Ellen Kositza: Das widerborstige Leben einer rechten Glucke
Der Preis ist eine Art Wanderpokal der rechten Publizistik, seine festliche Verleihung wirkt aber ob der nahezu ausschließlich schwarz gekleideten Personen eher wie eine Trauerfeier. Allein Preisträgerin Ellen Kositza sticht aus der schwarzen Masse hervor, als sie wie ein Honigkuchenpferd strahlend den Preis aus den Händen von Dieter Stein, Chefredakteur von „Junge Freiheit“, und Dr. Ingeborg Löwenthal, Witwe des Namensgebers, empfängt. Kositza ist eine schlanke, große, elegant gekleidete junge Frau mit langen, blonden Haaren und schwarzem Kleid. In ihrer Dankesrede versucht sie zu erklären, warum und wie sie zu einer der bedeutendsten rechtskonservativen Publizistinnen wurde. Und so fällt ihre Rede auch in erster Linie biografisch aus.
Die stolze Preisträgerin, am 1. Dezember 1973 in Offenbach geboren, berichtet vom Aufwachsen in einem katholisch-konservativen Elternhaus und von ihrer Schulzeit in einem privaten katholischen Mädchengymnasium. Dort fiel sie „einerseits durch Leistung auf – natürlich nur in ein paar ausgewählten Fächern“. Andererseits habe sie sich in der Pubertätszeit regelrecht widerborstig gegeben, viel gefehlt und zielgerichtet grundsätzlich das Gegenteil von dem getan, was von ihr erwartet wurde. So entschied sie sich angeblich bereits während ihrer Schulzeit, möglichst früh möglichst viele Kinder zu bekommen, statt sich an einer Karriere in Wirtschaft oder Wissenschaft zu orientieren. Denn an der Schule erwartete man von ihr, dass sie aus ihren Talenten und ihrer guten Ausbildung etwas machte. Sie berichtet: „Wenn ich je getadelt wurde, lautete meine freche Antwort. ‚Ja und? Zum Muttersein und Kinderkriegen wird`s schon langen.’“ Das wird wohl die Stelle gewesen sein, an der man in einem Video von der Preisverleihung das Publikum und selbst ihren Mann Götz Kubitschek lachen sieht. In ihrer Abiturzeitung habe demzufolge in der Spalte Berufswunsch auch unter ihrem Bild gestanden: „Will eine Handvoll Kinder haben. Wer`s glaubt, wird selig.“
Andererseits sympathisierte Kositza nach eigenen Angaben in jungen Jahren mit feministischen Theorien, ließ sich tätowieren, hörte gar Punkmusik und trug „eine zerfetzte Jeansjacke, auf die ich mit Eddingstift anarchistische Parolen aufgebracht hatte“. Das ist ihr heute nur noch peinlich, sagt sie. Trotz ihres Mutterschafts-Planes studierte sie nach der Schulzeit zunächst Germanistik und Geschichte an der Universität Mainz. In der Studienzeit heiratete sie. Mit ihrem ersten Mann bekam sie folgerichtig noch während des Grundstudiums ihr erstes Kind und vor dem Ende des Studiums das zweite: Allerdings keine „Protestkinder“, sondern ein „Kinderwunsch aus reinem Mutwillen“.
Mit etwa 20 Jahren lernte sie durch den neurechten Publizisten Claus Wolfschlag, damals ein „Typ“ mit langen Haaren, lässigem Outfit und „Funk, House oder so was“ im Walkman, die Junge Freiheit (JF) kennen und las „hocheuphorisiert“ von postmodernen Theorien und den konservativen Wurzeln ökologischen Denkens. Kurz darauf begann sie, für das Blatt zu schreiben. Heute publiziert sie darüber hinaus in verschiedenen (rechtskonservativen) Zeitschriften - so der Zeitschrift für Politik und Kultur „Gegengift“ und „eigentümlich frei“. Zudem ist Kositza seit kurzem auch feste Redakteurin der vom „Institut für Staatspolitik“ (IfS) herausgegebenen Hauszeitschrift „Sezession“.
Ihr Fachbereich sind in erster Linie Rezensionen und Filmkritiken. Darüber hinaus ist sie neben Gabriele Kuby sozusagen die Genderbeauftragte des rechtskonservativen Lagers. Als solche hält sie die „Gender-Mainstreaming-Ideologie“ für eine fatale Folge der Frauenbewegung, die entgegen der menschlichen Natur versuche, Männer und Frauen gleich zu machen oder gar die Alleinherrschaft der Frauen zu begründen. Die Vertreter dieser Position nennt sie dann auch wenig schmeichelhaft „Gendernauten“.
