„Flügel“: Fürsorgliche Verteidigung

Die AfD in Sachsen-Anhalt will den Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann ausschließen. Den Partei-Rechtsaußen gefällt das nicht.

Freitag, 17. April 2020
Rainer Roeser

Mecklenburg-Vorpommerns Ex-Landeschef Dennis Augustin flog aus der Partei; Doris von Sayn-Wittgenstein wehrt sich zurzeit vor einem staatlichen Gericht gegen ihren Rauswurf; zuletzt urteilte das Bundesschiedsgericht gegen Wolfgang Gedeon, den Politiker, dessen Name stets als erstes genannt wurde, wenn es um Antisemitismus in der AfD geht. Noch länger ist die Liste derer aus den hinteren Reihen der Partei, die mit Ordnungs- und Ausschlussverfahren überzogen wurden. Zwar wetterte „Flügel“-Vormann Björn Höcke ab und an gegen die Riege angeblich „Gemäßigter“ in der Partei. Zumindest öffentlich freilich blieben die Interventionen der Rechtsaußen-Truppe in die Verfahren gegen Augustin, Sayn-Wittgenstein, Gedeon, Räpple & Co. aus.

„Frank Pasemann bleibt“

In Teilen der Partei-Rechten wurde schon diskutiert, ob sich sogar der „Flügel“ zu einem puren Machtinstrument ohne politische Substanz entwickeln werde. In ein Instrument, das vor allem unter dem Einfluss von Andreas Kalbitz Stimmblöcke bei Parteitagen steuert, um politische Karrieren – sei es zuletzt im Europaparlament oder im Bundesvorstand – möglich zu machen. Doch kurz vor seinem Ende am 30. April schaltet sich der „Flügel“ doch noch einmal vernehmbar in ein Ausschlussverfahren ein.

„Frank Pasemann bleibt“, heißt es auf seiner Facebook-Seite, versehen mit einem Foto des Magdeburger Bundestagsabgeordneten, der Forderung: „Schluss mit der Verunsicherung der Basis!“ und dem „Flügel“-Logo, das nach dem Willen der „Moderateren“ in der Partei schon verschwunden sein sollte.

Längeres Sündenregister

Aus Sicht der „Gemäßigten“ hat der AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann, der nächste Woche 60 Jahre alt wird, schon ein längeres Sündenregister. Seine Nähe zur „Identitären Bewegung“ werfen sie ihm vor und sein als intrigant verstandenes Verhalten, wenn es darum ging, Nicht-„Flügel“-Kräfte in Sachsen-Anhalt klein zu halten. Erinnert wird regelmäßig daran, wie er als Landesschatzmeister scheiterte. Zwei Mal blieb er bei Landesparteitagen ohne Entlastung. Dirk Hoffmann, einer seiner Intimfeinde, ehemals Mitglied des Landesvorstands und Ex-Kreisvorsitzender in Wittenberg, sagt: „Sobald Herr Pasemann die Finger bei Finanzen im Spiel hat, ist die Chance, dass etwas nicht in Ordnung ist, sehr groß.“

Nun soll es Pasemann an den Kragen gehen. Mit acht zu vier Stimmen beschloss der Landesvorstand in Sachsen-Anhalt, ein bereits in Gang gebrachtes Parteiordnungsverfahren aufzustocken. Sollte Pasemann zunächst nur mit einer Ämtersperre belegt werden, geht es jetzt ums Ganze: seine Mitgliedschaft in der AfD. Das Votum kam offenbar gegen die Stimme von Landeschef Martin Reichardt zustande. Reichardt gehört wie Pasemann zum „Flügel“. Seines Landesvorstands kann er aber beileibe nicht immer sicher sein.

