Extreme Rechte will CSDs zurückdrängen
Das extrem rechte Spektrum agiert zunehmend gegen CSD-Umzüge und Aktionen der queeren Community. In Bautzen demonstrierten fast 700 meist jugendliche Rechtsextreme gegen den CSD, in anderen Städten werden weitere braune Aufmärsche und Aktionen erwartet.
Wegen rechtsextremer Gegenproteste fand der Christopher Street Day (CSD) mit mehr als 1.000 Menschen im ostsächsischen Bautzen letzten Samstag quasi unter Polizeischutz statt. Ein Neonazi-Aufmarsch stand unter dem Motto „Gegen Gender-Propaganda und Identitätsverwirrung!“ Auch die rechtsextreme Kleinstpartei „Freie Sachsen“ hatte zum Protest aufgerufen. Bis zu 700 Rechtsextremisten marschierten auf und störten immer wieder den CSD, dem sie zum Teil gefährlich nahe kamen. Schon im Vorfeld war die Abschlussparty aus Sicherheitsgründen abgesagt worden.
In gewohnt übertriebenem Propagandastil schrieben die „Freien Sachsen“ auf ihrem Telegram-Kanal: „Hunderte Jugendliche stellen sich in Bautzen dem CSD entgegen! Sachsens Jugend hat genug von dem woken Irrsinn der LGBTQ-Propaganda. […] Die nächste Generation in der Oberlausitz ist patriotisch und kennt nur zwei Geschlechter!“ Richtig ist an solchen Aussagen: Die Rechtsextremisten waren überwiegend sehr jung, aber nicht Teil einer womöglich bürgerlich-unpolitischen Jugend.
Heilbar im „Arbeitslager“
Schon die historischen Vorbilder verfolgten und ermordeten Homosexuelle, die man heute in der Gesamtheit der Opfer eher unter dem Sammelbegriff queere Menschen bezeichnen würde. Homosexualität galt im Nationalsozialismus als Krankheit, die prinzipiell heilbar sei – etwa in psychiatrischen Anstalten oder in „Arbeitslagern“. In Bautzen marschierten Neonazis am Samstag mit einem Transparent auf, auf dem in mäßiger Rechtschreibung zu lesen war: „Es gibt viele Psychische Probleme, aber nur 2. Geschlechter!“
Die Aussage, es gebe nur zwei Geschlechter, spielte dabei auf eine Kampagne an, die in der extremen Rechten beispielsweise im Zuge des neuen Gleichbehandlungsgesetzes neu aufgegriffen wurde. Thematisch ist die Agitation gegen queere Menschen und CSDs nicht neu. So wurde der Pride Month von Rechtsextremen zwecks Online-Kampagne zum „Stolzmonat“ umdeklariert und 2022 mobilisierte die AfD-Jugend „Junge Alternative“ gegen eine angebliche „Pädo-Kita“ in Berlin.
Dauerfeindbild und Daueraktionismus
AfD-Mann Maximilian Krah sorgte Mitte 2023 in einem Podcast für Aufsehen, als er über den Pride Month fabulierte: „Das Lustigste, was ich beim Pride Month erlebt habe, war 2021. Da hatte die US-Botschaft in Kabul ganz stolz den Pride Month ausgerufen. Es dauerte keine drei Wochen, bis die Taliban in Kabul eingerückt sind. Ich glaube, dass das die einzig richtige Antwort auf den Pride Month gewesen ist.“ Eine Szene bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele mit queeren Aktivisten sorgte zuletzt für heftige Debatten, die auch – aber nicht nur – aus dem extrem rechten Lager angeheizt wurden.
Inzwischen kursieren Aufrufe aus einem ähnlichen Spektrum wie zuvor in Bautzen, den CSD am 24. August in Magdeburg zu stören. Waren in Bautzen die Jugendorganisation der früheren NPD sowie die neonazistische „Elblandrevolte“ beteiligt, treten nun Gruppen wie „Jung und Stark“ (JS) aus Sachsen-Anhalt sowie „Deutsche Jugend voran“ (DJV) in Erscheinung. Am darauffolgenden Wochenende will offenbar die neonazistische Kadertruppe Der Dritte Weg gegen den CSD in Zeitz aufmarschieren. Auch für den CSD in Zwickau am gleichen Wochenende gibt es Hinweise auf mögliche rechtsextreme Gegenproteste.
