Kundgebung in Zirndorf

Fränkische „Nachrichtenseite“ bringt Neonazis und AfD zusammen

Am Samstag demonstrieren Neonazis aus Franken und Thüringen gemeinsam in Zirndorf. Dafür wirbt auch eine AfD-freundliche „Medienseite“. Ein paar Hintergründe.

Mittwoch, 29. Juni 2016
Thomas Witzgall
Franken-Presse bewirbt Neonazi-Veranstaltung in Zirndorf - Screenshot Facebook
Franken-Presse bewirbt Neonazi-Veranstaltung in Zirndorf - Screenshot Facebook

Das, was am kommenden Samstag in Zirndorf als „Franken wehrt sich“ aufmarschiert, ist keine gewöhnliche Bürgerinitiative. Redner David Köckert, ehemaliger Organisationsleiter der Thüringer NPD, ist einer der treibende Kräfte hinter Thügida. Der inoffizielle Ableger von Lutz Bachmanns Organisation schaffte es in den gestern vorgestellten Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dan Eising ist ein aus den Kreisen der neonazistischen Kleinstpartei Die Rechte und Nügida bekannter Kader. Sprecherin Monique Schober hat bislang in Schweinfurt und Bad Kissingen Kundgebungen organisiert - die Redner kamen ausschließlich von der NPD und aus der Neonazi-Szene.

Beworben wird die Veranstaltung auch von der „Nachrichtenseite“ Franken-Presse. Sie verschweigt die leicht zu recherchierenden Hintergründe der drei angekündigten Redner. Laut Selbstbeschreibung stehe die Seite für objektive Berichte „aufgrund gründlicher Recherche“. Auch sollen Meinungen von „politischen Randgruppen“ dort veröffentlicht werden, ohne diese „zu verändern oder zu zensieren“. Dazu zählen dann wohl der Link auf ein Video des völkischen Liedermachers Frank Rennicke, dem zweimaligen Kandidaten der NPD für das Amt des Bundespräsidenten und das exklusive Interview mit Schober zur „Vorstellung der BI“. Es gleicht einem Werbevideo: Die Sprecherin darf von einer Computerstimme befragt eine weichgespülte Agenda präsentieren - die auch mit dem Programm der AfD kompatibel sein könnte.

Die Partei um Petry, Meuthen und deren Milieu scheint die eigentlich Zielgruppe der Nachrichtenseite zu sein. Neben von Nachrichtenunternehmen wie ARD, ZDF, WELT entnommenen Beiträgen werden dort hauptsächlich Videos von AfD-Politikern und Parteiveranstaltungen verbreitet, am letzten Wochenende gemischt mit Videos leicht bekleideter Damen.

Im anderen exklusiven Video-Interview - die Seite hat bis heute allem Anschein nach nur zwei geführt - kommt Christian Klingen, Vorsitzender der AfD im Kreisverband Kitzingen-Schweinfurt zu Wort. Im Rahmen der Veranstaltung mit Björn Höcke Ende April entwickelten die Redakteure auch zum wohl einzigen Mal einen „journalistischen Spürsinn“. Scheinbar wahllos wurden Personen und Organisationen um Stellungnahmen zur Zusammensetzung des Bündnissen „Schweinfurt in bunt“ gebeten. Der weite Kreis der Befragten lässt sich nur erahnen. So antwortete der CSU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Thomas Kreutzer, jemand aus der Bundesverwaltung der Gewerkschaft ver.di und – auf einer Parallelseite – der Landesgeschäftsführer der Jungen Union Baden-Württemberg.

Selbst mindestens Rechtspopulisten

Der ideologische Standpunkt der Seitenverantwortlichen wird mit Blick auf Kommentierungen schnell klar. So wird Tierquälerei fast ausschließlich als Problem von „Ausländern“ angesehen, die nicht ins Land zu lassen seien. Ähnlich verläuft eine andere Diskussion zum Thema Tierschutz - der Administrator verengt die Diskussion auf die Thematik des Schächtens.

Franken-Presse führt Diskussion über Tierschutz
Franken-Presse führt Diskussion über Tierschutz

Ein anderen Mal ist er sich sicher, Tierquälerei liege in den Genen. Als ein Nutzer einen Beitrag rassistisch kommentiert (Zitat: „Ihr
braucht noch mehr schwarze Vergewaltiger und Sozialschmarotzer. Unglaublich, dieser Verrat am DEUTSCHEN VOLK“) und ein anderer dieses Posting kritisiert, stellt sich der Administrator auf die Seite des Rassisten.

