„Dritte Bastion“ für die NPD

Der Ex-NPD-Chef Udo Voigt wird als Abgeordneter in das Europäische Parlament einziehen – seine Anhänger inner- und außerhalb der Partei wünschen ihn sich auch zurück an die Spitze.

Dienstag, 27. Mai 2014
Tomas Sager

Kühler hätte die Laudatio von NPD-Chef Udo Pastörs auf seinen Spitzenkandidaten Udo Voigt nach der Europawahl kaum ausfallen können. Der 62-Jährige hatte zwar soeben die Partei erstmals bei einer bundesweiten Wahl in ein Parlament geführt. Doch Pastörs hatte für das eigentlich doch historische Ereignis in einer Pressemitteilung der NPD gerade einmal zwei Sätze parat. Erstens: „Die NPD hat sich nun eine dritte Bastion erkämpft.“ Und zweitens: „Neben den Landtagen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern werden wir ab sofort auch im EU-Parlament vertreten sein.“ Kein persönliches Wort, keines zu den Anstrengungen im Wahlkampf, keine guten Wünsche für den neuen Abgeordneten.

Pastörs’ Kälte hat mehrerlei Gründe. Zum einen hatte er selbst darauf spekuliert, den Abgeordnetensessel in Schwerin mit dem in Brüssel beziehungsweise Straßburg zu wechseln. Dabei hatte Voigt ihn jedoch ausgebremst. Seine Niederlage gegen Voigt war die erste schlimme Schlappe des amtierenden Vorsitzenden Pastörs. Und es könnte nicht die letzte gewesen sein. Man darf vermuten, dass es Voigt, der sich von seinen Freunden als „Vorsitzender der Herzen“ titulieren lässt, nun wieder in die Spitze der Partei zieht – ob als deren Chef oder als graue Eminenz, ohne den und gegen den nichts geht.

Zusätzliche Staatsgelder für die klamme Parteikasse

Schließlich mag zu Pastörs’ Frostigkeit beigetragen haben, dass die nackten Zahlen auch keinen Anlass zur Fröhlichkeit boten. Im Vergleich zur Bundestagswahl vor acht Monaten verlor die NPD 0,3 Prozentpunkte. In absoluten Zahlen: 560 828 Wähler/innen stimmten im vorigen September für die NPD. Diesmal waren es nur noch 300 815. Auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im August und September besteht kein Grund für Überschwang. In Sachsen kam die NPD bei der Europawahl auf 3,6 Prozent, in Thüringen auf 3,4 Prozent und in Brandenburg auf 2,6 Prozent.

Wenn es für Pastörs am Wahlabend überhaupt etwas gab, worüber er sich uneingeschränkt freuen konnte, dann war dies der finanzielle Aspekt. Dank des NPD-Ergebnisses fließen fünf Jahre lang stabil zusätzliche Staatsgelder in die klamme Parteikasse. Doch auch der monetäre Aspekt hat Grenzen: Dass Voigt künftig persönliche Mitarbeiter in Brüssel und Deutschland beschäftigen kann, dürfte der derzeitigen Mehrheit im Bundesvorstand kaum helfen. Dass Voigt Pastörs-Günstlinge oder ausgewiesene Anhänger des Ex-Vorsitzenden Holger Apfel zu alimentieren gedenkt, steht nicht zu erwarten.

„Freundeskreise Udo Voigt“ rüffeln Pastörs

Schon in den Wochen vor der Wahl schien es fast so, als würde die Partei mehr für Olaf Rose, den Zweitplazierten auf der NPD-Liste, die Werbetrommel rühren als für ihren eigentlichen Spitzenkandidaten. Es ist wohl kein Zufall, dass eine der größten, wenn nicht die größte Wahlkampfveranstaltung mit Voigt Anfang Mai nicht von der NPD, sondern von den „Freundeskreisen Udo Voigt“ organisiert wurde. Und ein Zufall ist es auch nicht, dass sogar bei dieser Veranstaltung im vogtländischen Theuma die Brüche zwischen Pastörs und Voigt nicht zu übersehen waren. Auf der Internetseite der „Freundeskreise“ wurde Pastörs nach der Veranstaltung arg gerüffelt: Er habe sich dazu „verstiegen“, die „Freundeskreise Udo Voigt als unnütze Erfindung, welche die nationale Bewegung spalte, zu bezeichnen“. Dass er nicht ausgebuht worden sei, habe „er der Toleranz des Publikums zu verdanken“ gehabt: „Entweder hat Pastörs den Zweck der Freundeskreise nicht verstanden, oder will ihn nicht verstehen und damit sicherlich auch seine Partei.“

