Feuchtfröhliche „Flügel“-Feier

AfD und freie Medienvertreter – die Situation scheint sich immer mehr zuzuspitzen. Ein Erfahrungsbericht aus Burgscheidungen in Sachsen-Anhalt.

Montag, 25. Juni 2018
Andrea Röpke

„Auch da, du dreckige Fotze“, schreit ein AfD-Anhänger, der sich auf dem Weg hinunter vom Schloss Burgscheidungen noch schnell eine schwarze Kapuze ins Gesicht gezogen und eine Sonnenbrille aufgesetzt hat. Sein Gesicht ist kaum zu erkennen. In einem Arm hält er eine gelbe Kiste, daraus zieht er ein Schild hervor: „FCK Antifa“. Obwohl direkt vor ihm einige Uniformierte stehen, ruft der Mann mit dem Kapuzenpulli und den New Balance-Turnschuhen einen konkreten Namen und ergänzt: „Drecksschweine, wir kriegen Euch“. Er bleibt kurz stehen, zieht seine Handkante am Hals vorbei – die typische Kopf-ab-Geste – und würgt laut: „krrrg!“. Kurz darauf stürzt ein weiterer schwarz gekleideter Mann, der scheinbar mit dem anderen das „Kyffhäuser-Treffen“ des völkischen „Flügels“ am Samstagnachmittag verlassen hat, mit seinem Regenschirm auf den filmenden Journalisten zu, der mit Abstand zur Straße auf einer öffentlichen Grünfläche steht.

Die Gruppe, aus der die beiden Männer zu stammen scheinen, schwenkt Sachsen-Fahnen. „Ich mag mich nicht von jedem Arschloch fotografieren lassen!“ sagt der eine später kleinlaut zu den Polizisten, die ihn wegführen. Die erklären ihm, dass die Presse das Recht hat, dort zu stehen. Davon allerdings will kaum einer der zahlreichen aggressiven AfDler etwas hören. Anders als die klassische Neonazi-Szene haben fanatische Rechte bisher kaum Polizeirepression zu spüren bekommen. Mit Konsequenzen für strafbare Handlungen scheinen auch besonders unflätige AfD-Gäste nicht gerechnet zu haben.

Aggressive Drohgebärden

Tatsächlich werden nur die Personalien des „Halsabschneiders“ aufgenommen, obwohl anwesende Polizisten auch die Drohgebärden des Mannes mit dem Regenschirm gesehen haben. Der Aggressivität unauffällig gekleideter rechter Bürger wird wenig scharf begegnet, obgleich sich Gewalt erfahrungsgemäß durch Vorfälle regelrecht hochputschen kann. Viele „Flügel“-Besucher haben es an diesem Samstag gar nicht so eilig, den Ort Burgscheidungen und damit die verhasste „Lügenpresse“ zu verlassen. Vom Schlossberg oben erschallt noch Volksmusik. Alkohol scheint reichlich geflossen sein. Eine Frau im Dirndl kann gar nicht genug bekommen, sie läuft hin und her und filmt das Szenario mit ihrem Handy. Sie zieht weitere an. Ein älterer Mann umkreist uns Journalisten mit dem Handy, einer schimpft dabei. Manche stellen sich auch einfach drohend auf, bis Beamte sie sachte weiterschieben.

Wer nicht gefilmt werden möchte, wendet sich ab und geht vorüber. Den aggressiven Anhängern aber scheint es um Reglementierung und Einschüchterung zu gehen. Mehrere schreien „Bazille“. Die „Flügel“-Besucher verlassen die Veranstaltung am Samstag sichtbar mit Hochgefühl. Sie haben gemeinsam mit AfD-Führungsleuten wie Jörg Meuthen und Alexander Gauland geschrien, gehasst, gelacht und geklatscht. Videoclips zeigen eine geradezu fanatische, euphorische Stimmung in dem Festzelt. Es gibt Sprechchöre, viel lautes Gelächter. Hauptredner Björn Höcke spricht herablassend über die „Medienmeute am Fuße des Schlossberges“. „Widerstand“ haben sie gebrüllt.

