Fast täglich Aktionen gegen Flüchtinge
Der Berliner Verfassungsschutz bilanziert einen Anstieg des rechtsextremen Personenpotenzials und deutlich mehr rechts motivierte Straf- und Gewalttaten.
Zumindest in der zweiten Jahreshälfte 2015 sei es in den östlichen Stadtbezirken Berlins beinahe täglich zu Protesten und Aktionen gegen Flüchtlinge gekommen, wird im aktuellen Bericht festgehalten. Die Zahl der dem rechtsextremen Spektrum zugerechneten Personen ist von 1355 auf 1450 angestiegen. Die registrierten Delikte politisch motivierter Kriminalität von rechts sind ebenfalls hochgeschnellt und erreichen eine Größenordnung wie zuletzt 2007. 1655 (2014: 1536) entsprechende Straftaten wurden gezählt, darunter 143 Gewaltdelikte (plus 42). 700 Angehörigen aus dem rechten Lager, also knapp der Hälfte, wird dabei eine Gewaltorientierung attestiert, auch diese Zahl ist um 100 angewachsen. Die Verfassungsschützer in der Spree-Metropole haben beobachtet, dass es bezogen auf die Örtlichkeit in der Nähe, wo es Proteste gegen Flüchtlinge oder deren Unterkünfte gegeben hat, auch zu vergleichsweise mehr Gewalthandlungen gegen Flüchtlinge und deren Einrichtungen gekommen ist. Eine verbale Agitation mündet demnach also direkt in aktionistischer Gewaltbereitschaft.
Leichten Zuwachs verzeichnet die NPD unter ihrem Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke. Sie bringt es auf 250 Mitglieder (+20), darunter 30 Junge Nationaldemokraten. Es gibt neun Kreisverbände. Insgesamt sechs Bezirksverordnete der NPD nehmen kommunale Mandate wahr. Das Betätigungsfeld der Agitation gegen Fremde und den Islam hat die gesamte inhaltliche Thematik der Sympathie für den historischen Nationalsozialismus in den Hintergrund gedrängt. Als Parteialternativen sind inzwischen auch „Die Rechte“ sowie „Der III. Weg“ in der Stadt präsent, in Bezug auf Aktivitäten sind sie aber vorerst nahezu nicht auffällig.
Die rechtspopulistische „Bürgerbewegung pro Deutschland“ mit ihren 110 Aktivisten (+10) zeigt sich dagegen sehr an Öffentlichkeit interessiert. Viel Werbematerial wird gestreut, der Schulterschluss mit anderen Parteien und Gruppierungen gesucht. Die „Identitäre Bewegung“ und ihre 20 Aktivisten suchen ebenfalls die breite Aufmerksamkeit, egal, ob man nun kurzzeitig die SPD-Parteizentrale besetzt, ein Parteibüro der Grünen belagert oder gezielt eine Fernseh-Livesendung stört.
Aktive „Freie Kräfte“ und Musikszene
In der islamfeindlichen Anti-Flüchtlingsarbeit hat sich insbesondere die „Bürgerbewegung Marzahn-Hellersdorf“ radikalisiert, was bei Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen auf Kosten von Teilnehmerzahlen gegangen ist. Bei den regelmäßigen Zusammentreffen des Berliner Pegida-Ablegers „Bärgida“ ist eine personelle Mischszene mit Vertretern aus verschiedenen Parteien, Organisationen und Initiativen anzutreffen. Die „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) sowie das „Bündnis Deutscher Hooligans“ sind mit einem Personenpotenzial von 50 Anhängern aufgefallen.
Der Kreis organisierter Neonazis ohne Parteibindung ist von 430 auf 420 zurückgegangen, darunter ein Kern von 150 „Freien Kräften“. Diese weisen wiederum eine Führungsebene mit zehn bis 15 Kadern auf, die in der Verantwortung für die Ausarbeitung, Mobilisierung und Ausführung aktionsorientierter Gemeinschaftserlebnisse stehen und auf Unterstützerkreise zurückgreifen können. Der subkulturell orientierten Szene ohne feste Bezugspunkte und ohne geschlossenes rechtsextremes Weltbild werden 520 Personen zugerechnet (+50). Dort wird auch die braune Musikszene verortet, die in Berlin durchaus Netzwerkstrukturen erkennen lässt. Hierzu werden etwa 170 Personen gezählt. Zu den aktiven Bands und Musikprojekten gehören dabei „Die Lunikoff Verschwörung“, „Deutsch, Stolz, Treue“ (D.S.T. bzw. X.x.X.), „Legion Of Thor“, „Marci & Kapelle“/„Tätervolk“, „Punkfront“ sowie „A3stus“ mit ihrem Sänger „Villain 051“, der auch für „Vendetta“ verantwortlich zeichnet.
Die Zahl der als sonstige“ gelisteten Rechtsextremisten ist von 210 auf 230 gestiegen, darunter fallen auch 100 so genannte „Reichsbürger“.