Erstaunlich zäh – Warum die NPD auch diese Krise überlebt

Etwas schlaff im Wind: JN- und NPD-Fahnen (Foto: ENDSTATION RECHTS.)
Die Geschichte der NPD liest sich wie ein Buch mit vielen Niederlagen und nur wenigen Erfolgskapiteln. Unzählige Male standen die Rechtsextremisten bereits am Abgrund: Das knappe Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde bei den Bundestagswahlen 1969 (4,3 Prozent) stoppte ihren kometenhaften Aufstieg – innerhalb von nur drei Jahren war sie zuvor in sieben Landesparlamente eingezogen – und führte sie geradewegs in die politische Bedeutungslosigkeit. Dort verharrte sie mehr als 36 Jahre, erst der Gewinn von zwölf Mandaten bei den sächsischen Landtagswahlen 2004 (9,2 Prozent) brachte der NPD den Sprung zurück auf die politische Bühne. Gleichwohl: in bescheidenem Rahmen.
Eine ihrer schwersten Krisen durchlief die Partei 1990 / 91, als ihr damaliger Vorsitzender, der Tuttlinger Rechtsanwalt Martin Mußgnug, für die Partei keine Zukunft mehr sah. Bei den ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen hatte sie, obwohl sich mit der Wiedervereinigung eine ihrer ureigensten Forderungen erfüllte, nur 0,2 Prozent der Stimmen erhalten, was sie nicht nur in eine tiefe Depression, sondern auch in eine gewaltige finanzielle Schieflage stürzte. Wie dem auch sei, die Basis folgte nicht dem Plan Mußgnugs, die NPD in die neugegründete Sammlungsbewegung „Deutsche Allianz“ (später „Deutsche Liga für Volk und Heimat“) zu überführen. In einer Kampfabstimmung um den Chefsessel setzte sich der Fusionsgegner Günter Deckert durch, der mit seiner geschichtsrevisionistischen Linie die NPD noch weiter ins gesellschaftliche Abseits manövrierte. Die Zukunft war also alles andere als braun.
Neuausrichtung durch Udo Voigt
Erst Udo Voigt weckte durch eine erneute politische Kurskorrektur – mehr soziale Themen, eine breitere Strategie („Vier-Säulen-Strategie“), Zusammenarbeit und Integration von Neonazis – die dahin dümpelnde Partei aus ihrem Dornröschenschlaf. Doch auch unter Voigt gab es zahlreiche Rückschläge, die das Ende der ältesten Organisation der parteipolitisch organisierten extremen Rechten hätten bedeuten können: Etwa das erste Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das am Unvermögen der staatlichen Stellen scheiterte, oder die „Affäre Kemna“. Der einstige NPD-Schatzmeister, Erwin Kemna, ein enger Weggefährte Voigts, hatte die Partei fast um eine dreiviertel Million Euro betrogen und damit einen heftigen Machtkampf der beiden Hauptflügel ausgelöst, der die Partei zu zerreißen drohte und noch immer droht.
Trotz aller innerparteilichen Streitigkeiten, Wahlniederlagen, Affären, dem Verlust ihrer sächsischen Landtagsfraktion und Maßnahmen der Zivilgesellschaft und des Staates: Die NPD erwies sich als überaus zäh und hielt über die Jahre – gestützt auf einen kleinen Kreis fanatischer Anhänger – ihren Apparat aufrecht. Leider wird in der aktuellen Diskussion um den desolaten Zustand der NPD oft vergessen, dass sich die Partei als „Kampfgemeinschaft“, als „Weltanschauungspartei“ versteht. Ihr geht es nicht darum, eine Alternative im System, sondern eine Alternative zum System zu sein. Die Mitglieder sind zumeist bis in die Haarspitzen motivierte Überzeugungstäter, die „den Kampf um Deutschland“ 24 Stunden am Tag ausfechten und persönliche Angelegenheiten zugunsten der „Nationaldemokratie“ zurückstellen. Genau deshalb darf sie nicht unterschätzt werden.
NPD trotzdem auf dem Zettel haben
Es wäre ein Trugschluss, nach dem Scheitern der NPD bei der sächsischen Landtagswahl am vergangenen Sonntag die Hände in den Schoß zu legen. Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nannte die NPD bereits vor Monaten eine „sterbende Partei“. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger, zumal die NPD in ihren Hochburgen (und besonders in Mecklenburg-Vorpommern) vergleichsweise vital ist und dort ihre „völkische Graswurzelarbeit“ weiter vorantreibt. Mehr als ein Drittel der Bürger Anklams (Landkreis Vorpommern-Greifswald) stufte bei einer Befragung vor Jahren die NPD als „normale Partei“ ein. Ein Alarmsignal, das auch in Berlin wahrgenommen werden sollte. Denn die NPD ist keine „normale Partei“, sie ist nicht einmal ein „Wolf im Schafspelz“. Die NPD ist offen antidemokratisch, rassistisch, antisemitisch. Kurzum: verfassungsfeindlich.
Anmerkung der Redaktion:
Dieser Artikel erschien in seiner ursprünglichen Version bereits im April 2013 auf ENDSTATION RECHTS.. Anlässlich des Abschneidens der NPD bei der Landtagswahl in Sachsen am 31. August (4,95 Prozent) wurde er ergänzt.
