Ehemalige Szenegröße als Brandstifter?

30 Jahre nach dem tödlichen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft im saarländischen Saarlouis steht ein damals szenebekannter Neonazi im Visier der Behörden.

Dienstag, 02. Februar 2021
Anton Maegerle

27 Jahre war der 1964 in Ghana geborene Samuel Yeboah alt, als er am 19. September 1991 an den Folgen eines Brandanschlags auf das als Flüchtlingsheim genutzte ehemalige Gasthaus "Weißes Rößl" in der Saarlouiser Straße 53 in Saarlouis-Fraulautern starb. Mitten in der Nacht wurde ein Brandsatz in die Unterkunft geworfen. Zwei Personen wurden schwer verletzt, als sie aus den Fenstern sprangen, um sich zu retten. Yeboah starb Stunden später im Krankenhaus. Der Brandanschlag war bereits der fünfte Angriff auf Flüchtlingsunterkünfte in Saarlouis seit 1987. Im Umfeld des Tatorts hatte es weder ein Bekennerschreiben, noch rechtsextreme Schmierereien gegeben.

Elf Monate später wurden von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken die Ermittlungen eingestellt. Die Tat wurde zunächst nicht als rechtsextrem eingestuft. Die Bundesregierung korrigierte diese Einschätzung später. Im Sommer 2020 wurde im saarländischen Landespolizeipräsidium eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die mögliche Fehler bei den Ermittlungen aufklären sollte.

Vorwurf: Mord, versuchter Mord sowie Brandstiftung mit Todesfolge

"Aufgrund neuer Hinweise und wiederaufgenommener intensiver Ermittlungen wird zwischenzeitlich von einer rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen Tat ausgegangen. Das Verbrechen reiht sich ein in eine Serie von Brand- und Sprengstoffanschlägen auf Asylbewerberunterkünfte Anfang der 90er Jahre im Raum Saarlouis", teilte die Polizei mit. Eine 18-köpfige Sonderkommission rollte den Fall neu auf. Das Verfahren wurde an die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe übergeben.

Am 28. Januar durchsuchten Ermittler die Wohnung und den Arbeitsplatz des mutmaßlichen Täters Peter Werner S. (Jg. 1971). S. wird Mord, versuchter Mord in 18 Fällen sowie Brandstiftung mit Todesfolge vorgeworfen. Der Verdächtige ist weiter auf freiem Fuß, da laut Bundesanwaltschaft kein "dringender Tatverdacht" bestehe und kein Haftbefehl erlassen wurde.

Auf Demo mit NSU-Terroristen

S. zählte in den Jahren von 1990 bis September 1997 gemeinsam mit Peter S. zu den Führungspersonen der Neonazi-Szene in Saarlouis. Mehrfach war er bei Demonstrationen als Ordner eingesetzt. Am 9. Oktober 1992 soll er an einem Übergriff von zwölf Neonazis auf einen Studenten in Saarbrücken beteiligt gewesen sein.

Am 17. August 1996 nahm S. am Rudolf-Heß-Gedenkmarsch im rheinland-pfälzischen Worms teil. 200 Neonazis marschierten damals unter Führung des späteren NPD-Vorsitzenden Holger Apfel durch die Innenstadt. Zu den von der Polizei namentlich erfassten Neonazis gehörten auch die späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sowie deren Gesinnungskameraden Ralf Wohlleben, Holger Gerlach und Tino Brandt.

Kooperation mit der Polizei?

Zugegen waren S. und S. auch bei einer spontanen Neonazi-Demonstration am 1. Mai 1997 im hessischen Alsfeld. 120 Neonazis zogen brüllend durch die Innenstadt. Wenige Wochen später soll S. gegenüber der Polizei Angaben über Gleichgesinnte gemacht haben und aus der Szene in Saarlouis offenbar ausgeschlossen worden sein.

Weiterhin unaufgeklärt ist im Saarland ein weiterer Vorgang, den vermutlich auch Rechtsextremisten begangen haben: Am 9. März 1999 wurde mit Hexogen, einem militärischen Sprengstoff, ein Anschlag auf die Wanderausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“ in Saarbrücken verübt. Der an einer frei zugänglichen Außenmauer angebrachte Sprengsatz richtete am Ausstellungsgebäude und einer nahegelegenen Kirche erheblichen Sachschaden in Höhe von rund 255.000 Euro an. Trotz eines anonymen Bekennerbriefes konnte die Polizei die Täter nicht stellen.

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