Europawahl: AfD etabliert sich im Osten

Die Statistiken sind mittlerweile belastbar: Neben den Grünen kennt die Europawahl vor allem einen Gewinner: das rechte Lager. Rechte Fraktionen wie die ENF, EKR und die EFDD, die Nationalkonservative, Rechtspopulisten bis Rechtsextremisten in ihren Reihen versammeln, konnten deutlich an Prozenten zulegen. 172 von 751 können die Rechtsaußen-Gruppierungen insgesamt auf sich vereinigen. Zum Vergleich: Die stärkste Einzelfraktion, die konservative Europäische Volkspartei ist auf 179 Sitze gefallen. Eine Mehrheit haben die EU-Skeptiker und -feinde damit nicht, aber dem Block sollte es fortan deutlich einfacher fallen, die Arbeit des Parlaments in Brüssel und Straßburg zumindest zu behindern.

AfD setzt sich in Ostdeutschland fest
In der Gesamtschau konnte die AfD dagegen nur wenige Prozentpunkte gewinnen. Mit 11,0% blieb das Stimmergebnis auf EU-Ebene unter den erwarteten Werten. Im Wahlkampf ruderte die Partei jäh zurück, nachdem ihre Forderungen nach einem EU-Austritt Deutschlands vor dem Hintergrund der gescheiterten Brexit-Verhandlungen auf eher verhaltenen Applaus stießen. Dass der Erdrutschsieg für die Rechtspopulisten auf Bundesebene ausblieb, kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Partei in Ostdeutschland längst als politische Kraft etablieren konnte – trotz der teilweisen Beobachtung durch den Verfassungsschutz. In Sachsen und Brandenburg gewann die AfD die meisten Wahlkreise zur Europawahl und geht so als deutlicher Wahlsieger aus der Europawahl hervor. Weniger stark schnitt die Rechtsaußenpartei in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen ab. Trotzdem rangiert die Alternative für Deutschland auch hier zwischen 17 und 22% und damit auf dem zweiten Platz. Gerade in Sachsen bestätigte die Partei die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl. Ein erschreckendes Ergebnis für die CDU, die im Freistaat seit über zwei Jahrzehnten regiert. Die sächsische Union galt lange als die dominante politische Kraft und unangefochtene Volkspartei. Die AfD läuft den Christdemokraten nun vor allem im Osten des Freistaates zunehmend den Rang ab. In fast allen der alten Bundesländern hingegen blieb das Wahlergebnis der Rechtspopulisten im einstelligen Bereich. Der Riss zwischen Ost und West vertieft sich.Neonazis gehen leer aus
Offen rechtsextreme Kräfte wie die NPD und Die Rechte hatten dagegen keinen Erfolg. Trotz teils medienwirksamen Provokationen konnten die Neonazi-Parteien keine Sitze in Brüssel ergattern. Die Rechte etwa machte wiederholt mit antisemitischen Aktionen von sich Reden und stellte die inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck als Spitzenkandidatin auf. Enttäuscht resümiert die rechte Splitterpartei in einer Pressemitteilung: „0,1 Prozent der bundesweit abgegebenen Stimmen sind sicherlich kein Ergebnis, das zu großen Jubelsprüngen verleitet [...].“Kommunalwahlen - Rechte punkten in Sachsen und Brandenburg
Ähnliche Ergebnisse fuhr die AfD auch bei den zeitgleich stattfindenden Kommunalwahlen ein. Noch am Sonntagabend vermeldete der Focus, die Rechtspopulisten seien stärkste Kraft im Freistaat. Zumindest bei den Kreistagswahlen konnte die CDU allerdings die Mehrzahl der Wahlkreise gewinnen. Zudem stehen noch mehrere Ergebnisse aus. In den Landkreisen Bautzen und Görlitz errang hingegen die Rechtsaußenpartei die Mehrheit, ebenso in den Städten Meißen und Freiberg. Vielerorts rangierte die AfD nur wenige Prozentpunkte hinter der CDU. So kam die Union im Landkreis sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit 29% nur knapp vor die Rechtspopulisten, in Chemnitz trennte die Union nur zwei Prozentpunkte von der AfD. Dabei repräsentieren zukünftig mitunter mehrere offen rechtsextreme Kandidaten die selbsternannten Patrioten. Auch in Brandenburg zeichnet sich ein ähnliches Bild: In vielen Wahlkreisen im Osten und Süden des Bundeslandes liegen die Rechtspopulisten weit vorne. In Cottbus überholten sie die Union um ganze fünf Prozentpunkte. Deutlich niedriger liegen die Werte in den anderen Ost-Bundesländern und noch dramatischer gestaltet sich der Unterschied im Vergleich zum Westen der Republik: Während in einigen sächsischen Kreisen fast 30% der Wähler für die AfD stimmten, sind es in Baden-Württemberg im Schnitt nur 6%. Das Ergebnis der Europawahl ist also kein reines Zeichen von Protest, sondern deutet viel eher auf eine langfristige Verankerung der rechten Partei.Lokale Hochburgen für Rechtsextremisten
Nicht nur die Rechtspopulisten konnten bei den Lokalwahlen punkten: Auch Parteien aus dem Neonazi-Spektrum konnten – im Gegensatz zur Europawahl – vereinzelt beachtliche Ergebnisse einfahren. Im sächsischen Rheinhardtsdorf-Schöna errang die NPD fast 20% der Stimmen. In der Ortschaft trat die AfD mangels Kandidaten nicht zur Wahl an. Die rechtsextremistische Lokalpartei Pro Chemnitz konnte bei der Wahl zum Stadtrat der westsächsischen Stadt 7,7% der Stimmen auf sich vereinen – eine Folge der rassistischen Mobilisierung seit dem Spätsommer 2018? Im vogtländischen Plauen konnte derweil die Neonazi-Kleinstpartei Der Dritte Weg mit 3,8% in den Stadtrat einziehen.Ein Blick auf zwei #NPD-Hochburgen in M-V, wo die #AfD nicht antrat. 10,6% in #Anklam, wo Michael Andrejewski die zweitmeisten Stimmen aller (!) Kandidaten bekam. Und 11,0% für die NPD in #Lübtheen. #Kommunalwahl pic.twitter.com/QBpcX0maX3
— ENDSTATION RECHTS. (@ER_MV) 27. Mai 2019