Dunkle Schatten
Die Übergangsregierung in der Ukraine sollte das Land befrieden und einen. Das ist bisher nicht gelungen. Einer der Gründe: Der Regierung gehören Mitglieder zweier nationalistischer Parteien an.
Wer sind die politischen und ökonomischen Strippenzieher in der Ukraine? Das Land hängt in einem steilen Abgrund und wird sich alleine nicht mehr retten können. Das ist der entscheidende Grund, warum seit einigen Tagen die ehemaligen Oppositionsparteien in Kiew und die Oligarchen aus der Ostukraine enger zusammengerückt sind. Sie arbeiten zusammen, teilen die Macht untereinander auf und schließen andere aus. Ausgeschlossen werden besonders die zivilen Demonstranten vom Maidan und auch die Partei von Vitali Klitschko.
Nicht ausgeschlossen wird die rechtsextreme Swoboda-Partei mit ihrem Vorsitzenden Oleg Tjagnibok. Der Parteichef ist Jurist und Mediziner. Im Oktober 2012 holte er mit seiner rechten Gruppierung 10,4 Prozent der Stimmen. Im Wahlkampf hetzten er und seine Funktionäre gegen Roma und Juden, gegen Homosexuelle und Russen. „Schnappt Euch die Gewehre, bekämpft die Russen-Säue, die Deutschen, die Judenschweine und andere Unarten,“ denunzierte Tjagnibok, über dessen Partei das EU-Parlament in einer Resolution nach der Wahl in der Ukraine festhielt: In ihr würden „rassistische, antisemitische und ausländerfeindliche Auffassungen“ verbreitet.
Die Swoboda-Partei hat in der Übergangsregierung der nationalen Einheit unter anderem die Posten des Generalstaatsanwalts sowie des Vizeregierungschefs besetzt. Es werden ihr sehr gute Kontakte zur NPD nachgesagt. Vertreter ihrer Fraktion im Kiewer Parlament besuchten im vergangenen Jahr die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag.
Paramilitärische Einheit auf dem Maidan
Die zweite rechtsextreme Partei in der Übergangsregierung heißt „Prawy Sektor“ (Rechter Sektor). Dimitri Jarosch ist ihr Vorsitzender. Kurz geschorene, leicht ergraute Haare, eine kompakte Erscheinung, mehr ein Kommandeur als ein Vorsitzender seiner Partei, die eher ein Zusammenschluss von neofaschistischen und rechtsradikalen Gruppen ist. Sehr gefährlich, ausgerüstet mit Schusswaffen: „Es sind genug, um das ganze Land zu verteidigen“, sagte Jarosch während der monatelangen Proteste auf dem Maidan in Kiew.
Der 42-Jährige aus der Stadt Dnjeprodserschinsk führt eine paramilitärische Einheit, die sich auf dem Maidan Selbstverteidigungskraft nannte. Einige hundert ihrer Kämpfer agierten ganz vorne während der Demonstrationen in Tarnfleckenuniformen mit Skimasken oder Helmen. Alle bewaffnet. Die meisten von ihnen mit Gesichtsmasken. Jarosch ist Philologe und sieht sich wie seine Kämpfer in der Tradition jener ukrainischen Partisanen, die im Zweiten Weltkrieg gegen die Bolschewisten wie auch gegen die Wehrmacht gekämpft haben. Demokratische Werte lehnen die Angehörigen dieser Formation ab. Dimitri Jarosch ist in der Übergangsregierung Vizechef des Nationalen Sicherheitsrates. Sein Vorgesetzter und Chef dieses Gremiums ist Andrej Parubi und der ist Mitglied von Swoboda, sogar einer deren Gründungsmitglieder.
Kabinettsposten für mindestens sechs Rechtsnationale
In diesem Zusammenhang: Die UDAR-Partei von Vitali Klitschko und die Vaterlands-Partei von Julia Timoschenko haben mit der Swoboda-Partei von Oleg Tjagnibok ein Bündnis für die Wahl im Mai geschlossen. Julia Timoschenko hat ihre wichtigsten beiden Männer an die Spitze des Staates geschickt: Den Parlamentschef und amtierenden Präsidenten Alexander Turtschinow sowie Premierminister Jazenjuk. Die UDAR ging bei der Regierungsbildung leer aus. Vertreter der südlichen Regionen um Odessa und der Krim gehören der neuen Regierung nicht an.
Politiker aus dem Osten ebenfalls nicht. Mindestens sechs Rechtsnationale haben Kabinettsposten erhalten. Der Wirtschaftsminister und Ökonom, Pawlo Scheremeta, wurde von dem Maidan-Rat ins Kabinett delegiert, das unter einem Übergangspräsidenten dient, der mehr Macht als Viktor Janukowitsch ausübt.
Und die Oligarchen aus der Donbass-Region? Sie haben sich mit den in der Hauptstadt-Regierenden arrangiert. Zwei von ihnen, Sergej Taruta in Donezk und Igor Kolomoiskij in Dnjepropetrowsk, wurden zu Gouverneuren ernannt. Offenbar nicht ohne die Zustimmung des Ober-Oligarchen und reichsten Mannes der Ukraine, Rinat Achmetow. Keiner dieser auch umstrittenen Männer will ein Auseinanderfallen der Ukraine und schon gar keinen Anschluss an das Russland von Wladimir Putin.
Der Text erscheint mit freundlicher Genehmigung von vorwärts.de