Dubioser „Charityabend“ mit der AfD
Mitte Juni hat sich ein exklusiver Kreis um den AfD-Vize Alexander Gauland im Schloss eines ehemaligen Pastörs-Intimus getroffen.
Die Wachmänner passten nicht ins Dorfbild, sie trugen Barett und dunkle Uniform. Eilig öffneten sie die eisernen Tore, um eine große Limousine auf das Grundstück fahren zu lassen. Der Wagen verschwand hinter Bäumen. Die Tore wurden sofort wieder geschlossen. Zwei riesige Deutschlandfahnen wehten am Portal des verklinkerten Schlosses in Jessenitz bei Lübtheen. Das gelbe Herrenhaus im Neorenaissancestil war bis 1945 im Besitz des Reichsarbeitsdienstes. Seit Ende der 1990er Jahre gehört es dem umtriebigen Geschäftsmann Philip Steinbeck, der aus Hamburg stammt.
Das Meeting am 11. Juni im Schloss schien gut abgeschirmt. Nur der vorne im Hof abgestellte leuchtend blaue Pickup mit seiner großflächigen Werbung wies auf die „Alternative für Deutschland“ hin. Wenige Stunden nach einer offiziellen Veranstaltung der AfD in Schwerin trafen sich einige Auserwählte zu einem „Charityabend“ mit Stargast Alexander Gauland in Jessenitz. Unter Mitwirkung des Schlossherren Philip Steinbeck und dessen Gattin seien „zukunftsweisende Gespräche in entspannter Atmosphäre geführt und Spenden gesammelt worden, heißt es bei Facebook.
Finanzierung des AfD-Landtagswahlkampfs
Am Treffen um den runden Tisch im Schlosssaal von Jessenitz beteiligten sich auch Unternehmer aus der Region. Die Finanzierung des Landtagswahlkampfs der „Alternative für Deutschland“ in Mecklenburg-Vorpommern soll stehen, heißt es. Die Kassen scheinen gut gefüllt. Doch die AfD hat ehrgeizige Ziele, will stärkste Partei im Bundesland werden. Rund 270 000 Euro soll das Budget bisher umfassen. Intern war von 26 „Förderern“, die dem Landesverband beistehen, die Rede.
Dass einige der Sponsoren lieber im Hintergrund bleiben, dürfte politische Gründe haben. Denn ihr politischer Background könnte der Rechtspartei Schwierigkeiten bereiten.
Exportunternehmer Philip Steinbeck bewegt sich seit langem im extrem rechten Parteiumfeld, galt lange auch als NPD-nah. Zunächst war der ehemalige Jurastudent Anfang der 1990er Jahre in der Fraktion der rechtsextremen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ im Kieler Landtag tätig. Er hegte Kontakte zu dem 2009 verstorbenen früheren Hamburger NPD-Chef Jürgen Rieger und beschäftigte Thomas „Steiner“ Wulff zeitweilig als Fahrer in einer seiner Firmen. Danach schien Steinbeck ebenso wie Christian Worch zur DVU zu tendieren. Später zog es ihn nach Lübtheen.
Drahtzieher im Hintergrund
Die Öffentlichkeit wurde auf den inzwischen 51-Jährigen seit etwa 2005 aufmerksam, als er zunächst begann, Schlösser und danach bevorzugt Immobilien wie das Lübtheener „Volkshaus“ zu erwerben. Ebenso wie Udo Pastörs und weitere Rechtsextremisten zählte der Jessenitzer zu den Mitgliedern der Lübtheener Bürgerinitiative „Braunkohle Nein“. Steinbeck hatte Anteile an einer Bauberatungsfirma an den Schweriner NPD-Fraktionschef Pastörs abgetreten. Insider berichteten vom engen Umgang der beiden Männer, deren herrschaftliche Anwesen in unmittelbarer Nähe liegen. Inzwischen gehen sie getrennter Wege.
Seit Jahren gilt der Waffenliebhaber Steinbeck als ein Drahtzieher im Hintergrund. Ältere Fotos zeigen ihn im Anzug in einer Wüste. Er steht neben Arabern, einmal schießt er scheinbar routiniert mit einem Schnellfeuergewehr.
Seit längerem wird Steinbeck ebenso wie sein Freund Björn J. Neumann in der AfD verortet. Beim „Charity“-Event in Jessenitz zeigte sich Neumann an der Seite von Alexander Gauland. Noch vertrauter scheint der Hanseat mit dem österreichischen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer von der FPÖ, den er im Mai besuchte. In der Vergangenheit kandidierte der Anzugliebhaber für die NPD. 2011 beteiligte er sich mit anderen Rechtsextremisten am Bremer Wahlkampf. Neumann pflegt seine Freundschaften zu NPD-Aktivisten, machte mehrmals Urlaub beim ehemaligen NPD-Chef Holger Apfel auf Mallorca oder bewirbt die Vorträge der ultrarechten „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ (SWG). Nach eigenem Bekunden nahm Neumann 2015 an einem Sommerfest der NPD in Berlin-Köpenick teil, mit dem Liedermacher Frank Rennicke feierte der Hamburger bis spät in die Nacht. Unter der Führung von Bernd Lucke soll ein Ausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet worden sein. Doch das scheint im Sande verlaufen.
Leitender Polizeibeamter mit dabei
Nur wenige als gemäßigt geltende AfD-Spitzenleute aus Mecklenburg beteiligten sich am so genannten „Charityabend“ im Jessenitzer Schloss. Anwesend waren der zu einer Geldstrafe verurteilte Landesvorsitzende der Jungen Alternative, Robert Schnell, und der Wismarer AfDler Jens Schneider, der sich in der Vergangenheit bei NPD-nahen Demonstrationen zeigte und am Flügel-Treffen von Björn Höcke auf dem Kyffhäuser teilnahm. Mit dabei war auch Ulf-Theodor C. Der AfD-Wahlkampfhelfer und -Referent ist leitender Polizeibeamter. Im März 2016 wurde er in erster Instanz wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 7700 Euro verurteilt. Der hochrangige Beamte hatte 2014 an einem Infostand der AfD zwei Jugendliche, die Konfetti warfen, mit Reizgas besprüht. Er verletzte sie und bei einem anderen Vorfall eine weitere Person leicht. C. räumte vor Gericht ein, überreagiert zu haben. Verteidigen ließ er sich von einem in der rechten Szene bekannten Rostocker Anwalt.
C., der zuvor bereits aufgefallen war, weil er außerhalb seiner Dienstzeit ein unliebsames Plakat der Grünen Jugend „konfizieren“ wollte, soll tatsächlich zuvor im Bereich der Prävention tätig gewesen sein. Inzwischen, so berichten Lokalmedien, sei der AfD-Mann vom Polizeipräsidium Rostock als Dozent an die Polizeihochschule in Güstrow versetzt worden.