Nationales Mitmachtheater mit frenetischem Jubel

Zu stark ist das fanatische Gefühl, zu einer siegesgewissen antidemokratischen „Bewegungspartei“ (Höcke) zu gehören, die sich gegen Angriffe von außen erfolgreich zur Wehr setzt. Medien hätten versucht, „den Zünder auszulösen“, der zur Explosion und damit zur Spaltung der „Alternative für Deutschland“ geführt hätte, erklärte zuvor Björn Höcke ihnen in seinem kämpferischen Redebeitrag. Das sei abgewendet worden. Die Beilegung seines Parteiausschlussverfahrens sichere die Einheit der Partei, die „Schafszeit“ sei vorbei. Höcke, um den sich ein regelrechter Kult bildet, hatte ihnen versprochen: Die AfD stehe kurz davor, nun „einzigartige“ Geschichte zu schreiben. „Ungehorsam“ sei die erste Bürgerpflicht, Gegendemonstranten und Polizeiführungen könnten sich warm anziehen, sie würden mit Strafanzeigen „eingedeckt“. Das nationale Mitmachtheater mit seinen Sprechchören und frenetischem Jubel, mit den einstudierten Lachern und dem feierlichen Einzug junger Fahnenträger hinterließ bei den rechten Gästen seine Wirkung.

Auch die anwesenden Polizeibeamten zeigen sich nach und nach überrascht, ob der Aggressivität der AfD-Leute, die das Treffen des Höcke-„Flügels“ verlassen. Das Kamerateam war kaum vor Ort, da hatte bereits ein weißhaariger, sehr bürgerlich gekleideter Mann gemeinsam mit Freunden die Medienvertreter zunächst wütend beschimpft, dann abrupt in die erste Kamera gegriffen und dann bevor jemand ihn abhalten konnte, die zweite Kamera mit Wucht vom Stativ geknickt. Das Gehäuse brach. Weder er noch die anderen zeigten Unrechtsbewusstsein. Sie rechtfertigten ihr Handeln mit „neues Datenschutzgesetz“ oder „Recht am eigenen Bild“. Von Kunsturhebergesetz und weiteren Rechten der Presse bei Veranstaltungen wie der in Burgscheidungen wollten sie nichts hören. Auch die eingesetzten Beamten taten sich zunächst schwer mit der Anwesenheit von Fachjournalisten, die anders arbeiten als Nachrichtenteams. Nach Klärung der Rechtslage und dem Erscheinen eines ARD-Teams entschärfte sich aber die Situation.

Pegida-Mannschaft fährt johlend aus dem Ort

Kein nicht zum rechten Spektrum zählender Journalist darf das Schloss während der AfD-Veranstaltung betreten. Auch die Teams der großen Sendeanstalten werden vor dem großen Tor abgewiesen. 1000 Anhänger sollten Höckes Aufruf nach Burgscheidungen folgen, wie es scheint, sind es jedoch viel weniger. Einige verbrachten bereits den Abend zuvor bei einer Vortragsveranstaltung mit Götz Kubitschek im nahe gelegenen Schnellroda.

Die großen Limousinen mit AfD-Politikern haben den kleinen abgelegenen Ort etwa eine Stunde von Halle entfernt bereits verlassen. Ein Transferservice pendelt mit Bussen hin und her. Laut johlend fahren Siegfried Däbritz und die Pegida-Mannschaft aus dem Ort. Jörg Dittus von der rechtsextremen Organisation „Ein Prozent für unser Land“ eilt davon, er wird später bereits während des Fußballspiels an dem Abend ins Haus der „Identitären Bewegung“ in Halle einkehren. Simon Kaupert fotografiert genervt das Kamerateam. Guido Reil ist guter Stimmung, ebenso einige AfD-Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt. Der mecklenburgische Abgeordnete Jens Schneider aus Wismar hat vor wenigen Jahren offen in Neonazi-Kreisen um Sven Krüger aus Jamel verkehrt, nun läuft er schnell mit einem jungen Mann im Anzug zum Fahrzeug.

Ein Trecker mit Stroh beladen tuckert vorbei. Neugierige Einwohner stellen sich am Straßenrand auf. Der Security-Chef der AfD hat die Medien weiterhin fest im Blick, während er die ersten seiner Ordner verabschiedet. Hans-Thomas Tillschneider im blauen Anzug erscheint mit einem Bierglas in der Hand, unterhält sich kurz und geht wieder. Jetzt, wo der Großteil des begeisterten Fußvolkes den Ort verlassen hat, werden die verbliebenen AfDler noch gemeinsam in dem angemieteten Schloss im Burgenland das Fußballspiel zwischen deutscher und schwedischer Mannschaft verfolgen. Das Hochgefühl wird nicht abreißen, die deutsche Mannschaft gewinnt.

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