitären Bewegung“ eine „Freibund“-Winterfahrt auf die Insel Ameland. An diesem Sommerlager in Mecklenburg-Vorpommern nahm u.a. auch Götz Kubitscheks Tochter teil.
Ebenso Angehörige der rechtsbündischen Familien Etzrodt und Stolle. Einige der Teilnehmenden des Lagers im Klützer Winkel waren bereits bei extrem rechten Veranstaltungen in Sachsen aufgefallen. Gut Brook wurde bis 2022 von einem Angehörigen des extrem rechten Bundes „Fahrende Gesellen“ geführt. 2008 zeltete der „Freibund“ bereits dort. 2007 fand dort ein „Pimpfenlager“ des „Sturmvogel-Deutscher Jugendbund“ statt. Bündische Mitglieder berichteten in der Szene-Zeitschrift „Blaue Blume“ vom Besuch beim „Bundesbruder“, dessen „Tätigkeitsfeld“ auf dem Öko-Bauernhof läge.
Freibund und AfD
Eine Anlaufstelle des „Freibund“ befand sich lange im niedersächsischen Burgdorf-Berel. Dort gab es den „Freihof“ der Familie Bünger. Heiner Bünger stammt aus einer traditionsreichen nationalistischen Familie, sein Vater und sein Onkel gehörten zu den sogenannten Südtirol-Bombern, die in den 1960er Jahren mit Sprengsätzen für eine Rückkehr Südtirols zu Österreich kämpften. Die Autorin Traudl Bünger berichtet in ihrem Buch „Eisernes Schweigen“ über diesen familiären Hintergrund. Ebenso wie bei der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ), dem „Sturmvogel“, den „Fahrenden Gesellen“ oder weiteren extrem rechten Bünden wird der Glaube an ein großdeutsches Reich schon Kindern vermittelt.
Die „Gefährtenschaft“ des „Freibund“ sieht sich offiziell als „ein Freiraum in unserer Gesellschaft, in dem wir unser Leben nach einer ganzheitlichen Vorstellung verwirklichen wollen“. Freibünder wollen „Menschen der Tat“ werden und bezeichnen ihr Miteinander als „Kameradschaft“. „Willkommen im Reich der bewegten Jugend“, heißt es auf der Internetseite des „Freibund“. 2018 veranstaltete die niedersächsische AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) unter dem Motto „Zurück zur Volkstümlichkeit“ auf dem Hof des „Freibundes“ in Burgdorf-Berel ihr Sommerfest - wie Fotos belegen und der Verfassungsschutz in Hannover später einräumte. Aus internen AfD-Unterlagen geht hervor, dass Hofherr Bünger der AfD über 5.000 Euro spendete.
Auflösung des Lagers auf Gut Brook
Anfang letzter Woche musste der „Freibund“ dann von der Wiese am Rande des Naturschutzgebietes weichen. Das örtliche Ordnungsamt hatte sich deswegen eingeschaltet. Das gesamte Lager wurde verborgen in einer Talsenke an anderer Stelle des weitläufigen Anwesens neu errichtet. Solange bis der aktuelle Grundstücksverwalter vom politischen Hintergrund erfuhr und seine zuvor erteilte Genehmigung zum Campen entzog. Er schaltete die Polizei in Grevesmühlen ein. Die setzte am Donnerstag das Hausrecht durch und klärte in der Umgebung über den Hintergrund der Aktion auf. Der Jugendsozialdienst wurde wegen der Kinder in Rufbereitschaft gesetzt. Widerwillig kamen die „Freibünder“ der Anordnung nach, verstauten die Zelte auf Anhängern und setzten die „Fahrt“ am Donnerstagabend Richtung Brandenburg fort.