Prozess um rechten Brandanschlag in Bremen
„Es brach die Hölle los“
Seit einem Monat wird vor dem Bremer Landgericht gegen drei Neonazis verhandelt, die Feuer im alternativen Jugendzentrum „Die Friese“ gelegt haben sollen. Jetzt kamen im Prozess erstmals Betroffene der Tat zu Wort. Was sie sagten, war erschütternd – und ließ die Zweifel an den Unschuldsbeteuerungen der Angeklagten wachsen.

Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, dass im Bremer Jugendzentrum „Die Friese“ ein verheerendes Feuer ausbrach – gelegt mutmaßlich von Neonazis. Doch wenn der Mann, der die Institution im linksalternativen Steintor-Viertel damals wie heute leitet, von jenem Abend erzählt, dann klingt er so erschüttert, als sei das alles erst gestern passiert. Von „Panik“ unter den Besucher*innen spricht der Sozialarbeiter, von „Chaos“, von einem „Inferno“. „Es brach die Hölle los, ich kann es nicht anders sagen“, sagt der 57-Jährige. „Ich hatte große Angst, dass jemand stirbt.“
Wegen des mutmaßlichen Brandanschlags, der einen Sachschaden von 180.000 Euro angerichtet haben soll, müssen sich drei Männer aus dem Umfeld der neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“ seit Januar vor dem Bremer Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Jan E. (29) aus Dörverden bei Bremen, Nico J. (35) aus Güstrow und Dave S. (41) aus Bremen schwere Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung vor. Die Angeklagten bestreiten jedoch eine rechtsextrem motivierte Tat.
Viele Zufälle
Ohne böse Absicht, bloß zum Pinkeln und Kickern seien sie während einer Sauftour in die „Friese“ gegangen. Beim Versuch, sich sternhagelvoll eine Zigarette anzuzünden, will Jan E. dann eine Jacke angezündet haben. Aber nur versehentlich und ohne die dramatischen Folgen zu bemerken. Und seine beiden Gesinnungsgenossen wollen nicht einmal davon etwas mitbekommen haben.
Als nun der Leiter des selbstverwalteten Kultur- und Jugendzentrums und weitere Betroffene der Tat als Zeug*innen vor Gericht aussagen, werden die Zweifel an diesen Einlassungen nicht geringer. Kann man glauben, dass die Angeklagten von dem Konzert, das am Tatabend im großen Saal der „Friese“ stattfand und von rund 30 Menschen besucht wurde, nichts bemerkt haben? „Wir haben eine gute, sehr basslastige Anlage“, sagt der Sozialarbeiter. „Das war definitiv zu hören.“ Draußen vor der Tür habe zudem ein Aufsteller auf die Veranstaltung hingewiesen, mit dem deutlichen Hinweis: „Hier heute“.
„Ich hatte da schon ein mulmiges Gefühl“
Und waren sie wirklich so besoffen, wie sie behaupten? Ein 47-Jähriger, der zwei der Angeklagten am Kicker gesehen hatte, sagt: „Auf mich wirkten sie nicht volltrunken, nur leicht alkoholisiert.“ Aber aggressiv seien sie ihm vorgekommen. Wegen ihres Tonfalls und ihrer Körpersprache. Und wegen der abfälligen Bemerkung, die sie darüber gemacht hätten, dass jemand den Figuren des Tischkickers lange Haare angeklebt hatte. „Ich hatte da schon ein mulmiges Gefühl.“
Auch wenn sich alle Menschen rechtzeitig ins Freie hatten retten können: Folgenlos blieb die Tat für sie nicht. Von Schlafstörungen und Herzrasen berichtet eine Frau, die sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen hat. „Man schafft irgendwann, es wegzuschieben“, sagt sie. „Aber es kommt immer wieder hoch.“ Ein anderer erzählt, dass er bis heute immer mal wieder Rauch rieche, wo keiner sei. Auch der Leiter der „Friese“ musste sich in Therapie begeben, um zu verarbeiten, dass das Haus, in dem er seit 30 Jahren arbeitet, plötzlich kein sicherer Ort mehr für ihn sein sollte: „Es war furchtbar, herzzerreißend. Ich habe mein ganzes berufliches Leben in diesem Haus verbracht.“
Wohnung voller Devotionalien
Unmittelbar nach dem Brand waren an der Eingangstür der „Friese“ frisch angebrachte Aufkleber der Partei „Die Rechte“ entdeckt worden. Ein „Schock“, sagen die Zeug*innen. Weil für sie damit klar gewesen sei, dass sie Ziel eines rechtsextremen Anschlags geworden seien. Dass zumindest der Hauptangeklagte Jan E. ein militanter Neonazi ist, dem auch rechtsterroristische Neigungen nicht fremd sind, belegte die Durchsuchung seines Hauses in Dörverden bei Bremen. „Wenn man im ‚Tatort‘ das Zimmer eines Neonazis inszenieren würde, sähe das ganz genauso aus“, sagt Nebenklageanwältin Lea Voigt.
Überall waren rechtsextreme Devotionalien. An den Wänden Hakenkreuzfahne, Reichskriegsflagge und eine Karte des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1939. Im Regal Hitlers „Mein Kampf“, dazu die deutsche Übersetzung eines Manifests des verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“, das den bewaffneten Kampf in kleinen Zellen predigt und auch dem rechtsterroristischen NSU als Inspiration diente. Und in den Scheunenboden war ein Hakenkreuz eingeritzt, mit den Worten „Danke Uwe“. Auch der Staatsschutz der Polizei geht davon aus, dass damit die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gemeint sein dürften.