Störungen in Köln und anderswo
Kleinere und größere rechtsextremistische Störaktionen und Aufmärsche gegen die CSD-Paraden gab es bereits in den vergangenen Jahren. Mittlerweile scheinen sie sich jedoch zu häufen, selbst in sehr kleinen Gruppen versuchen Rechte mit Aktionen auf sich aufmerksam zu machen. Bereits im Juni wurde der CSD im brandenburgischen Bernau von einigen Anhängern der neonazistischen Partei Der Dritte Weg gestört. Den wohl größten CSD in Deutschland –in Köln – störten Mitte Juli elf Männer und eine Frau im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. Sie waren schwarz gekleidet, rissen Regenbogenfahnen ab und tätigten laut Polizei „lautstark rechtsradikale und homophobe Äußerungen“.
Beim CSD im sächsischen Pirna verlief das Fest auf dem Marktplatz zwar reibungslos. Anreisende Teilnehmer berichteten jedoch von Bedrohungen und Beschimpfungen außerhalb des Veranstaltungsortes. Im niedersächsischen Gifhorn ermittelte die Polizei nach Hasskommentaren zu einem Online-Artikel der „Gifhorner Rundschau“ über den CSD Mitte Juli. Aufgrund der Hetze entschloss sich die Redaktion, das entsprechende Facebook-Posting zu löschen.
In Burka zum CSD
Im Umfeld des CSD Ende Juli in Berlin stoppte die Polizei eine Gruppe Rechter, die versuchte, dorthin zu gelangen. Eine Handvoll Vertreterinnen der extrem rechten, islamfeindlichen Gruppierung „Lukreta“ hielt Anfang August in Essen am Rande des CSD Plakataktionen ab und ließ sich in Burkas fotografieren. Gegen den CSD in Leverkusen hielt die Splittergruppe „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“, in der Rechtsextremisten, Putin-Anhänger und Islamisten gemeinsam agieren, Anfang Juni eine kleine „Mahnwache“ ab.
Kerstin Thost, Pressesprecher*in des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland, stellte schon Mitte Mai im Interview mit der taz fest, „queerfeindliche Narrative“ seien in der Gesellschaft immer noch so stark vorhanden, dass sie von rechten Politikern aufgegriffen und zwecks Agitation verwendet werden. „Das führt zu einer massiven Zunahme an Hass im Netz, aber auch im Alltag queerer Menschen. Wir stellen da einen Zusammenhang zu einem anti-queeren Klima fest. Aus Worten werden Taten“, warnte Thost.
LGBTIQ+-Community unsichtbar machen
Der CSD Deutschland e.V. veröffentlichte am 30. Juli eine Stellungnahme dazu, dass die LGBTIQ+-Community zunehmend Hetze und Angriffen ausgesetzt ist. Darin heißt es: „Schallte uns noch vor kurzem die Frage entgehen ‚Was wollt ihr denn noch?‘, so hat sich die Lage in diesem Jahr scheinbar komplett gedreht.“ Berichtet wurde von Angriffen auf Regenbogenfahnen, brennenden CSD-Plakaten, Drohungen und rechten Aktionen gegen CSD-Veranstaltungen in Chemnitz und Schwerin.
„Auch, wenn es auf das gesamte Land betrachtet […] bisher eher marginale Gegenmaßnahmen waren. Alleine die Tatsache, dass sich überall wieder Menschen trauen offen und direkt anderen Menschen mit körperlicher Gewalt bis hin zum Tod zu drohen, erschreckt“, hieß es in der Stellungnahme weiter. „Aus den anonymen Hetzkammern des Internets heraus lösen sich Menschen, die offen und ihr Gesicht zeigend gewaltbereit LGBTIQ+ bedrohen. Die darauf bauen, dass sie Angst verbreiten und das wir LGBTIQ+ uns unsichtbar machen.“