Kommentar

Ein AfD-Bundestagsvizepräsidentschaftskandidat kann, muss aber nicht gewählt werden

Die AfD könnte nach der Bundestagsgeschäftsordnung einen Vizepräsidenten stellen, nur müsste ein solcher Kandidat eine Mehrheit von Stimmen auf sich vereinigen. Andere Bundestagsabgeordnete können aber schwerlich zu einem solchen Votum gezwungen werden, was in der Debatte dazu häufig ignoriert wird – nicht nur von den Anhängern der Partei. 

Montag, 07. April 2025
Armin Pfahl-Traughber
"Kein Kreuz der AfD" - Kampagne zur Landtagswahl in Bayern
"Kein Kreuz der AfD" - Kampagne zur Landtagswahl in Bayern

Können oder sollen Bundestagsabgeordnete gezwungen werden, einen AfD-Vizepräsidentschaftskandidaten zu wählen? Angesicht von Aussagen, die nicht nur von den Anhängern dieser Partei getätigt werden, stellt sich diese Frage. Worum geht es bei der ganzen Angelegenheit? Bekanntlich stellt die AfD seit 2017 regelmäßig Kandidaten auf, die für  das Amt des Bundestagsvizepräsidenten kandidieren. Bislang konnte aber keiner der Bewerber eine Mehrheit für sich gewinnen. 

Offenkundig votierten die anderen Abgeordneten somit nicht nur gegen ein besonderes Individuum, sondern gegen die von diesem für diese Funktion vorgesehene Partei. Dieses Agieren wird von ihr kontinuierlich verurteilt, sei es doch ein undemokratischer Akt. Denn man habe ein Anrecht auf einen solchen Posten, wobei auf eine entsprechende Aussage in der Geschäftsordnung verwiesen wurde. Immerhin habe die AfD bei den letzten Bundestagswahlen von jedem Fünften die Stimme erhalten, außerdem sei man die größte Oppositionspartei im Parlament. 

Zwei Aussagen in der Bundestagssgeschäftsordnung

Eine derartige Argumentation tragen auch die für die Partei tätigen juristischen Vertreter vor. Insbesondere Dietrich Murswiek, ein früherer Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, äußert sich in einem solchen Sinne. Er vertrat die AfD vor Gericht, außerdem ist er häufiger Autor in der AfD-nahen „Jungen Freiheit“.

Nach seiner Auffassung müsse laut Bundestagsgeschäftsordnung jede Fraktion im Parlament mindestens durch einen Vizepräsidenten repräsentiert werden. Dafür kann auf berechtigt auf den dortigen § 2 verwiesen werden, wobei dieser Paragraf hier inhaltlich eindeutig ist. Damit stellt sich tatsächlich die Frage, ob die AfD benachteiligt wird. 

Indessen verhält es sich bei der Angelegenheit doch etwas komplizierter, was in der Regel nicht genügend berücksichtigt wird. Der jeweilige Kandidat muss mehrheitlich von den anderen Parlamentariern gewählt werden. Auch dieser Aspekt ist in der Geschäftsordnung in dem Paragrafen festgelegt. Doch wie steht es dann in Fällen, wobei es ein formales Anrecht gibt, aber eine Mehrheit nicht vorhanden ist? Bei dieser Frage hat man es mit einer solchen Situation zu tun.

Abgeordnete können schwerlich zu Abstimmungen gezwungen werden

Bei der seinerzeitigen Abfassung dieser Geschäftsordnung fiel diese reale Problematik nicht auf. Insofern ist die entsprechende Bestimmung in den konkreten Folgen nicht widerspruchsfrei, was aber in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte zuvor kein relevantes Thema war.

Mitunter wurden frühere Abgeordnete der „Partei des Demokratischen Sozialismus“ (PDS), also der heutigen Partei „Die Linke“, auch nicht direkt zum Parlamentsvizepräsidenten gewählt. Dafür gelang dann anderen oder den gleichen Bewerbern dieser Erfolg etwas später. 
 

Angesichts einer seit 2017 gegenüber den AfD-Kandidaten anderen Tradition handelt es sich indessen um eine rigidere Verhaltensweise. Wie kann man aber das Dilemma unter diesen Gegebenheiten auflösen?

Gar nicht, lautet die Antwort auf diese Frage. Denn hier müssten die anderen Bundestagsabgeordneten zugunsten des Kandidaten votieren, was aber offenkundig hinsichtlich dieser Partei nicht deren politischem Willen entspricht. Kann man aber die Abgeordneten dazu zwingen?

Die AfD müsste sich wohl selbst grundlegend ändern

Das wäre aus Gründen, die hier nicht aufgelistet werden müssen, eine unrealistische Vorstellung. Die AfD sollte indessen auch bekunden, wie sie sich ansonsten einen solchen Wahlakt vorstellt. Aktuell erhalten ihre Kandidaten keine Mehrheit, dann bekommt die Partei auch keinen Vizepräsidentschaftsposten. Es bliebe der Appell an die anderen Bundestagsabgeordneten, hier hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens eine Veränderung vorzunehmen. 

Angesichts der extremistischen Ausrichtung der Partei und deren kontinuierlichen Radikalisierungstendenzen dürfte dies eher unwahrscheinlich sein. Auch sprechen konkrete Erfahrungen gegen eine solche Option, wofür der AfD-Alterspräsident im Landtag von Thüringen exemplarisch steht, ein abschreckendes Beispiel von Parlamentsmissachtung. Letztendlich hat die AfD das Anliegen selbst in der Hand, wäre ein Demokratisierungsprozess in der Partei erkennbar, könnte es auch etwas mit der Funktion eines Vizepräsidenten werden. Die AfD beschreitet aber schon länger einen anderen Weg.

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