In eigener Sache: AfD-„Flügel“-Anhänger scheitern vor dem Landgericht Schwerin

Veranstaltungen des rechtsextremen „Flügels“ der AfD, mittlerweile formal aufgelöst, fanden in den vergangenen Jahren mehrfach statt, lediglich in Mecklenburg-Vorpommern war es bis Ende 2019 zu keinem offiziellen Treffen der AfD-Gruppierung gekommen. Für den 23. November wurde schließlich zum „1. Flügelfest“ nach Binz geladen. Auf Rügen versammelten sich schließlich über 100 Flügel-Anhänger, immerhin wurden mit Björn Höcke und Andreas Kalbitz die beiden Haupt-Protagonisten als Redner angekündigt. Zwar wurde die Veranstaltung im Arkona Strandhotel öffentlich beworben, vor Ort legte die AfD aber viel Wert auf Abschottung. Sichtschutz und zugezogene Vorhänge verdeutlichten schnell: Man wollte unter sich bleiben. Medienvertretern wurde der Zugang verwehrt.
Abmahnungen nach Berichterstattung
endstation-rechts.de berichtete vom „Flügeltreffen“ in Wort und
Bild. Parallel fand eine Gegendemonstration mit mehreren Hundert Teilnehmern statt. Wenige Tage später flatterte dann allerdings eine Abmahnung inklusive Unterlassungserklärung in den ENDSTATION-RECHTS-Postkasten. Tätig wurde in dem Fall Christoph Grimm, der nicht nur als Anwalt praktiziert, sondern auch Landtagsabgeordneter der AfD ist. Und wie es der Zufall so will, selbst beim „Flügeltreffen“ war, wie auch ein Foto belegt, das ihn zusammen mit René Kruschewski zeigt. Bei dem Mann handelt es sich um den AfD-Kreisvorsitzenden des Verbandes Vorpommern-Rügen, also jener Region, in der auch das sogenannte „Flügelfest“ stattfand. Neben Kruschewski vertrat Grimm auch die weitere Mandantin K. – in beiden Abmahnungen ging es um eine vermeintliche Persönlichkeitsverletzung durch Fotoaufnahmen, die größtenteils auf dem Parkplatz des Veranstaltungsortes aufgenommen worden waren. Anwalt Grimm forderte im Auftrag seiner Mandanten, die beiden Fotos unverzüglich zu löschen.
Laut Gericht Transparenz bei politischer Willensbildung nötig
Zudem wurden Strafanzeigen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kunsturheberrechtsgesetz erstattet und Strafanträge gestellt, woraufhin Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Zur Zeit der juristischen Auseinandersetzung fand eine breite öffentliche Debatte über den „Flügel“ statt, der vom Verfassungsschutz wenige Monate später als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wurde. Dementsprechend wollte ENDSTATION RECHTS. (ER) mit der Berichterstattung zur transparenten Aufklärung über die „Flügel“-Aktivitäten beitragen. Aus rechtlicher Perspektive sah der ER-Rechtsbeistand in den Fotos Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, deren Veröffentlichung durch das Kunsturhebergesetz gedeckt sei. Das deckte sich mit der Einschätzung der Richterin am Amtsgericht Schwerin, der erste Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde zurückgewiesen. „Die Mitwirkung an der politischen Willensbildung setzt auch Transparenz im Hinblick auf die eigene politische Ausrichtung voraus“, hieß es in der Urteilsbegründung. Diese gelte „erst recht“ für René Kruschewski, da dieser AfD-Kreisvorsitzender sei.
Landgericht bestätigt Urteil
Mit dem Urteil wollten sich die beiden AfD-Mitglieder jedoch nicht zufriedengeben und legten Berufung ein. Der Fall landete vor dem Landgericht Schwerin. Nach der mündlichen Verhandlung im Januar wurde Mitte Februar dann das Urteil verkündet: Auch die Berufung wurde zurückgewiesen. „Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Löschung noch auf Unkenntlichmachung seiner Person“, heißt es in der Urteilsbegründung. „Den rechtlichen Rahmen für die Beurteilung des Begehrens des Klägers“, heißt es weiter, würden „abweichend von der Rechtsauffassung des Amtsgerichts allein die Vorschriften der EU-Datenschutzgrundverordnung“ bilden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten sei rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich wäre. Das sei „ohne Weiteres anzunehmen.“
„Informationsinteresse selbst potentieller AfD-Wähler“
Im Gesamtkontext über den Ablauf des „Flügelfestes" in Binz sei die Veröffentlichung der Fotos als Teil einer Bildberichtserstattung erforderlich. Ein berechtigtes Interesse sei zudem vorhanden, „wenn die verschiedenen Protagonisten aus Kommunal- und Landespolitik einer staatsfeindlichen Gruppierung i. S. d. Bewertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz nahe stehen.“ Es läge im „Informationsinteresse selbst potentieller AfD-Wähler“, welche „Repräsentanten der AfD einer gesichert rechtsextremistischen Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ nahestünden und somit „als nicht demokratisch wählbar erscheinen.“ Beide Urteile sind rechtskräftig, die Kläger der AfD haben die Kosten zu tragen. Die Ermittlungsverfahren wurden bereits zuvor mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.