Jahrestag der Bombardierung Dresdens

Dresden-Gedenken durch Neonazi-Partei in Nordhausen

Etwa 190 Neonazis aus den Reihen der Partei III. Weg und einige Angehörige der regionalen Neonazi-Szene demonstrierten am Samstag durch die Stadt am Südrand des Harz. Thema waren die Luftangriffe auf Dresden und andere Städte in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Eine Sitzblockade zwang zur Änderung der geplanten Route.

Sonntag, 18. Februar 2018
Thomas Witzgall
Eröffnung der Kundgebung am August-Bebel-Platz
Eröffnung der Kundgebung am August-Bebel-Platz

Etwa 190 Neonazis aus den Reihen der Partei III. Weg und einige Angehörige der regionalen Neonazi-Szene demonstrierten am Samstag durch die Stadt am Südrand des Harz. Thema waren die Luftangriffe auf Dresden und andere Städte in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Eine Sitzblockade zwang zur Änderung der geplanten Route.

Die Kampagne „Ein Licht für Dresden“, die mit einer jährlich im Februar stattfindenden Demonstration begangen wird, ist etwa so alt wie die Neonazi-Partei III.Weg selbst. Gegründet kurz nach der Bundestagswahl 2013, marschierte die Partei im Jahr darauf im tschechischen Karlovy Vary zu dem Thema auf.

Schon damals war klar: Viele bayerische Kader des vor einem Verbot stehenden Freien Netz Süd engagierten sich fortan beim III.Weg, der deshalb auch als Nachfolgeorganisation des inzwischen verbotenen Kameradschaftsdachverbandes gilt.

Dezentral und unter sich

Dieses „eigene“ Dresden-Gedenken folgt auch einem Aufruf aus der Szene, nach den großen, aber zunehmend blockierten Großaufmärschen in der Elbmetropole, auf kleinere, dezentrale Veranstaltungen zu setzen, die eine größere Chance auf Durchsetzung haben. Der Neonazi-Partei kommt es zudem entgegen, hier etwas mehr „unter sich“ zu sein. Der III.Weg beteiligt sich höchst selten an organisationsübergreifenden Kampagnen, wenn, dann nur mit kleinen Abordnungen, aber nie mit der Breite, wie bei eigenen Aufmärschen.

Eine Ausnahme bildete hier das erste Rechtsrock-Festival in Themar. Aber auch dort erfolgte die Abgrenzung von der neonazistischen Szene, die in den Augen der Funktionäre im „nationalen Sozialismus“ bestenfalls eine Freizeitbeschäftigung sieht oder aufgesetzte Rebellion. Den weiteren Konzerten blieb die Partei weitestgehend fern und versucht sich im kommenden Juli unter dem Titel „Jugend im Sturm“ an einem eigenen „Themar“. Zu Zeiten des Freien Netz Süd gab es mehrfach „Frankentage“ und eine gescheitertes „Europa erwache“-Festival.

Bundesweite Mobilisierung

Nordhausen bot sich als Veranstaltungsort an, da die Stadt kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs Ziel mehrerer schwerer Luftangriffe wurde, mit hohen Opfern unter der Zivilbevölkerung. Bekannt ist Nordhausen allerdings durch das nahe Konzentrationslager Mittelbau Dora im Kohnstein. Um die Teilnehmerzahl von etwa 190 zu erreichen, musste der III.Weg bundesweit mobilisieren. Die größte Gruppe, die nach einer gemeinsamen Anreise gemeinsam erschien, umfasste Teilnehmer aus Brandenburg, Rheinland-Pfalz und einigen westdeutschen „Stützpunkten“. Parteiangaben zufolge machten sie am Kyffhäuser-Denkmal Station. Insgesamt wurde die Mobilisierung aus Brandenburg und Thüringen von Szenekennern als eher dürftig bezeichnet.

Bei Nordhausen liegt auch das KZ Mittelbau-Dora, wo beim Bau der V2-Raketen mehr Menschen umkamen als beim Einsatz der Waffe
Bei Nordhausen liegt auch das KZ Mittelbau-Dora, wo beim Bau der V2-Raketen mehr Menschen umkamen als beim Einsatz der Waffe

In dieser Gruppe befanden sich der Parteivorsitzende Klaus Armstroff, Matthias Fischer, neuerdings stellvertretender Bundesvorsitzender, aber schon immer das Zentrum der Partei, und der Gebietsleiter West, Julian Bender.