„Der ewige Friedman“

Auch Oliver Kirchner, Vorsitzender der Landtagsfraktion in Magdeburg, ist gegen das Ausschlussverfahren. „Einen Wahlkämpfer, Großspender und Parteikollegen wirft man nicht medienwirksam aus der Partei, sondern löst mit ihm die Probleme intern“, meint Kirchner, als dessen Wahlkreismitarbeiter Pasemann vor seiner Wahl in den Bundestag arbeitete. Als wirklicher „Großspender“ kann Pasemann zwar nicht zwingend gelten, doch laut AfD-Rechenschaftsbericht 2018 zahlte er in jenem Jahr insgesamt 21.175 Euro an Mitgliedsbeiträgen, Mandatsträgerabgaben und Spenden auf Konten der Partei. Zum Vergleich: Fraktionschefin Alice Weidel kam nicht einmal auf die Hälfte, der jetzige AfD-Ko-Vorsitzende Tino Chrupalla nur auf etwas mehr als die Hälfte. In der Rangliste der Geldgeber der AfD steht der Magdeburger, der vor der Wende Politische Ökonomie studierte, auf Platz sechs.

Das Maß war aus der Sicht der Vorstandsmehrheit voll, nachdem Pasemann vor einigen Wochen einen Tweet veröffentlicht hatte. Einem Foto von Michel Friedman hatte er die Bemerkung hinzugefügt: „Der ewige Friedman“. Seinen Gegnern in der Partei missfiel die Ähnlichkeit mit dem Titel des NS-Propagandafilms „Der ewige Jude“. Sie fürchteten neuerliche Antisemitismus vorwürfegegen die AfD. Pasemann selbst räumte ein, der Tweet sei „ungeschickt formuliert“ gewesen. „Die nun unterstellten Ressentiments waren nie Beweggrund für diesen Tweet, eine Wortähnlichkeit von Tweet und NS-Propagandafilm waren mir nicht bekannt“, beteuerte er und witterte eine „durchschaubare, ausschließlich personalpolitisch inszenierte Kampagne“ gegen seine Person. Die beantragten Ordnungsmaßnahmen seien „völlig unverhältnismäßig“. Sein Bundestagskollege Steffen Kotré sprang ihm zur Seite: „Spalter und Intriganten“ seien da am Werk.

Spendensammelstelle

Pasemann sehe sich „mit Hinterhältigkeiten und Halbwahrheiten konfrontiert, mit denen in Sachsen-Anhalt Stimmung gegen ihn gemacht wird“, moniert der „Flügel“. Ausschlussverfahren seien „kein Mittel, um gegen parteiinterne Rivalen vorzugehen!“. Folgt man dem „Flügel“ ist er quasi gegenüber der Bundes-AfD in Vorleistung getreten, ohne dass dies aber honoriert würde: „Mit Bedauern erleben wir nun, wie unsere Versuche, durch Deeskalation die Partei im Inneren zu befrieden, wiederholt unterlaufen werden.“ Die erste Reaktion auf den Selbstauflösungsbeschluss des „Flügels“ sei „der Versuch eines Bundessprechers“ gewesen, „eine völlig unnötige Debatte über die Spaltung der Partei loszutreten“. Nun würden „wieder aussichtslose Parteiausschlussverfahren in die Wege geleitet, die letztlich nur eines erreichen: Die Enttäuschung eines weiteren Teils unserer Mitglieder“.

Dass der „Flügel“ so fürsorglich Partei für Pasemann ergreift, ist nicht überraschend. Der Magdeburger gehört zu den rund zehn AfDlern, die in der zweiten Reihe der Rechtsaußen-Gruppe hinter dem Führungsduo Höcke/Kalbitz noch etwas zu sagen haben. Und er zählte im Mai 2018 zu den sieben Teilnehmern eines Treffens in Räumen des Thüringer Landtags, bei dem der Verein „Konservativ!“ gegründet wurde. Ein Konto des Vereins diente dem „Flügel“ vorübergehend als Spendensammelstelle. (bnr. de berichtete) So jemanden kann der „Flügel“ nicht wortlos fallen lassen.

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