Rezension

Eine erste Geschichte der AfD – aus journalistischer Sicht

Die Journalistin Eva Kienholz legt „Eine kurze Geschichte der AfD. Von der Eurokritik zum Remigrationsskandal“ vor. Damit hat man es mit einer ersten Geschichte als Monographie in diesem Sinne zu tun. Anschaulich beschreibt die Autorin die Radikalisierung der Partei.

Mittwoch, 02. Oktober 2024
Armin Pfahl-Traughber
AfD

Es gibt über die AfD mittlerweile viele Bücher, aber noch keine Geschichte dieser Partei. Eine solche Darstellung legt jetzt eine Journalistin vor: Eva Kienholz. Ihr Buch trägt „Eine kurze Geschichte der AfD. Von der Eurokritik zum Remigrationsskandal“ als Titel. Behandelt wird die zehnjährige Existenz der Partei, wobei insbesondere die Umbrüche im Zentrum stehen. Gründe für eine solche Publikation gibt es viele.

Die Autorin bemerkt gleich zu Beginn: „Fest steht, dass die selbst ernannte Alternative die erste extrem rechte Partei seit dem zweiten Weltkrieg ist, die es in Deutschland nachhaltig in die Parlamente geschafft hat“. Die Einordnung als „extrem rechte Partei“ wird indessen nicht genauer begründet, geht es doch in dem Buch eher um eine journalistische Beschreibung der Entwicklung. Dabei steht aber eben die Entwicklung einer Radikalisierung im Zentrum. Kienholz macht das an den jeweiligen Parteivorsitzenden fest. So wurden auch die Betitelungen der Kapitel vorgenommen: jeweils mit Bezügen auf „Lucke“, „Petry“, „Meuthen“, „Chrupalla“ und „Weidel“.

Zwei Linien in der Partei

Dafür gibt es gute Gründe, lassen sich doch so die Tendenzen gut erkennen. Die Autorin stellt bei dem auch auf einen innerparteilichen Konflikt ab: „Einige in der Partei wollen sie immer weiter nach rechts treiben … Andere träumen von einer … gemäßigten Kraft …“. Letztere verloren aber die Auseinandersetzung, wobei sie dafür selbst Verantwortung trugen. Dies macht der kritische Blick zurück deutlich, den Kienholz präsentiert. Die einzelnen Kapitel sind beschreibend angelegt, eingestreut werden gleichwohl Kommentare.

Dies geschieht aber nicht in begründeter Form, geht es hier doch nicht um eine wissenschaftliche Studie. Gleichwohl überzeugt die Autorin mit ihrer Faktenpräsentation. Sie idealisiert dabei auch nicht Bernd Lucke als Parteigründer, was gelegentlich in Darstellungen zum Thema geschieht. Kienholz weist berechtigt darauf hin, dass Lucke vieles letztendlich doch hat laufen lassen. Er passte sich mitunter auch an die Entwicklung an und leugnete öffentlich die einschlägigen Probleme. Gleichwohl wollte er noch eine andere AfD.

Der „Flügel“ im Siegeszug

Dem entgegen wirkten die Anhänger des „Flügel“, der informell heute noch eben als „rechter Flügel“ besteht und wirkt. Dessen Förderung auch von außen, etwa durch die Neue Rechte, ist ebenfalls hier ein Thema. Und dann folgt die Autorin der historisch-politischen Chronologie, häufig fixiert auf einzelne Personen. So findet man in der Darstellung immer wieder kurze biographische Portraits der wichtigen Protagonisten. Viele durch die mediale Berichterstattung bekannte einzelne Fakten werden vorgetragen.

Dies geschieht in gut durchstrukturierten Kapiteln, womit man es auch mit einem kleinen Nachschlagewerk zu tun hat. Es gibt auch die einschlägigen Belege dazu, dann allerdings in einen Anhang verbannt. Indessen hätte die Autorin auch intensiver auf inhaltliche Positionierungen eingehen können. Dafür präsentiert sie aber interessante Details zu Kontakten. So erinnert etwa der Abschnitt „Friede mit Russland“ an einschlägige Verbindungen, die auch „ideologische Anknüpfungspunkte“ haben, wie Kienholz überzeugend herausarbeitet.

Mäßigungsversuche und deren Scheitern

Das Buch endet mit folgender treffenden Einschätzung: „Ob Lucke, Petry oder Meuthen: Sie alle sind mit dem Versuch gescheitert, die AfD als bürgerlich-nationalkonservative Kraft rechts von der CDU zu positionieren. Sie alle hatten jahrelang das Spiel der Radikalen mitgespielt und sie für ihre eigenen Machtinteressen einzuspannen versucht, nur um dann von ihnen aus der Partei gejagt zu werden“. Treffender kann man die AfD der Gegenwart diesbezüglich kaum bewerten.

Dem Buch mögen Erörterungen zum Parteientypus und der Wählerentwicklung fehlen. Dazu bedarf es aber auch der Erinnerung daran, dass es um ein journalistisches Werk geht. Als solches kann es als gelungene Darstellung zur Partei gelten. Ein Einwand muss aber noch zum Schluss formuliert werden: Das letzte Kapitel ist mit „Eine Partei paktiert offen mit Rechtsextremen“ überschrieben. Hier muss die Frage erlaubt sein: Warum verwundert dies? Die AfD ist schon längst selbst zu einer rechtsextremistischen Partei geworden, da ist eine solche Kooperation eine Normalität.

Eva Kienholz, Eine kurze Geschichte der AfD. Von der Eurokritik zum Remigrationsskandal, Hamburg 2024 (Rowohlt-Verlag), 271 Seiten, 18 Euro

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