Einfluss des Rechtspopulismus auf die organisierte Zivilgesellschaft – ein Sammelband
Der von Wolfgang Schroeder und Markus Trömmer herausgegebene Sammelband „Rechtspopulismus, Zivilgesellschaft, Demokratie“ enthält 15 Aufsätze, die insbesondere die Einflussnahmeversuche von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus auf die organisierte Zivilgesellschaft thematisieren. Dabei stehen die Arbeitswelt und Gewerkschaften im Zentrum. Interessant sind aber auch die präsentierten Analysekriterien, die in der zukünftigen Forschung innovativ genutzt werden können.
Welchen Einfluss haben Rechtsextremismus und Rechtspopulismus auf die organisierte Zivilgesellschaft? Mit dieser Frage beschäftigte sich eine Tagung, die von einer Gruppe um den Kasseler Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder bereits 2020 organisiert wurde. Daraus sollte auch als Sammelwerk ein Tagungsband entstehen. Häufig dauert es etwas länger mit der Fertigstellung solcher Projekte. Und so war es auch in diesem Fall, erschien doch der gemeinte Band erst relativ spät danach.
Gleichwohl hat sich die Dauer für die Veröffentlichung gelohnt, wurden doch die gehalten Referate zu wissenschaftlichen Texten umgearbeitet. Sie erschienen in dem Sammelband mit „Rechtspopulismus, Zivilgesellschaft, Demokratie“ als schlichtem Titel. Und da darin einschlägige Forschungsansätze skizziert werden, handelt es sich auch nicht um ein bloßes Dokumentationsprojekt, was nicht selten der Fall bei ähnlichen Sammelwerken ist. Denn hierin finden sich Beiträge, die das extremistische Gefahrenpotential für die organisierte Zivilgesellschaft untersuchen.
Analyseraster für Einflussnahmeversuche in die Zivilgesellschaft
Dabei wurden die 15 Aufsätze in drei Kapitel aufgeteilt, die unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen. Bei den „Einführenden Überlegungen“ geht es zunächst um einen Problemaufriss, worin die relevanten Fragestellungen von den seinerzeitigen Organisatoren der Tagung skizziert werden. Dabei erfolgt auch eine Differenzierung von Extremismus und Populismus und eine von unterschiedlichen Interventionsebenen, wobei die letztgenannte Betrachtung für die kommende Forschung als nützliches Untersuchungsraster anzusehen ist.
Dem folgt von dem bekannten Bonner Parteienforscher Frank Decker ein kurzes Portrait der AfD, die sich in ihrer kurzen Geschichte in verschiedenerlei Hinsicht gewandelt hat. Und dann wird von Siri Hummel noch ein Analyseraster zur Zivilgesellschaft präsentiert, wobei etwa in „Selbstorganisation“, „Kaperung“ und „Diffamierung“ dann drei „rechte Strategien“ ausgemacht werden. Nicholas Henkel veranschaulicht dies danach, indem er die Anlehnung der Neuen Rechten an Ungarn gesondert thematisiert.
Digitale Kommunikationsstrategien als weiteres Thema
Im zweiten Teil geht es um Kommunikation und Strategien, wobei sich Felix Schilk hier mit der AfD und der Neuen Rechten beschäftigt und kommunikationswissenschaftliche Untersuchungsmethoden nutzt. Danach gehen Anna Vogel und Sebastian Schmitz auf die Twitter-Kommunikation von Rechtspopulisten und auf die humoristisch-visuellen Kommunikationspraktiken von Rechtspopulisten in der digitalen Welt ein. Erst danach geht es im dritten und umfangreichsten Teil um die organisierte Zivilgesellschaft, wobei die größte Aufmerksamkeit den Gewerkschaften gewidmet wird.
Den vergleichenden Blick auf die internationale Ebene werfen dabei Schroeder, Seongcheol Kim und Samuel Greef. Marco Jelic thematisiert die Integration durch Arbeit, Matthias Monecke die Kritik an der gewerkschaftlichen Interessenvertretung und Torben Schwuchow die hier relevante Frage nach der Würde der Arbeit. Berücksichtigt man, dass die AfD überproportional stark von Arbeitern gewählt wird, kommt diesen Erkenntnissen große Relevanz zu.
Einflusstrategien auf Gewerkschaften und Kirchen
Und dann geht es auch noch um die Kirchen als organisierte Zivilgesellschaft, wobei Hilke Rebenstrof nach der Ansprechbarkeit von Christen durch Rechtspopulismus fragt, Martha Gemmar Reaktionen auf rechtspopulistische Unterwanderungsversuche und Christina Wüstefeld die Gegenstrategen in christlichen Wohfahrtsverbänden thematisieren. Differenziert werden die Anfälligkeit von Gläubigen und die Haltung der Institution unterschieden.
Und schließlich bildet bei Gerd Bücker und Nina Reip der Sport noch ein gesondertes Thema, wobei hier für eine weiterführende Forschung jeweils Thesen vorgetragen wurden. In der Bilanz hat man es nicht mit einem Gesamtbild zum Thema zu tun. Es werden erste Forschungsergebnisse zu Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in der organisierten Zivilgesellschaft vorgestellt. Angesichts dessen politischer Bedeutung kommt eben auch den Beiträgen eine politische Bedeutung zu. Besonders beachtenswert sind darüber hinaus die präsentierten Analysekriterien zum Themenkomplex.
Wolfgang Schroeder/Markus Trömmer (Hrsg.), Rechtspopulismus, Zivilgesellschaft, Demokratie, Bonn 2021 (J. W. H. Dietz-Verlag), 330 S.