Im Publikum in Theuma saßen nicht nur NPDler, sondern auch „parteifreie“ Neonazis. Sie hoffen darauf, dass Voigt an die Spitze der Partei zurückkehren möge und sie ähnlich wie vor zehn Jahren wieder stärker für die tiefbraune Szene öffnen möge. Einer aus dieser Szene ist Dieter Riefling. Am Freitag vor der Wahl stellte er sich auf seiner Facebook-Seite die Frage: „Wahl, oder nicht Wahl?“ Er kam zu dem Ergebnis: „Wir wissen alle, dass die NPD, wie sie JETZT geführt wird, und wo immer noch die Malle-Connection des Herrn Apfel regiert, (...) KEINE Systemalternative ist!“. Er selbst habe sich jedoch entschieden: „Ich wähle eine Person, NICHT die Partei!“ Der „Kamerad Voigt“ sei immer „auf alle zugegangen“, habe „immer ein offenes Ohr“ gehabt und „den Gemeinsamen Nenner gesucht, von bürgerlich bis revolutionär!“

Tatsächlich findet Voigt unter „parteifreien“ Neonazis auch nach dem Wahltag Fürsprecher und Gratulanten. „Glück auf, Kamerad Voigt, sei die Stimme für ein freies deutsches Vaterland!“, wünschen ihm norddeutsche „Kameraden“. Sie meinen: „Wenigstens ein deutscher Abgeordneter, der 100 % für Deutschland steht, zieht in das Europaparlament in Brüssel ein.“ Glückwünsche gibt’s sogar von Kreisverbänden der Konkurrenz: „Die Rechte Oberberg gratuliert Udo Voigt (NPD) zum Einzug ins Europaparlament! Damit wird wohl wenigstens ein Politiker dort die Interessen des deutschen Volkes vertreten.“

Mittendrin und doch einsam

Auf europäischer Ebene wirkt Voigt freilich umso isolierter. Er werde, teilte die NPD mit, in den kommenden Wochen das Gespräch mit anderen EU-Abgeordneten suchen. „Im Vergleich zur AfD, die jede vernünftige und notwendige Zusammenarbeit mit anderen Parteien ausgeschlossen hat, sind wir für Gespräche offen.“ Schon jetzt bestünden „informelle Kontakte“, weiß die NPD zu berichten. „Die Zeichen in Europa stehen auf Sturm und Veränderung – wir sind mittendrin!“, meint Voigt selbst.

Doch wirklich „mittendrin“ ist Voigt nicht, auch wenn er jetzt im EU-Parlament Platz nehmen kann. Dass dort extrem rechte Parteien wie der Front National oder die niederländische PVV gemeinsame Sache mit ihm machen werden, erscheint unwahrscheinlich. Eher dürfte er sich im Kreis der Fraktionslosen wiederfinden, wie die Abgeordneten der griechischen „Goldenen Morgenröte“ oder der ungarischen „Jobbik“. Auf zwei europäische „Kameraden“, deren Nähe er im Wahlkampf gesucht hatte, wird Voigt in Brüssel ganz verzichten müssen: Nick Griffin, Vorsitzender der „British National Party“ (BNP) und bisher Parlamentsmitglied, wurde abgewählt, und auch Tomáš Vandas, Chef der tschechischen DSSS, scheiterte bei der Abstimmung am Sonntag. Er werde sich für eine „Bündelung nationaler Kräfte in Europa“ einsetzen, kündigte Voigt gleichwohl an – wissend, dass das Interesse an einer solchen „Bündelung“ unter Einschluss der NPD nicht groß ist. Udo Voigt in Brüssel: Mittendrin und doch einsam.

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