Fackelaufzug zum Hitler-Geburtstag

Rund 200 Neonazis zogen am 20. April durch Jena – begleitet von lautstarkem Gegenprotest. Die Behörden wollten den „Thügida“-Aufmarsch auf den Folgetag verlegen, waren aber vor dem Verwaltungsgericht gescheitert.

Freitag, 22. April 2016
Kai Budler

In Thüringen beschäftigen die Aufmärsche des rechtsextremen Bündnisses „Thügida“ weiterhin die Zivilgesellschaft: allein im ersten Quartal dieses Jahres fanden landesweit elf Aufmärsche des Netzwerkes an wechselnden Orten statt. Eine Entwicklung, die sich auch im April fortsetzt – zu den bislang registrierten Aufmärschen gehörte auch der Fackelaufzug von „Thügida“ in Jena am 20. April, dem Geburtstag von Adolf Hitler. Weil der Tag seit langem ein symbolträchtiges Datum für die extrem rechte Szene ist, wollte die Stadt Jena den Aufzug an diesem Tag verbieten. Doch sie scheiterte vor dem zuständigen Verwaltungsgericht, das in der Anmeldung keinen Bezug zu eben diesem Geburtstag sehen wollte. Für die Neonazis ein Grund zum Feiern und so wurde David Köckert, einer der Anmelder, nicht müde, sich beim Gericht für diese Entscheidung zu bedanken.

Doch obwohl in dem Aufruf darum gebeten wurde, „sich bitte pünktlich vor dem Paradies-Bahnhof“ zu treffen, versammelten sich zur vereinbarten Uhrzeit nur knapp 50 Neonazis um den Lautsprecherwagen. Der Grund: mit der Bahn anreisende Neonazis saßen wegen eines Kabelbrandes in ihrem Zug fest. Neben Köckert,  auf dessen Fingern Hitlers Geburtstag und -jahr tätowiert sind, versuchte auch der zweite Anmelder, Robert K., die anwesenden Neonazis bei Laune zu halten. Kurz vor dem Aufmarsch war bekannt geworden, dass ein langjährig aktiver Neonazi Verbindungen zur mutmaßlich rechtsterroristischen „Gruppe Freital“ hat und in deren Umfeld aktiv ist. Wegen eines gewalttätigen Angriffs auf Gegendemonstranten in Leipzig muss er sich außerdem demnächst vor Gericht verantworten.

Flaschen auf Gegendemonstranten geworfen

Mit einer Stunde Verspätung erreichen schließlich die restlichen Neonazis den Auftaktort und marschieren mit Reichskriegsfahnen, lauten Parolen und gereckten Fäusten zum Lautsprecherwagen. Dort redeten zum Auftakt Alexander Kurth von der Partei „Die Rechte“ (DR) in Sachsen und David Köckert, Stadtrat in Greiz und früherer NPD-Landesorganisationsleiter. Bei einer Zwischenkundgebung auf der Route trat Axel Schlimper vom Holocaustleugner-Netzwerk „Europäische Aktion“ in Thüringen ans Mikrofon. Während des Aufmarsch waren unter anderem „Juden raus“ Rufe zu hören.

Die erhoffte martialische Wirkung der wenigen erlaubten Fackeln blieb bei Tageslicht aus, der lautstarke Gegenprotest der Teilnehmer von insgesamt sieben Demonstrationen und Kundgebungen am Rand der Strecke trug dazu bei, dass sich ein Großteil der 200 Neonazis sichtlich unwohl fühlte. Am Rand einer Gegenkundgebung nahm die Polizei die Personalien von 25 Neonazis auf, die Flaschen auf Gegendemonstranten warfen und Beamte beleidigten. Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) kündigte anschließend eine Initiative für ein Aufmarschverbot an sensiblen Daten wie dem Geburtstag Adolf Hitlers an. Dafür wolle er sich mit dem Deutschen Städtetag und Thüringer Bundestagsabgeordneten einsetzen.

Ungeachtet dessen wird „Thügida“ vorerst weiterhin die Zivilgesellschaft im Freistaat beschäftigen. Bereits drei Tage nach dem Fackelmarsch in Jena findet schon der nächste Aufzug statt, dieses Mal in Eisenberg zwischen Jena und Gera.

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