Lukreta

Extrem rechter „Frauenkongress“ im „Großraum Köln“

Am Samstag soll im „Großraum Köln“ die dritte Auflage eines extrem rechten „Europäischen Frauenkongresses“ stattfinden. Organisatorisch verwoben ist das Treffen mit der ID-Fraktion im Europaparlament und dem AfD-Politiker Maximilian Krah.

Donnerstag, 07. März 2024
Michael Klarmann
 Mit dieser Grafik wird für die Veranstaltung geworben, die Anmeldung läuft über das Büro des AfD-Politikers Maximilian Krah
Mit dieser Grafik wird für die Veranstaltung geworben, die Anmeldung läuft über das Büro des AfD-Politikers Maximilian Krah

Beworben wird der „Frauenkongress“ maßgeblich von der extrem rechten Mädchen- bzw. Frauengruppe „Lukreta“ sowie der AfD-Kandidatin für die kommende Europawahl, Irmhild Boßdorf. In der Ankündigung heißt es: „Diesmal diskutieren wir [einen Tag nach dem 8. März, dem Internationalen Frauentag] darüber, ob wir [diesen] überhaupt noch brauchen und welche Vorstellung von Familie wir im Allgemeinen haben.“ Zur Anmeldung dient eine E-Mail-Adresse des extrem rechten, völkischen AfD-Politikers Maximilian Krah.

Irmhild Boßdorf aus Königswinter bei Bonn wurde am 30. Juli 2023 auf dem AfD-Parteitag in Magdeburg auf Listenplatz 9 für die Europawahl gewählt. In einer radikalen Rede und im Duktus der „Identitären Bewegung" (IB) forderte sie eine „millionenfache Remigration“. Statt vor einem menschengemachten Klimawandel warnte sie vor einem „menschengemachten Bevölkerungswandel“. Die konservative „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) befand seinerzeit, Boßdorfs „Suada [dürfte] der Verfassungsschutz interessiert verfolgt haben“.

„Patriotische Frauen“ zusammenbringen

In ihrer Vorstellung als Kandidatin, die im Vorfeld des Parteitages Mitte 2023 auf einer entsprechenden AfD-Webseite veröffentlicht worden war, schrieb Boßdorf: „Seit über dreißig Jahren bin ich politisch aktiv […].“ Wichtig sei „eine Zusammenarbeit mit Patrioten in unseren Nachbarländern [...].“ Sie „leiste seit Jahrzehnten Vernetzungsarbeit der politischen Rechten im europäischen Ausland. [...] Bei mehreren Kongressen, die ich initiiert und organisiert habe, habe ich patriotische Frauen zusammengebracht, zuletzt Frauen aus Frankreich, der Schweiz, Österreich, Flandern und Deutschland vernetzt.“

Mit Kongressen war eben die Veranstaltung gemeint, die an diesem Wochenende erneut stattfinden soll. Schon Mitte 2022 fand ein ähnlicher „Frauenkongress“ von Initiativen, AfD-Politikern und „Identitären“ im Landeshaus Münster des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe statt. Im Mai 2023 fand in Mainz dann im AfD-nahen „Zentrum Rheinhessen“ der erste auch so benannte „Europäische Frauenkongress“ statt. Dabei fungierten die ID-Fraktion im Europaparlament sowie der AfD-Politiker Guido Reil als Kooperationspartner.

Wider die „gefährliche Transideologie“

Der zweite „Europäische Frauenkongress“ fand am 4. November in Siegburg im Wahlkreisbüro von Roger Beckamp statt. Laut Ankündigungstext „dreht[e] sich [bei diesem Kongress] alles um das Thema ‚Gender Mainstreaming‘ und damit um die Transagenda der Europäischen Union. Kommt vorbei, vernetzt euch mit engagierten Frauen und nehmt an der Diskussion über […] viele andere Themen rund um die gefährliche Transideologie teil.“

Markenzeichen der „Kongresse“ war nicht selten, dass sich dort Vertreterinnen der AfD oder ähnlicher europäischer Parteien mit Initiativen, Gruppen und Protagonistinnen aus dem vorpolitischen, rechtsextremen, neurechten und völkischen Spektrum trafen und vernetzten. Ein Ausgangspunkt für solche Treffen war zunächst die Arbeit der fremdenfeindlichen und antimuslimischen Initiative „Lukreta“.

