Einschüchterung von Journalisten: Neonazis ziehen durch Hannover
Diffamierung und Einschüchterung
Dem Aufmarsch war eine juristische Auseinandersetzung vorausgegangen. Die Polizei ließ die NPD-Versammlung anfangs verbieten, auch, weil ein Flyer kursierte, auf dem die Rede von Rache war. Später wurde die durch das Wort Gerechtigkeit ausgetauscht. Letztendlich hob das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht das Verbot am Freitagabend auf, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sei nicht zu erwarten. Auch der „Kern der Pressefreiheit, insbesondere die freie Berichterstattung, werde durch die Versammlung nicht berührt.“ Einer der beiden Chefs der neonazistischen Kleinpartei „Die Rechte“ Sven Skoda bezeichnete in seiner Rede Journalist*innen als „staatlich alimentierte Brunnenvergifter” und “Schädlinge”. Sebastian Weigler (JN Braunschweig) zählte Personen auf, die sich kritisch mit der extremen Rechten auseinandersetzen und drohte unverhohlen „Mein Appell an euch - lasst es verdammt noch mal bleiben“. Dazu hätte er am liebsten Bilder gezeigt, darauf habe er aber allerdings verzichtet, weil die Genannten den „Patrioten“ bekannt seien. Fachjournalisten gehen davon aus, das hinter der Kampagne gegen Medienvertreter Neonazis aus dem Kreis der JN Braunschweig stecken. Diese versucht immer wieder, mit gezielten Provokationen wie einer niedersächsischen Kundgebungstour am Geburtstags Adolf Hitlers im Vorfeld der EU-Wahlen 2019 ihre eigene marginale Rolle innerhalb und außerhalb der extrem Rechten zu überwinden. Unter den Teilnehmenden in Hannover jedoch waren lediglich 15-20 Neonazis, die der NPD/JN Niedersachsen zugerechnet werden können. Anzutreffen war jedoch Gianluca B., welcher an einem Angriff auf zwei Journalisten im April 2018 beteiligt gewesen sein soll. Auch die hiesigen NPD-Mitglieder suchte man vergeblich auf der Versammlung.Solidarität mit den Betroffenen
Viele der anwesenden Journalisten reisten in die niedersächsische Landeshauptstadt, um so ihrer Solidarität mit den namentlich genannten Medienvertretern auszudrücken. Unter ihnen waren auch Vertreter, gegen die sich namentlich die Demonstration richtete. So erklärte der Fotojournalist André Aden gegenüber der HAZ, dass er bewusst nach Hannover gekommen sei, denn es „gehe nicht nur um die zehn Namen im Aufruf zur Demo der NPD“, sondern „um alle, die in diesem Beruf arbeiten“.Bereits im Vorfeld der Versammlung erhielten die Betroffenen breite Unterstützung und zahlreiche Bekundungen der Solidarität. 450 Journalisten sowie 20 Verbände und 17 Redaktionen, darunter auch ENDSTATION RECHTS., unterzeichneten zur Veröffentlichung den Aufruf „Schutz der Pressefreiheit“, in dem auch gefordert wird, Maßnahmen zum Schutze von Medienschaffenden umzusetzen. Später schlossen sich zahlreiche weitere Medienschaffende an. Auch der neue Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay, erklärte auf der Bühne der „Bunt statt braun“-Demonstration, gegenüber den Journalisten: „Wir stehen an eurer Seite!“Sven Skoda (Die Rechte) droht, man habe die Adressen von Journalisten. ... Man werde keine Gnade kennen. #Hannover #h2311 pic.twitter.com/bcKqKR8vcn
— Arndt Ginzel (@GKDJournalisten) November 23, 2019
Kleine Erfolge des Gegenprotests
Die Demonstration der Rechten wurde von zahlreichen Protesten begleitet. Entlang der Route haben Anwohner*innen der Südstadt ihren Protest mit Parolen auf dem Boden und zahlreichen Transparenten an Hausfassaden ausgedrückt. Immer wieder gelangten NPD-Gegner*innen auf die Strecke der Neonazis und bildeten kleine Blockaden. Gleichzeitig hatten Gewerkschaften, Parteien, Verbände und zivilgesellschaftliche Organisationen unter dem Motto „Bunt statt Braun“ zum Protest gegen die NPD-Versammlung aufgerufen, an dem sich über 8.000 Menschen beteiligten.Journalisten kritisieren Polizeieinsatz
Verdi Niedersachsen kritisierte auf Twitter Teile des Polizeieinsatzes. Mehrere Journalisten berichteten, dass sie an ihrer Ausübung gehindert und regelrecht vor der Demonstration hergetrieben wurden. Besonders vor dem Hintergrund des Tages, fordert Verdi eine Aufarbeitung und Klärung. Auch Tweets der Polizei Hannover, in denen die Vermummung von Neonazis toleriert wurde, sorgten für Unverständnis.#h2311 | Update: Unsere Kollegen haben mit den vermummten Personen gesprochen, demnach diente die Vermummung nicht zur Verhinderung der Identitätsfeststellung. Es ist somit nach NVersG keine rechtliche Handhabe gegeben, da darüber hinaus keine Störungen erkennbar. https://t.co/jq3TZEyTAy
— Polizei Hannover (@Polizei_H) November 23, 2019