AfD Unterfranken schaut wohlwollend zu

Und die AfD? Die nutzt die nur auf den ersten Blick neutrale Quelle, um ihre Ansichten weiter zu verbreiten und schaut den Aktionen wohlwollend zu. Mehrere Facebook-Seiten der Partei, angefangen von der AfD Schweinfurt, über das AfD-Forum Franken bis hin zum Landesverband haben schon Beiträge geteilt. Und auch Vorstände. So gefällt etwa Patrick Geßner, Kreisvorsitzender der AfD Unterfranken Nord, eine SPIEGEL-Meldung, laut der in Berlin einem 13jährigen Mädchen das Koptuch heruntergerissen wurde. Franken-Report hatte den Vorfall als „politische Meinungsäußerung und Anfassen“ verharmlost. Klingen gefällt der Beitrag über „ausländische Tierquäler“ und das manipulierte Prügel-Video aus Kiel, aus dem die vorangegangen Provokationen wie mehrere Hitler-Grüße eines Beteiligten herausgeschnitten wurden, um ihn als wahlloses Opfer eines „Ausländers“ zu präsentieren.

Die Verhaftung des Grünen-Politikers Volker Beck in Istanbul und die Bezeichnung als möglicherweise „heterophob“ erfreut dagegen Bastian Treuheit, Landeskoordinator für die Bundesinteressengemeinschaft „Homosexuelle in der AfD“.

Höhepunkt der Annäherung: Die erste Werbung für die Veranstaltung mit Köckert, Schober und Eising gefällt Sebastian Faber, Mitglied im Kreisvorstand der AfD Main-Spessart-Miltenberg, der laut Main-Post zudem eine gewisse Sympathie zur Identitären Bewegung an den Tag legt.

Post geht an einen Elektronikhandel

Wer oder was steckt nun dahinter? Es ist zunächst keine anonyme Seite, wie sie zu Zuge der Flüchtlingsdebattee zu Hauf entstanden sind. Dem Impressum nach gehöre alles zu einer Mediengruppe Nordbayern Verlag. Aufgeführt werden ein Chefredakteur und fünf Journalisten. Auf Facebook präsentieren zwei Geschäftsführer (identisch mit Teilen der Redaktion) stolz die „Pegnitzer Nachrichten“ als „neuen Partner“ der Mediengruppe. Involviert sei auch ein Franken-Report. Selbstbezeichnung: eines der größten und beliebtesten fränkischen Medien.

Nur, das alles gibt es so nicht, viel kleiner oder erscheint ausgedacht und ohne die für ein Medienunternehmen erwarteten Spuren im Netz. Am gemeinsamen „Firmensitz“ im Nürnberger Süden, der zum heutigen Tag für Franken-Presse und Franken-Report angegeben wird, findet sich noch ein Briefkasten einer Elektronikhändlers, der die Post annehme. Es sei aber schon länger nichts mehr gekommen und die Leute im letzten Sommer nach kurzer Miete im Areal wieder weggezogen, wohl ins „Verlagshaus Unterfranken“ in Dittelbrunn-Hambach.

Am Verlagssitz von Franken-Report und Franken-Presse
Am Verlagssitz von Franken-Report und Franken-Presse

Allem Anschein nach wird hier mit Namen gespielt, die möglichst wie etablierte Medien klingen sollen. Der Frankenreport war ein von 1986 bis 2014 an die Haushalte verteiltes kostenloses Anzeigenblatt. Ob es den Franken-Report jemals als gedrucktes Erzeugnis gab, ist unklar.

Schriftliche
Interview-Anfrage zeigt: Franken-Presse und Franken-Report gehören zu einer Unternehmung

Franken-Presse und Franken-Report agieren heute vorwiegend auf Facebook. Der „Report“ soll dabei wohl als seriöser Ableger erscheinen, teilt überwiegend Pressemitteilungen der Polizei. Für über 4.000 Likes gibt es kaum Interaktionen. Ausnahme in der politischen „Neutralität“ bilden hier zwei Pressemitteilungen der AfD, davon eine Meldung von zwei Verbänden der AfD München - ohne Bezug zum fränkischen Raum. Auf „Franken-Presse“ wird dagegen kräftig Stimmung gemacht, bekommt aber auch „Likes“ vom Report. Das Material teilen sich beide Seiten sowieso. Wer steckt nun also
dahinter? Nach unseren Recherchen hauptsächlich zwei Aktive, die wohl „irgendwas mit Medien“ machen wollen und sich unter einem neutral und seriös klingenden Namen der AfD in Unterfranken andienen. Und neuerdings eben auch offen Neonazis.

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