Wie genau eine Frau sein sollte, um wirklich weiblich zu sein, wird bei Kositza nur bedingt klar. Das mag daran liegen, dass nach ihrer Auffassung „das Verborgene, Unenthüllte [...] etwas Urweibliches“ ist. Klar ist jedenfalls so viel: In der Politik hat sie nichts zu suchen, denn dies sei mit der Mutterschaft, wie Kositza sie versteht, nicht zu vereinbaren und eine kinderlose Frau sei „etwas genuin Unnatürliches“. Sie selbst jedenfalls fand ihre Selbstverwirklichung in der Mutterschaft von ihren sechs Kindern, die sie hauptberuflich ausfüllt. Allerdings ist dies auch aus ihrer Sicht nur eine von mehreren Möglichkeiten, sich als Frau selbst zu verwirklichen, was sie selbst als nebenberufliche Publizistin unter Beweis stellt.
Als Mutter orientiert sie sich am Ideal der „Gluckenmutter“. Sie ist kein Heimchen am Herd, sondern durchaus eine starke Persönlichkeit, die sich in den ersten Lebensjahren eines Kindes vor allem diesem widmet und es selbst „im Wochenbett mit jeder Katze, selbst mit Rotmilanen“ aufnimmt. Kositza hält die Glucke gegenüber der Karrierefrau, die sich einem von wirtschaftlichen Erwägungen bestimmten Familienbild fügt, sogar für die freiere und vermutlich auch glücklichere Frau.
Erstaunlich daher, dass sie Männern den Einbruch in weibliche Sphären verwehrt, sich selbst jedoch als Publizistin wohl fühlt. Als solche betätigt sie sich in einer traditionell männlichen Sphäre, der Öffentlichkeit, die - so gesehen - ein Teil von Politik ist. In Bezug auf die Männerdomäne Fußball schreibt sie gar einmal, dass sie stolz war, als einzige weibliche Mitspielerin in der Klassenmannschaft im Tor stehen zu dürfen und erst seit der Entmännlichung des Fußballs, wo „Metrosexuelle zu Fußballgöttern werden, gnadenloses Emo-Gequatsche vor und nach dem Spiel geradezu zwanghaft wird“, keine Spiele mehr ansehen will.
Eine gewisse Widerborstigkeit hat Ellen Kositza sich bis heute bewahrt. Sie lebt mit ihrem Mann Götz Kubitschek und ihren inzwischen sechs Kindern auf einem alten Rittergut in Schnellroda in der sachsen-anhaltinischen Provinz. Es ist ein Dörfchen mit einem Gasthaus, das den Namen „Schäfchen“ trägt, einer freiwilligen Feuerwehr, einem Fußballverein und einem Männerchor, in dem auch ihr Mann aktiv ist. In dem jahrhundertealten Gemäuer sind darüber hinaus der Sitz des „Institut für Staatspolitik“ (IfS) und der Verlag „Edition Antaios“, also der Arbeitsplatz ihres Mannes, untergebracht. Auf dem vom Sueddeutsche-Zeitungs-Autor Marc Felix Serrao augenzwinkernd „Burg Kubitschek“ genannten, urkundlich im Jahre 1208 erstmals erwähnten Gehöft lebt man weitgehend unbehelligt sein widerständiges, rechtskonservatives Lebensgefühl aus. Das bedeutet die bewusste Entscheidung für „Kinder und Selbstständigkeit statt der einst angepeilten und lukrativeren zweifachen Tätigkeit als Gymnasiallehrer“ und viel zu wenig Zeit für all die Dinge, die täglich in Büro, Haus, Hof und Garten zu tun sind.
Angesichts dieser Lage - „Der Garten gammelt so, den Brennesseln ist die lange vorhergesehene feindliche Übernahme geglückt, Enten und Hühner fummeln am Kohl, weil das Federvieh-Gatter lückenhaft ist [...], im Haus quietschen die Türen, im Keller liegen Mäuseleichen, für den Winter fehlt noch das Holz vor der Hütte [...] und die Kinder haben wieder tagelang nicht an ihren Musikinstrumenten geübt“ - schaut Frau Kositza gelegentlich neidisch auf die Nachbarn, die von Hartz IV leben und offenbar alle Zeit der Welt für Teleshopping, Kampfhundezucht und den Familienausflug zur Kaufhalle haben. So entwickelt sie gelegentlich die immer gleiche Idee, die Selbstständigkeit aufzugeben und mit ähnlich wenig Geld, aber wesentlich mehr Zeit ein „süßes Leben im Dienste von Kindern, Haus und Hof“ zu führen und „gelegentlich mal die dörfliche, unbeschreiblich träge Ein-Euro-Armee auf[zu]mischen“. Dieser kleine Tagtraum wird dann, kaum ausgesprochen, von ihrem Mann abrupt beendet. Bei Kubitschek, der quasi sieben Jobs gleichzeitig habe, löst diese Vision nämlich schwere Allergien mit „dunkelroten Flecken im Gesicht“ aus. Ihm gilt, vielleicht gerade deshalb - für das Festnageln im widerborstigen Leben - auch der letzte Gedanke in ihrer Dankesrede anlässlich der Verleihung des Löwenthal-Preises: „Danke also, dies abschließend, an meinen Geliebten, an meinen Lebensgefährten und Ehemann Götz Kubitschek. Ohne ihn wäre alles nichts.“