„Europäische nationalistische Kräfte“
Rund acht Wochen vor der Europawahl schreitet der Schulterschluss der extremen Rechten weiter voran. Auf dem „Kongress“ der Jungen Nationaldemokraten vernetzten sich die Gegner des solidarischen Europas und tauschten sich über ihre Strategien aus.
Noch kurz vor der Eröffnung des „Europakongresses“ hatte der Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten (JN), Andy Knape, am Samstag vollmundig von rund 200 Teilnehmern gesprochen. Tatsächlich fanden knapp 160 extrem rechte Personen den Weg ins thüringische Kirchheim, ihnen standen rund 200 Nazigegner gegenüber, die ihrem Ärger lauthals Luft machten.
Dass die Teilnehmerzahl unter den Erwartungen der JN zurückblieb mag an der Wahl ihres Veranstaltungsortes liegen. Noch bis kurz vor ihrem „Kongress“ hatten die JN den Großraum Leipzig als Ort angegeben, erst am Rande des Landesparteitages der NPD Thüringen war bekannt geworden, dass die Jugendorganisation der Partei die Ortschaft im Ilm-Kreis ins Visier genommen hatten. (bnr.de berichtete) Seit 2009 finden in der dortigen „Erlebnisscheune“ Veranstaltungen, Parteitage und Konzerte der rechtsextremen Szene statt, der Betreiber wird vom „Ehrenmitglied“ der NPD Frank Schwerdt inzwischen als „unser Freund“ bezeichnet.
„Vision Europa. Jung frech radikal“
Während die Nazigegner auf der Straße hinter Hamburger Gittern protestieren, winken die JN-Ordner die Besucher ins Innere des Gebäudes. Im Saal hängen die Fahnen verschiedener europäischer Länder, hinter der Bühne prangt das Transparent der JN mit der Aufschrift „Vision Europa. Jung frech radikal“. Dumpfe Trommelschläge läuten den Beginn der Veranstaltung ein, bevor Knape die Anwesenden begrüßt.
Angekündigt waren 13 Redner, darunter Vertreter der „Goldenen Morgenröte“ aus Griechenland, der tschechischen „Arbeiterjugend“, der „Partei der Schweden“ und Nick Griffin, der Vorsitzende der „British National Party“ (BNP). Auf die ursprünglich angepriesenen Redner aus dem Umfeld der Swoboda-Partei und des „Rechten Sektors“ aus der Ukraine mussten die Besucher verzichten, ihnen war die Ausreise verweigert worden.
Auch hochrangige Mitglieder der Bundes-NPD sind nach Kirchheim gekommen. Zu ihnen gehören Olaf Rose mit Platz zwei auf der Europaliste seiner Partei und der NPD-Bundesgeschäftsführer Jens Pühse. Er ist auf den dritten Listenplatz gewählt worden. Bereits drei Wochen zuvor hatte er an einem Vernetzungstreffen der extremen Rechten aus fünf europäischen Ländern in Rom teilgenommen. Anschließend schwärmte Pühse vom Fortschritt der „Gespräche zur Bündelung national-radikaler Kräfte im Europaparlament“ und sprach von einer „schlagkräftigen Formation“.
Gegner im gemeinsamen Kampf
Ein weiterer Teilnehmer des Treffens in Rom war Nick Griffin von der BNP, der mit Pühse vor der „Erlebnisscheune“ posiert. Die Neonazis in Kirchheim eint die Idee von „unserem Europa“ sowie den gleichen Anstrengungen und Kämpfen, wie es ein Mitglied der italienischen Bewegung „Casa Pound“ wenig später ausdrückt. Wer der Gegner im gemeinsamen Kampf ist, lässt Griffin, Abgeordneter im Europäischen Parlament, in Kirchheim auf der Bühne erahnen, als er in die rassistische Hetze gegen Flüchtlinge einstimmt.
Auch der frisch gewählte NPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Udo Voigt, darf auf der Rednerliste in Kirchheim nicht fehlen. Nach dem Fall der Drei-Prozent-Hürde soll er in Straßburg für die NPD an den braunen Netzwerken in Europa mitstricken, denn noch ist die Partei kein Mitglied in den Netzwerken der europäischen Wahlparteien und gehört bisher nur zur „Europäischen Nationalen Front“.
Schon 2004 war Voigt zu Besuch im EU-Parlament und traf sich zu Gesprächen mit Vertretern des französischen „Front National“, der italienischen „Forza Nuova“ und der „Lega Nord“. Anschließend hieß es seitens der NPD: „Nach intensiven Gesprächen kam man zu der Übereinkunft, künftig in Europa besser und vor allem intensiver zusammenzuarbeiten“. Knapp zehn Jahre später bekräftigte der amtierende Bundesvorsitzende Udo Pastörs dieses Ziel: „Wir wollen ins Europaparlament, weil das EU-Parlament jene Bühne ist, die uns in die Lage versetzt, uns mit anderen europäischen nationalistischen Kräften zu vereinen.“
„In erster Linie Kontakte knüpfen“
Beim JN-„Europakongress“ blicken die Rückwärtsgewandten in Europa nach vorn, der Vertreter des Holocaustleugner-Dachverbandes „Europäische Aktion“ erntet bei den Teilnehmern nicht den erhofften Applaus und selbst die Gastgeber erklären: „Die JN machen sich die heute vorgestellten Positionen und Inhalte nicht zu eigen“. Nach den Reden beginnen in der Erlebnisscheune abends die Diskussionen über die Inhalte und die persönlichen Gespräche. Dieser Teil des Tages ist ein Kernstück des Kongresses, denn die angestrebte Vernetzung funktioniert zum Großteil über informelle und persönliche Kontakte. Das bestätigt ebenso der Vertreter der „Nationalistischen Studenten von Flandern“ (NSV): „Was wir hier machen, ist eigentlich Leute kennenlernen“, antwortet er und kündigt an, demnächst die JN nach Flandern einzuladen.
Auch der Kongressteilnehmer von der „Partei National Orientierter Schweizer“ (PNOS) gibt nach seinen Erwartungen an das Treffen gefragt an, er wolle „in erster Linie Kontakte knüpfen“ und die dazugehörigen Personen besser kennen lernen. Denn bei allen Differenzen zwischen den rechtsextremen Gruppierungen und Parteien in den europäischen Ländern sind sie sich in ihrer nationalistischen Idee, rassistischer Hetze und der Ideologie der Ungleichheit einig. Dass dies meist auch Gewalt einschließt, mussten am Samstag Gewerkschaftsmitglieder am eigenen Leib erfahren, die in ihrem Auto auf dem Weg zur Protestkundgebung in Kirchheim waren. Sie wurden während der Fahrt in einem Nachbarort von vermummten Neonazis mit Steinen angegriffen.