Nachfolge der „Identitären Bewegung“

Diese Gruppe entstand rund um den Jahreswechsel 2019/2020 und ist ein Projekt unter anderem von Reinhild Boßdorf, Tochter der AfD-Kandidatin Irmhild Boßdorf. „Lukreta“ gilt als Nachfolge von Aktivistinnen, die teilweise bereits in der IB als Frauengruppe „120db“ aktiv waren. Diese Einschätzung teilt auch der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, der in seinem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 mitteilte:

Die Bedeutung der IB „in NRW nimmt weiter ab. Relevante Akteure sind verzogen, in eine parteipolitische Jugendorganisation gewechselt, haben sich von der [IB] abgespalten und neue Kleinstgruppierungen, wie zum Beispiel Lukreta oder Revolte Rheinland, gegründet [...]“ Auf dieses Konzept der IB wies auch der Verfassungsschutz Baden-Württemberg hin. Er stellte bereits ab 2017 fest, dass IB-Strukturen dezentral agierende „Tarnvereine“ gründeten und „IB-Ableger“ unter anderen Namen entstanden. Der „Spiegel“ berichtete im Februar, dass ein „geheimes Netzwerk“ der IB unbemerkt seinen Einfluss ausgeweitet habe.

Influencerin, Rednerin und Publizistin

Reinhild Boßdorf tritt seit Jahren als Aktivistin in der Öffentlichkeit auf. Sie war in der IB und bei „120db“ aktiv. Heute engagiert sie sich auch in der AfD und trat zeitweise auch selbstbewusst als JA-Mitglied auf. Darüber hinaus agiert sie als Influencerin, Rednerin und Publizistin. In die Schlagzeilen geriet sie, weil sie in einem offiziellen Video des nordrhein-westfälischen Landtags zum Weltfrauentag 2022 für die AfD auftrat. Das Video wurde nach Hinweisen und öffentlicher Kritik jedoch wieder gelöscht.

Mehrere junge Frauen aus ganz Deutschland engagieren sich bei „Lukreta“ oder im Umfeld der Gruppe, darunter auch aktive und ehemalige AfD-Mitglieder, -Politiker und -Politikerinnen. Beim letzten „Europäischen Frauenkongress“ in Siegburg war beispielsweise auch Maximilian Krah anwesend. Beim ersten „Frauenkongress“ im rheinland-pfälzischen Mainz waren nach Angaben der Veranstalter unter anderem die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst, die Landtagsabgeordnete Iris Nieland sowie Annick Ponthier (Vlaams Belang) und Verena Mutzatko (FPÖ) dabei.

Gegenprotest on tour

Bereits im Oktober 2022 hatte die ID-Fraktion im Europäischen Parlament eine Veranstaltung zum Thema „Feminismus von rechts“ organisiert. Auf dem Podium saßen seinerzeit die beiden Europaabgeordneten Christine Anderson (AfD) und Patricia Chagnon (Rassemblement National, RN) sowie Reinhild Boßdorf. Moderiert und organisiert wurde die Veranstaltung vom AfD-Europaabgeordneten Gunnar Beck.

Antifaschisten wollen am Samstag gegen den „Frauenkongress“ demonstrieren. Da der Veranstaltungsort noch nicht bekannt ist, wollen sie sich am Vormittag auf dem Bahnhofsvorplatz in Köln neben dem Dom treffen. Sobald der Ort des extrem rechten Treffens bekannt sei, werde man sich dann gemeinsam „mit den Öffis vom HBF dorthin auf den Weg machen.“

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