„Vereinte Patrioten“

Ehemalige Lehrerin als mutmaßliche Rechtsterroristin festgenommen

Eine ehemalige Lehrerin und evangelische Theologin soll als Kopf einer rechtsterroristischen Gruppe die Entführung von Karl Lauterbach und den Sturz des Staates geplant haben. Gestern ist sie festgenommen worden.

Freitag, 14. Oktober 2022
Sebastian Lipp
Die Gruppe hätte laut Bundesanwaltschaft auch die Entführung von Karl Lauterbach geplant, Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Die Gruppe hätte laut Bundesanwaltschaft auch die Entführung von Karl Lauterbach geplant, Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Sie soll die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und terroristische Aktionen zum Sturz der Regierung zugunsten eines autoritären Deutschen Reichs geplant haben: Die Bundesanwaltschaft hat am Donnerstag die ehemalige Lehrerin und evangelische Theologin Elisabeth R. als mutmaßliche Rechtsterroristin in Flöha im Landkreis Mittelsachsen festnehmen lassen und dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt. Zudem erfolgten Durchsuchungsmaßnahmen bei der Beschuldigten sowie einer nicht beschuldigten Person. Die 75-Jährige ist laut Generalbundesanwalt dringend verdächtig, sich als Rädelsführerin an einer terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben. Zudem wirft ihr die Behörde „mittäterschaftliche Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund“ vor.

Elisabeth R. verfolgt nach Angaben der Strafverfolgungsbehörde „eine Ideologie, nach der die auf dem Grundgesetz beruhende staatliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland keine Geltung beanspruchen könne.“ Vielmehr existiere das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter. Deshalb sei die Bundesrepublik Deutschland mittels einer „konstituierenden Versammlung“ in ein autoritär geprägtes Regierungssystem zu überführen.

Von Antisemitismus und Reichsbürger-Ideologie zu Bürgerkrieg und Terrorismus

Tatsächlich bezeichnet sich die ehemalige Theologie-Professorin als „Nachfahre“ von „Wilhelm Imperator Rex“, des antisemitischen letzten Deutschen Kaiser und König von Preußen, Wilhelm II. In Schreiben des selbsternannten „Bundesstaat Königreich Preußen - Präsidialstaat Deutsches Reich“ des im März verstorbenen rechtsradikalen Publizisten, Antisemiten und Holocaustleugner Rigolf Hennig trat Elisabeth R. als Unterzeichnerin auf. Darin unterbreitet sie verschiedenen Regierungen neben kruden Thesen zur Staatlichkeit der BRD und der Weiterexistenz des Deutschen Reiches antisemitische Thesen. Etwa, dass ein „Weltjudentum“ den Deutschen den „Krieg bzw. ihre Vernichtung erklärt“ hätte und so für die Weltkriege verantwortlich sei. Freilich seien sie auch Schuld an „der weltweiten Pandemie zwecks Vernichtung aller Nichtjuden als Nichtmenschen.“ Es ist der klassische antisemitische Weltverschwörungsmythos, den Elisabeth R. hier noch Mitte 2021 an Regierungen auf der ganzen Welt sandte, um diese zum Eingreifen gegen die Bundesrepublik zu bewegen.

Offenkundig ist das nicht passiert. So hatte sich die ehemalige Lehrerin spätestens im Januar 2022 zur Verwirklichung dieser Ziele den „Vereinten Patrioten“ angeschlossen, denen auch Thomas O., Sven B., Michael H. und Thomas K. angehörten, die bereits am 13. April festgenommen worden waren. Damals durchsuchten Ermittler*innen insgesamt 20 Objekte in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, und Thüringen.

„Wir wollen dieses System weghaben!“

Kurz darauf übernahm der Generalbundesanwalt die Ermittlungen. Zur Umsetzung ihrer Ziele suchten Thomas O. und Sven B. in verschiedenen Telegram-Chatgruppen ab September 2021 nach Gleichgesinnten und gewannen so auch die weiteren Beschuldigten für ihre Idee. Zudem versuchten Thomas O. und Sven B., Waffen und Sprengstoff für die Vereinigung zu beschaffen. Thomas K. stellte eine Beteiligung an der Umsetzung des Vereinigungsziels mit eigenen Schusswaffen in Aussicht. Michael H. war insbesondere in die Beschaffung von Finanzmitteln eingebunden.

Die „Vereinten Patrioten“ hatten es sich zum Ziel gesetzt, in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen und damit letztlich den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen. Hierzu war laut Ermittlungen geplant, einen bundesweiten „Blackout“ durch Beschädigung oder Zerstörung von Einrichtungen zur Stromversorgung herbeizuführen. Überdies sollte der amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach, gegebenenfalls unter Tötung seiner Personenschützer, gewaltsam entführt werden. Sven B. soll während einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen im März 2021 vor laufender Kamera gesagt haben: „Wir wollen dieses System weghaben!“ Bei dem Berliner fanden die Ermittler*innen unter anderem eine Kalaschnikow; bei einem Beschuldigten aus dem niederbayerischen Kreis Landshut ein „regelrechtes Waffenlager“, so die Staatsanwaltschaft.

75-jährige Theologin für Waffenbeschaffung und Rekrutierung zuständig

Wie die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft ergaben, unterhielt die Vereinigung einen operativen „militärischen“ und einen „administrativen“ Zweig. Elisabeth R. war im administrativen Teil aktiv. Dort nahm sie eine übergeordnete Stellung ein und machte Vorgaben, um die Pläne der Gruppierung voranzutreiben und zu koordinieren. Sie war in Bemühungen insbesondere von Thomas O. und Sven B. eingebunden, Waffen und Sprengstoff für die Vereinigung zu beschaffen. Wiederholt forderte sie zudem eine rasche Umsetzung des Vorhabens ein und äußerte diesbezüglich konkrete Terminvorstellungen. Zugleich war die Beschuldigte mit der Rekrutierung Gleichgesinnter befasst und führte auch selbst Gespräche zur Anwerbung weiterer Mitglieder. Die 75-Jährige habe außerdem diverse Schriftstücke verfasst, die bei den geplanten Aktionen Verwendung finden sollten.

Bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand im Jahr 2006 stand Elisabeth R. als Lehrerin im Dienst des Landes Rehinland-Pfalz. Ab etwa 2016 fiel sie dann mit ihren Reichsbürger-Aktivitäten und der Veröffentlichung entsprechender Bücher auf. Deshalb wurde ihr das Ruhegehalt aberkannt. Zwar ging die 75-Jährige dagegen vor, doch das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Aberkennung schließlich im März 2022. Elisabeth R. behauptete zu ihrer Verteidigung, sie habe die ihr vorgehaltenen Äußerungen als Wissenschaftlerin und „kritische Demokratin“ getätigt.

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