Aus Bayern kam eine etwa 50 Personen große Gruppe. Deutlich wurde erneut, dass die Kader aus dem Freistaat das Rückgrat des III.Wegs bildeten. Sie übernahmen, obwohl als letzte angekommen, zentrale Aufgaben bei der Durchführung der Kundgebung. Am Ende des Zuges formierte sich eine Gruppe Neonazis aus Thüringen um den Kader Michel Fischer, die bis vor kurzem noch den Landesvorstand der Partei Die Rechte ausgemacht hatten. Angemeldet waren laut Medienberichten nur 50 Teilnehmer. Der III.Weg griff in der Vergangenheit sehr gerne zu dem Mittel, zurückhaltend bis deutlich zu niedrige Schätzungen bei der Anmeldung anzugeben. Ziel könnte es sein, von vornherein Medienaussagen über eine enttäuschende Beteiligung zu vermeiden, wenn die angegebene Teilnehmerzahl deutlich unterboten wurde.

Altbekannte Narrative

Die Ereignisse aus Dresden bzw. das, was die Akteure daraus machen, ermöglicht der neonazistischen Rechten, aber auch Rechtspopulisten und Rechtskonservativen, mehrere Elemente ihre Weltanschauung zu transportieren. Das wurde besonders bei der Eröffnungsrede von Walter Strohmeier deutlich, Leiter des „Stützpunktes Ostbayern“ des III. Wegs.

Beinahe jedes „Heldengedenken“ der letzten Zeit wird von ihm für die völkische Traditionsbildung genutzt. Die anwesenden Neonazis sollen sich als Teil einer von weit in die Vergangenheit zurückreichenden Kette von „Volksangehörigen“ sehen, deren „biologisches Erbe“ sie weitertragen müssten. Damit soll auch den eigenen Anhängern ein höherer Sinn des Engagements vermittelt werden, wenn die Tätigkeit doch eigentlich nur darin besteht, den Samstag nach stundenlanger Fahrt mit anderen in der Kälte auf einem schlecht geschotterten Platz wie in Nordhausen zu verbringen.

Inszenierung der Anklage gegen die Alliierten
Inszenierung der Anklage gegen die Alliierten

Strohmeier ließ auch fiktive „Mütter von Dresden“ eine Anklage Richtung Nürnberg richten. Das Gedicht stammte aus der Feder des Hitler-Verehrers und Vertriebenenfunktionärs Heinrich Zillich. Damit verband er die Kritik, dass bei den Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher und den Nachfolgeprozessen nur nationalsozialistische Täter angeklagt wurden. Diese Forderung nach parallelen Anklagen gegen alliierte Befehlshaber ist für sich genommen schon eine Verharmlosung der Taten der tatsächlich Angeklagten.

Mit den konstruierten immensen Opferzahlen, von denen die rechte Szene bis hin zu Teilen der AfD trotz intensiver Forschungen nicht lassen kann, wird eine Art Plan zu einem „Mega-Holocaust“ der Alliierten beschworen, der die eigenen Vorbilder zusätzlich entlasten soll. Gerade die USA und die Briten hätten nichts anderes im Sinn als die komplette Auslöschung des „deutschen Volkstums“. Beim Angriff auf Dresden sei es nicht etwa um die Zerstörung eines wichtigen Koordinationszentrums kurz vor der finalen Offensive der Roten Armee gegangen, sondern um die gezielte Tötung von Frauen, Kindern und Greisen, so die Anklage von rechts.

Mit Fackel und Eimer durch Nordhausen
Mit Fackel und Eimer durch Nordhausen

Diesen Kampf würde die westliche Wertegemeinschaft nun fortsetzen, allerdings mit Mitteln wie „Überfremdung durch Zuwanderung“. In der rechten Szene haben solche Gedanken und Pläne Hochkonjunktur. Schon die NS-Führung hatte im Krieg entsprechende Meldungen aufgebauscht und verbreitet, um den Fanatismus in den eigenen Reihen zu stärken. Strohmeier rief zur Gegenwehr auf, allerdings solle diese nicht gewaltsam sein. Dies könnte eine erste Reaktion auf die aus dem Bayerischen Landtag erhobenen Forderungen nach einem Verbot des III.Wegs sein.

Etwas mehr Gegendemonstranten, makabere Route

Gegen das Ansinnen des III. Wegs richtete sich eine Demonstration mit laut Polizei 250 Teilnehmern. Nach einem ersten verbalen Aufeinandertreffen ging es für die Neonazis durch verlassen wirkende Straßen Richtung Süden, begleitet nur von einigen mit Kreide angebrachten Botschaften. Die Route führte den NS-Fackelmarsch auch vorbei am Königsreichsaal der Zeugen Jehovas und am Mahnmal der ehemaligen Synagoge.

Bei den Gegendemonstration gab es Poetry Slam und Musik. Durch eine Blockade in der Sängerhäuser Straße musste der Zug der Neonazis umgeleitet werden. Bei der Räumung weiterer Versuche, den Aufmarsch zu stören, kam es zu den beinahe üblichen „versammlungstechnischen Vorfällen“. Auf Seiten der Teilnehmer des III. Weg kam es zu einem Hitler-Gruß und verbotene Quarzhandschuhe wurden festgestellt. Der Aufzug der Neonazis endete nach Parteiangaben gegen 19.30 Uhr.

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