Neonazi-Immobilie
Dritter Weg: Neonazi-„Bürgerbüro“ in Hilchenbach eröffnet
Die neonazistische Miniaturpartei Der Dritte Weg hat im nordrhein-westfälischen Hilchenbach ein „Bürgerbüro“ eröffnet. Die Stadt will das Haus allerdings selbst kaufen, um Geflüchtete dort unterzubringen.

Am Wochenende will die Kaderpartei in der am Naturpark Sauerland Rothaargebirge gelegenen Kleinstadt Hilchenbach einen „weitere[n] Leuchtturm unserer Partei“ bezogen haben. Das Haus mit Ladenlokal im Erdgeschoss, Wohnraum in den Etagen darüber und rund 400 Quadratmetern Nutzfläche, diene nun als „Bürger- und Parteibüro“. Das Gebäude mit großem Garten liegt zentral in Hilchenbach, einem Touristenort am Rothaarsteig. „Wie schon in Siegen beheimatet unserer Büro“ eine Kleiderkammer und eine Tiertafel, teilten die Neonazis mit.
Bisher unterhielt die Kleinpartei ähnlich genutzte Räumlichkeiten im rund 25 Kilometer entfernten Siegen. Diese muss sie indes aufgeben, weil der Mietvertrag nicht verlängert wurde und die Immobilie bald dem Verein „Inklusive Begegnungen“ als Stadtteilzentrum dienen soll. Aus diesem Grund waren die Neonazis im Sauer- und Siegerland offenbar schon länger auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten. Gefunden haben will man diese nun in Hilchenbach.
Flüchtlingsunterkunft statt Neonazi-Haus
Zugriff auf die Immobilie soll der Gebietsleiter West des Dritten Weg, Julian Bender, haben. Bender lebte bisher in Olpe im Sauerland. Hilchenbach will nun allerdings das Vorkaufsrecht geltend machen. Der städtische Infrastrukturausschuss will am Mittwoch durch Änderungsbeschlüsse im Bauplanrecht das Haus als Fläche für Gemeinbedarf umwidmen. Nutzen könnte man es dann als Flüchtlingsunterkunft. Die „Westfalenpost“ umschrieb den Plan so: „Mit der Änderung des Bebauungsplans will sich die Stadt einen Hebel verschaffen, das Vorkaufsrecht für das Gebäude auszuüben.“
Jonas Flick von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg weist darauf hin, dass Immobilien wichtig seien „für extrem rechte Szenen, denn sie bieten eine Infrastruktur, um lokale Aktivitäten zu entfalten, um Präsenz im öffentlichen Stadtbild zu zeigen“. Sie dienten auch im abgeschiedenen ländlichen Raum in Westdeutschland als „Netzwerkorte für Szeneveranstaltungen“. Die Parteibüros in Siegen und nun in Hilchenbach stünden „dabei in einer Reihe von Immobilien in der Region, die in den letzten zehn Jahren von Neonazis genutzt wurden – etwa in Freudenberg oder Burbach.“
Eine völkisch orientierte Lebenswelt
Jonas Flick weist auch darauf hin, dass der Umzug nach Hilchenbach nicht freiwillig geschehen ist, sondern „aufgrund des starken zivilgesellschaftlichen Gegenprotests und dem Bemühen der Stadt Siegen, die Vermietung an die neonazistische Partei zu beenden.“ Der Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus ergänzt: „Mit der Immobilie in Hilchenbach scheint die Partei eine Alternative gefunden zu haben, wo sie in einer vermeintlich ruhigeren Umgebung und dennoch nahe an Siegen, ihre Aktivitäten fortführen möchte.“ Man wolle sich offenbar „strukturell vor Ort verankern und eine völkisch orientierte Lebenswelt etablieren.“
Eigentlich sind in Nordrhein-Westfalen im organisierten Rechtsextremismus die zunehmend marginalisierte NPD und die offensiver auftretende Kleinstpartei Die Rechte (DR) verankert. Seit einigen Jahren will indes auch Der Dritte Weg Fuß fassen. Diese verfügt in NRW über zwei Regionalverbände und war zeitweise auch darum bemüht, in anderen Region Strukturen aufzubauen. Seit 2015 aktiv ist der „Stützpunkt Sauerland-Süd“ (Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe) sowie ab 2019 der „Stützpunkt Rheinland“. Der Landesverfassungsschutz gab in seinem letzten Jahresbericht an, die Splitterpartei verfüge in NRW jedoch nur über rund 35 Mitglieder.
„Tag der Heimatreue“ in Olpe
Hauptaktionsradius des Dritten Weg war dabei in NRW das Sieger- und Sauerland. Versammlungen und Infostände fanden in den Kommunen statt. Im sauerländischen Olpe wurde jährlich der „Tag der Heimatreue“ zelebriert, eine Mischung aus Infoständen, Kampfsport-Darbietungen und Selbstverteidigungskursen sowie Versammlungen mit Reden und Auftritten von Musikern. In Siegen selbst steigerten sich die Aktivitäten mit der Einrichtung eines „Bürger- und Parteibüros“ im Jahr 2020.
Besagtes „Büro“ war eine von drei ähnlichen Einrichtungen in Deutschland und soll nun wohl in Hilchenbach fortgeführt werden. Laut „Westfalenpost“ sei der Käufer der Immobilie – deren gewünschter Verkaufspreis vom vorherigen Eigentümer mit 369.000 Euro angegeben worden sei – ein Funktionär der Miniaturpartei. Der Kaufvertrag liege beim Notar, werde von der Stadt indes nicht akzeptiert. Gegen die Weigerung der Stadt klage der Käufer beim Verwaltungsgericht Arnsberg. Der Vertrag bleibe unwirksam, so die WP weiter, solange das Verfahren nicht abgeschlossen sei.
Neonazis zweifeln Vorkaufsrecht an
Gleichwohl sind nun schon Parteischilder und -plakate in den Schaufenstern und neben der Tür zum Ladenlokal angebracht worden. Fahnen der Partei wurden aufgehängt. Am Wochenende postierten sich elf Neonazis für ein Gruppenfoto vor dem Haus, das einen entsprechenden Bericht auf der Partei-Webseite illustriert. Auf ihrem großen Banner ist zu lesen: „Die Gemeinde hat kein Vorkaufsrecht! […] Wir bleiben standhaft!“
In den entsprechenden Text merken die Neonazis überdies süffisant an, dass die Verwaltung in E-Mails „an die Anwältin des Hauskäufers“ wohl versehentlich ein Gutachten eines Fachanwaltes für Verwaltungsrecht mitgeschickt habe. Dieser bezweifelt demnach, ob ein nachträglich angewendetes Vorkaufsrecht rechtlich haltbar wäre. Auf anderen Fotos ist zu sehen, dass das Haus und Ladenlokal professionell und zeitaufwendig renoviert wurde. Im Ladenlokal steht ein Empfangstresen der Partei, der Bereich daneben wurde als Besprechungsraum hergerichtet.